Enterale Ernährung

Der Kostaufbau richtet sich nach dem operativen Eingriff, nach dem mentalen und klinischen Zustand des Patienten. Alle folgenden Schemata sind den individuellen Gegebenheiten anzupassen. Nach einer Laparotomie ist täglich der abdominelle Befund zu erheben und zu dokumentieren.

Kontraindikationen

Bei den folgenden Krankheitszuständen ist eine enterale Ernährung kontraindiziert: bei einem mechanischen Ileus, akutem Abdomen, Hypoxie (paO2 <80 mmHg) und schwerem Schock. Sie kann problematisch werden bei einer ausgeprägten Peritonealkarzinose, paralytischem Ileus, gastrointestinaler Blutung, schweren Diarrhöen, hohem Reflux, unmittelbar nach der Operation oder einem schweren Trauma. Auch wenn die enterale Ernährung insgesamt günstiger zu sein scheint als die parenterale, sollte ein enteraler Kostaufbau keinesfalls erzwungen werden.

Darmzottenernährung

Selbst wenn der Nährstoffbedarf enteral nicht gedeckt werden kann, wird eine partielle enterale Ernähung empfohlen, um die Mukosastruktur zu erhalten. Dazu sind lediglich 240 ml/Tag erforderlich. Eine kontinuierliche enterale Gabe von 10 ml/Std oder 5mal 50 ml als Bolus sind dazu ausreichend.

Oraler Kostaufbau

Nach kleinen und mittleren Eingriffen ohne Verletzung des Gastrointestinaltraktes darf der wache Patient sofort trinken, wenn seine Schutzreflexe wieder nachweisbar sind. Er darf drei bis vier Stunden später wieder normal essen. Die enterale Ernährung braucht nicht erst begonnen zu werden, wenn der erste Stuhlgang oder Flatusabgang registriert wurde. Je nach klinischem Befund wird nach konventionellen Laparotomien bereits ab dem ersten Tag eine orale Flüssigkeitsaufnahme toleriert und häufig kann bereits ab dem 2. postoperativen Tag feste Nahrung eingenommen werden. Der Kostaufbau wird dabei nicht rigide angeordnet, sondern vom klinischen Zustand und abdominellen Befund des Patienten abhängig gemacht. Bei 80 % aller Patienten ist der Kostaufbau bereits am 4. postoperativen Tag abgeschlossen. Nach laparoskopischen Eingriffen ist im Vergleich zur konventionellen Operation der Kostaufbau deutlich früher erfolgreich, so dass nach laparoskopischer Cholezystektomie oder Appendektomie bereits ab dem 1. postoperativen Tag feste Nahrung angeboten wird.

Der Kostaufbau richtet sich nach dem operativen Eingriff, nach dem mentalen und klinischen Zustand des Patienten. Alle folgenden Schemata sind den individuellen Gegebenheiten anzupassen. Der Kostaubau und die Infusionstherapie müssen gemeinsam sicher stellen, dass der Patient mit ausreichend Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt wird. Ein nicht-mangelernährter Patient kann postoperativ für einige Tage mit hyopkalorischer Lösungen ausreichend ernährt werden. Eine parenterale Ernährung ist erst erforderlich, wenn der Kostaufbau nach dem 7 Tag begonnen wird.

Alle Eingriffe in Lokalanästhesie. Sofort essen und trinken
Alle Eingriffe ohne Laparotomie – z.B. Struma, LH. Der Patient darf im Aufwachraum bereits trinken. Er kann 3-4 Stunden später normal essen.
Kleine bis mittelgroße abdominelle (laparoskopische) Eingriffe bis zur CCE, Splenektomie, App, Narbenhernie. Der Patient darf im Aufwachraum bereits trinken. Er kann 3-4 Stunden Tee/Suppe/Joghurt nach Belieben essen. Ab dem 1. postop. Tag erhält er leichte Kost ohne Infusionen.
Große Eingriffe ohne Anastomose am Magen oder Duodenum einschließlich großer Gefäßoperationen Der wache, kooperative Patient darf am Abend des Operationstages bis zu 200 ml trinken. Ab dem 1. po. Tag erhält er mindestens 1mal, besser 3mal Fortimel. Außerdem darf das Wohlbefinden durch Kauen von Kaugummi verbessert werden. Ab dem 2. po. Tag sollte es die Regel sein, dass er 3mal Fortimel zu sich nimmt bis er feste Nahrung aufnehmen kann. Flüssige Kost wird nach klinischem Befund angeordnet, so dass bei ausreichender Flüssigkeitsaufnahme die Infusionen abgesetzt werden können. Bei normalem Verlauf ist keine parenterale Ernährung erforderlich.
Magen-, Pankreaskopf- oder Ösophagusresektion. Der wache, kooperative Patient darf am 1. po. Tag 1mal Impact zu sich nehmen. Die Impact-Gabe wird in Abhängigkeit vom klinischen Befund gesteigert. 3mal Impact wird bis zum vollständigen Kostaufbau angeordnet. Flüssige Kost wird ebenfalls nach klinischem Befund angeordnet, so dass bei ausreichender Flüssigkeitsaufnahme die Infusionen abgesetzt werden können. Bei normalem Verlauf ist keine parenterale Ernährung erforderlich.

Nährlösungen

Im klinischen Alltag werden mehrere Nährlösungen benötigt. Zunächst werden für Patienten ohne Maldigestions- oder Malassimilationsstörungen Standardnahrungen benötigt. Diese Nährlösungen haben eine Energiedichte von 0,9–1,5 kcal/ml und werden oral oder über eine gastrale Sonde gegeben. Die üblichen Nährlösungen enthalten ungefähr 80 % frei verfügbare Flüssigkeit, die in die Berechnung der Flüssigkeitsbilanz eingeht. Patienten mit einer Katheterjejunostomie bzw. jejunalen Sonde sollten eine isokalorische Oligopeptiddiät (z.B. Survimed OPD®) erhalten. Für Tumorpatienten werden Nährlösungen (z.B. Supportan®) mit einer Energiedichte von 1,3 kcal/ml, einem hohen Proteinanteil (18 %) und hohem Fettanteil (50 %) empfohlen. Wenn dem Patienten eine Nährlösung angeboten wird, sollte auf den Geschmack geachtet werden, denn die Compliance hängt wesentlich davon ab. Gekühlte Nährlösungen sind deutlich schmackhafter als warme. Nährlösungen mit hoher Kaloriendichte schmecken den meisten Patienten nicht.

Perioperative Nährlösung

Für die prä- und postoperative zusätzliche Alimentation haben sich orale Nährlösungen als besonders hilfreich erwiesen. Sie enthalten einen hohen Proteingehalt und relativ geringen Anteil an Kohlenhydraten. Beim Diabetiker sollte bei der enteralen Ernährung mit Trinknahrung unbedingt auf den Blutzucker geachtet werden. Die speziellen Trinklösungen für Diabetiker sind nicht unbedingt empfehlenswert, weil sie stark abführend wirken.

Enterale Sondenernährung

Eine frühe enterale Ernährung ist auch bei großen Oberbaucheingriffen möglich, wenn eine Ernährungssonde in das Jejunum gelegt wurde. Dann kann bereits nach 12 Stunden mit der Ernährung begonnen werden.

Als ungefähre Regel gilt, dass am 1. postop. Tag mit 25 ml/Std einer Standarddiät begonnen wird, die eine Energiedichte von 1 kcal/ml aufweist. Bei guter Verträglichkeit wird die Zufuhr alle 24 Stunden verdoppelt auf 50 ml/Std und dann auf 100 ml/Std, was dem durchschnittlichen Tagesbedarf von 2400 kcal in 2400 ml Flüssigkeit entspricht. Bei dieser kontinuierlichen Applikation wird von einigen eine Pause von 3–4 Stunden empfohlen. Wenn die Sondenkost in den Magen gegeben wird, dann kann sie auch als Bolus appliziert werden. Dazu werden die Boli in folgender Frequenz gesteigert: 1. Tag 5 x 100 ml, 2. Tag 5 x 200 ml, 3. Tag 6 x 250 ml und 4. Tag 8 x 250 ml. Von diesen genannten Schemata wird man natürlich abweichen müssen, wenn der Patient die enterale Ernährung nicht verträgt. Am häufigsten führt eine Diarrhoe zum Abbruch, die sowohl bei zu hoher Osmolarität als auch zu schneller Applikation auftritt. Theoretisch sind die Vorteile der enteralen Ernährung evident, aber in kontrollierten Studien bisher nicht sehr überzeugend. Die enterale Sondenernährung sollte deshalb nicht erzwungen werden, sondern stellt eine attraktive Alternative dar.

Immunmodulatoren

Immer wieder wird diskutiert, ob die Komplikationsrate nicht vermindert werden kann, indem die Ernährung mit Immunmodulatoren (Vitamine, Spurenelemente, Glutamin, Arginin, Omega-3-Fettsäuren) ergänzt wird. Obgleich sehr ermutigende Ergebnisse vorliegen und sich die infektiösen Komplikationen zu vermindern scheinen, wurden sie bisher nur von sehr wenigen Arbeitsgruppen reproduziert. Da die Nährlösungen schlecht schmecken, ist die Compliance gering. Bei septischen Patienten sollten keine Immunmodulatoren eingesetzt werden, weil sich die Sterblichkeit dadurch zu erhöhen scheint.

Nach PEG-Anlage

24 Stunden nach PEG-Anlage kann Tee oder Sondennahrung appliziert werden. Die Nährlösung braucht nicht verdünnt zu werden. Einige Autoren weisen darauf hin, dass die PEG bereits einige Stunden später verwendet werden kann. Wir haben bei diesem frühen Vorgehen aber relativ viele Komplikationen gesehen, so dass grundsätzlich 24 Stunden gewartet wird. Um Komplikationen zu vermeiden, ist es besonders wichtig, die PEG-Andruckplatte immer unter adäquater Spannung zu halten, so dass sie nicht zu locker ist und auch keine Drucknekrosen verursacht. Das Gesamtvolumen sollte insgesamt 1500–2000 ml Sondennahrung und 1000–1500 ml Flüssigkeit betragen. Je nach Verträglichkeit wird die Menge täglich um 500 ml bis zur Zielmenge gesteigert. Medikamente können über die Sonde gegeben werden. Dazu wird die Sonde mit 50 ml Wasser durchgespült, das Medikament über die Sonde appliziert und danach erneut mit 50 ml gespült. Medikamente werden getrennt voneinander appliziert und sollten keinesfalls mit der Sondennahrung gemischt werden.