Heparine

Unfraktioniertes Heparin (UFH) ist ein Gemisch aus langkettigen Mukopolysacchariden mit einer Halbwertszeit von ungefähr zwei Stunden. UFH werden gleichermaßen hepatisch und renal eliminiert. Durch enzymatische Depolymerisation entstehen unterschiedliche niedermolekulare Heparine (NMH), die sich in ihren Wirkungen unterschieden. Die NMH bezeichnen eine Substanzklasse unterschiedlicher Präparate, die nicht beliebig austauschbar sind. Sie haben eine Halbwertszeit von ungefähr vier Stunden und werden überwiegend renal ausgeschieden. Deshalb sollte auf die Dosierung und Indikationen der einzelnen Präparate bei einer Niereninsuffizienz geachtet werden. Alle Heparine binden an AT III und ändern die Konformation des Moleküls. Dadurch kann AT III die aktivierten Faktoren Xa und IIa viel schneller inaktivieren als ohne Heparin. Um AT III so zu ändern, dass es Thrombin bzw. Faktor IIa hemmt, müssen sich 18 Zuckereinheiten anlagern. Um den Faktor Xa zu hemmen reichen 5 Monosaccharideinheiten aus. Die kleineren NMH-Moleküle sind mithin nicht in der Lage, AT III so zu ändern, dass der Faktor IIa ausreichend gehemmt wird. Bei den UFH beträgt die Anti-Faktor-Xa/Anti-Faktor-IIa-Ratio 1:1. Dieses Verhältnis ist bei den NMH zugunsten des Anti-Faktor-Xa verschoben.

Wirkung

Die Wirkung der UFH kann gemessen werden, weil sie auf Thrombin (Faktor II) wirken. Die aPTT ist der geeignete klinische Parameter, um den Effekt der UFH zu steuern. Die NMH sind dadurch aber nicht kontrollierbar. Hier wäre eine Anti-Xa-Bestimmung erforderlich, die allerdings nur die Kumulation der NMH anzeigt, aber nicht das Risiko für Blutungskomplikationen. Bei einem Anti-Xa-Spiegel von über 1,5 IE/l sind vermehrte Blutungen wahrscheinlich. Nur bei sehr starker Überdosierung verlängert sich bei NMH-Gabe auch die aPTT. Die Bioverfügbarkeit der NMH ist deutlich besser als die der UFH und sie wirken doppelt so lange. Es sollte unbedingt berücksichtigt werden, dass die UFH primär über die Leber und die NMH über die Niere eliminiert werden. So beträgt die Halbwertszeit von Enoxaparin bei Gesunden ca. sieben Stunden, bei moderater Niereninsuffizienz mit einer GFR von 30–60 ml/min verlängert sie sich auf ca. 11 Stunden und bei einer schweren Niereninsuffizienz mit einer GFR von 15–30 ml/min sogar auf ca. 16 Stunden. Bei einer Niereninsuffizienz sollte die Dosis deshalb adjustiert werden, um eine Kumulation zu meiden. Für die verschiedenen NMH gelten unterschiedliche Vorgehensweisen. Bei Enoxaparin soll zum Beispiel bei einer GFR unter 30 ml/min die Dosis zur Thromboseprophlyaxe um 25 % reduziert werden. Wird in diesen Situationen eine therapeutische Dosierung gewählt, dann sollte sie um 50 % vermindert werden.

Prophylaxe

Obgleich es für jede Art der medikamentösen Anwendung gute Indikationen gibt, werden überwiegend Heparine zur Prophylaxe angewendet, wobei die NMH die UFH weitgehend verdrängt haben. Während die UFH als Low-dose-Heparinisierung (3 x 5000 IE/Tag) früher als das etablierte Verfahren zur Thromboseprophylaxe galten, wurden sie durch die tägliche einmalige Gabe von NMH ersetzt. Aufgrund der längeren Halbwertszeit und besseren Bioverfügbarkeit der NMH sind sie genauso effektiv wie die UFH. Die präparatebedingten Unterschiede sollten beachtet werden. Bei Patienten mit einem sehr hohen Risiko werden NMH zweimal täglich gegeben oder kontinuierlich UFH in einer Dosierung von 15000 IE/Tag.

Blutungen

Blutungskomplikationen sind nach korrekter Applikation der Heparine selten. Bei einer eindeutigen und starken Überdosierung kann unter aPTT-Kontrolle der Effekt der Heparine mit Protamin antagonisiert werden.

Heparininduzierte Thrombozytopenie

Der klinisch bedeutendste Vorteil der NMH, neben ihrer Praktikabilität, ist das geringe Risiko, eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) auszulösen. Die HIT wird in zwei Arten eingeteilt. Während der Typ I mit ca. 10 % relativ häufig ist und nur durch einen vorübergehenden Abfall an Thrombozyten auffällt, ist der Typ II selten und gefährlich. Bei der HIT I fallen die Thrombozyten selten unter 100 000 und erholen sich spontan. Heparin muss nicht ersetzt werden. Bei der HIT II werden Antikörper gebildet, die gegen Komplexe aus Thrombozytenfaktor 4 und Heparin gerichtet sind. Sie aktivieren Thrombozyten und bilden Thrombin, wenn Heparin anwesend ist. Dadurch werden massive Thromboembolien ausgelöst. Bei UFH tritt die HIT II bei 2–3 % und bei NMH nur bei etwa 0,3 % auf. Die NMH reduzieren somit das Risiko, eine HIT II zu erleiden, um das 10fache. Um die gefährliche HIT II nicht zu übersehen, wird bei jeder Heparinapplikation die Thrombozytenzahl kontrolliert. Wenn der Patient in den letzten 100 Tagen keine Heparine erhalten hat, dann tritt die HIT meistens zwischen dem 5. und 10. Tag nach der Exposition auf. Sie kann aber auch innerhalb von Stunden induziert werden, wenn kürzlich Heparine appliziert wurden. Da der Thrombozytenabfall bis zur dritten Woche mit einem Maximum zwischen dem 5. und 14. Tag auftreten kann, sollten in diesem Zeitraum die Thrombozyten mehrfach kontrolliert werden. Auch wenn sich kein Thrombozytenabfall nachweisen lässt, aber der Verlauf durch unerklärliche Gefäßverschlüsse gekennzeichnet ist, sollte an eine HIT II gedacht und die Diagnose durch den Nachweis von Antikörpern bestätigt werden. Bei einer HIT II ist sofort jede Heparin-Applikation zu unterlassen und durch Heparinoide oder Hirudin zu ersetzen. Gelegentlich wird übersehen, dass Heparin auch in PPSB oder AT-III-Präparaten oder manchmal in Spüllösungen (Katheter, Dialyse) enthalten sein kann.

Verdacht auf HIT

Wenn der Verdacht auf eine HIT besteht, dann ist das NMH sofort abzusetzen und die HIT durch den Nachweis von Heparin-Antikörpern zu bestätigen. Zur Antikoagulation können dann Heparinoide oder Thrombininhibitoren (Lepirudin) eingesetzt werden. Eine Therapie mit Refludan® (Hirudin-Lepirudin) oder Orgaran® (Danaparoid-Natrium) ist erst einzuleiten, wenn die Diagnose bestätigt wurde und eine weitere Thromboseprophylaxe erforderlich ist. Nach Beendigung der Heparingabe steigen die Thrombozyten nach vier bis 14 Tagen wieder an. Allerdings bleibt das erhöhte Thromboserisiko noch über Wochen bestehen.

Fondaparinux

Arixtra® ist ein synthetisch hergestelltes Pentasaccharid mit einer Halbwertszeit von ungefähr 17 Stunden, das antithrombinvermittelt Faktor Xa hemmt. In einer Dosierung von 2,5 mg s.c. tgl. scheint es so effektiv wie NMH zu sein. Außerdem wird es erst sechs Stunden nach der Operation gegeben. Eine fragliche HIT wurde auch schon beobachtet. Allerdings ist eine Kontrolle der Thrombozyten nicht erforderlich. Selten sind allergische Reaktionen und ein Anstieg der Transaminasen.

Rivaroxaban

Xarelto® ist ein oral verfügbarer Faktor-Xa-Hemmer, der in Zukunft die Thromboseprophylaxe drastisch erleichtern wird. Er hemmt direkt den freien und fibringebundenen Faktor Xa sowie die Prothrombinase-Aktivität. Alle anderen Faktoren des Gerinnungssystems als auch die Thrombozytenaggregation werden nicht gehemmt. Er wird einmal täglich oral gegeben und ist zurzeit leider nur für traumatologische Fälle zugelassen.

Rivaroxaban wird mit einer Dosis von 10 mg einmal tgl. appliziert. Eine Dosisanpassung ist in keinen Fällen erforderlich. Bei einer GFR unter 30 ml/min sollte es keinesfalls gegeben werden. Die erste Dosis wird 6-10 Stunden nach der Operation angeordnet. Danach einmal täglich. Ein Monitoring ist nicht erforderlich.

Sollten unkontrollierte Blutungen auftreten kann PPSB oder Faktor rVIIa versucht werden. Ein Antidot ist nicht verfügbar.

PDK: Es gilt dasselbe wie für Clexane. 18 Stunden vor Legen oder Entfernen darf Rivaroxaban nicht gegeben werden. Sechs Stunden nach Legen oder Entfernen kann es wieder eingenommen werden.

Physikalische Prophylaxe

Die physikalische Thromboseprophylaxe besteht vorwiegend aus einer sehr frühen Mobilisierung sowie einer intermittierenden Beinvenenkompression bei größeren Eingriffen.