Thromboseprophylaxe
Virchow-Trias
Die Thromboseprophylaxe ist heute ein sehr wichtiger Bestandteil der perioperativen und posttraumatischen Behandlung, denn nach Operationen und bei Immobilisation steigt die Thrombosegefahr deutlich an. Als verantwortliche Faktoren werden eine Venendilatation, ein reduzierter venöser Blutstrom und vor allem eine posttraumatische Hyperkoagulabilität genannt.
Indikation
Auch wenn aufgrund der uneinheitlichen Datenlage nicht dezidiert angegeben werden kann, bei welchen Operationen eine Prophylaxe erforderlich ist, scheint sie nur bei kleinen operativen Eingriffe oder geringen Verletzungen nicht erforderlich zu sein. Die Indikation zur Prophylaxe muss nach Abwägen von Nutzen und Risiko individuell gestellt werden. Ihre bewusste Unterlassung sollte sorgfältig dokumentiert und auf jeden Fall begründet werden. Damit besteht bei fast allen stationär operierten Patienten eine Indikation. Sie ist bei einer Schilddrüsenresektion wegen einer euthyreoten Knotenstruma aber nicht erforderlich.
Arten der Prophylaxe
Als Thromboseprophylaxe sind die physikalischen Therapieformen und die medikamentöse Prophylaxe geeignet. In der Regel werden im klinischen Alltag bei allen Patienten immer eine rasche Mobilisierung mit aktiven Bewegungsübungen angestrebt und Anti-Thrombosestrümpfe angelegt. Allerdings müssen die Strümpfe so angelegt werden, dass sie sehr gut passen, denn sonst wirken sie nicht. Auf passende Strümpfe sollte der Arzt deshalb bei den Visiten achten. Statt der Oberschenkelstrümpfe haben sich in vielen Kliniken die Wadenstrümpfe durchgesetzt. Bei Patienten mit mittlerem und hohem Risiko wird immer eine medikamentöse Prophylaxe vorgenommen, wobei hierzu sowohl unfraktioniertes Heparin (UFH), niedermolekulare Heparine (NMH), Hirudin oder Vitamin-K-Antagonisten verwendet werden. Bei Patienten mit geringem Risiko ist eine medikamentöse Prophylaxe besonders zu begründen.
Patienten, die einem operativen Eingriff unterzogen werden oder bettlägerig sind, sollten eine Thromboseprophylaxe erhalten. Die Patienten erhalten ein niedermolekulares Heparin (NMH) (Clexane®). Zusätzliche Strümpfe sind nur erforderlich bei einem hohen Risiko. Vor der ersten Applikation, d.h. bei der stationären Aufnahme bzw. bei Notfalleingriffen in der Notfallambulanz, wird der Patient über Nutzen und Risiken der medikamentösen Thromboseprophylaxe aufgeklärt. Die exakte Dosierung richtet sich nach dem individuellen Risiko, eine thromboembolische Komplikation zu erleiden. Es wird ein mittleres und hohes Risiko unterschieden. Ein hohes Risiko besteht bei großen operativen Eingriffen von älteren Patienten (>60 J.), Malignomen, Bettlägerigkeit wegen kardialer oder pulmonaler Insuffizienz oder bekannter thromboembolischer Erkrankung in der Anamnese (internistisches Konsil zum Ausschluss einer hereditären Krankheit erwägen).
Wann die Thromboseprophylaxe beendet wird, wird vom behandelnden Arzt entschieden. Sie sollte mindestens 5–7 Tage dauern. Nach der Operation von Malignomen sollte sie für 5 Wochen fortgesetzt werden.
Bei allen Patienten wird die Thrombozytenzahl am Tag vor Beginn der Behandlung, am 5. Behandlungstag, danach zweimal wöchentlich bis zur Entlassung bestimmt. Bei einer frühen Entlassung ist im Entlassungsbrief die Fortsetzung der Thromboseprophylaxe bis zur vollen Mobilisation oder bis zum 7. postoperativen Tag und die Kontrolle der Thrombozyten zu empfehlen.
Applikationszeitpunkt
Die NMH (0,4 ml Clexane® multidose s.c.) werden am Abend gegeben, wenn der Patient bereits stationär aufgenommen wurde. Wird der Patient aber erst am Operationstag aufgenommen, dann erhalten die Patienten 0,2 ml Clexane multidose s.c. vor der Operation, wenn sie keine Regionalanästhesie (PDK) erhalten. Die zweite Dosis am Abend des Operationstages richtet sich nach dem Gesamtrisiko (0,2 ml oder 0,4 ml Clexane).
Kontraindikationen für NMH sind Blutgerinnungsstörungen, schwere Hypertonie (RR >200/120 mmHg) sowie schwere Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Als wichtige, aber seltene Nebenwirkungen treten Blutungen und Unverträglichkeitsreaktionen auf (Hautreaktionen, Heparin-induzierte Thrombozytopenie HIT).
Regionalanästhesie
Besonders wichtig ist eine zeitgerechte Applikation von Heparinen, wenn eine Regionalanästhesie geplant ist. Da bei rückenmarknaher Anästhesie spinale und epidurale Blutungen häufiger auftreten, wenn zeitnah eine medikamentöse Thromboseprophylaxe vorgenommen wird, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass UFH vier Stunden vor und eine Stunde nach Regionalanästhesie nicht appliziert werden und NMH nicht 12 Stunden vor und vier Stunden danach. Deshalb hat es sich im klinischen Alltag bewährt, die Prophylaxe mit NMH am Abend vor der Operation zu beginnen.
Applikationszeitpunkt bei mittlerem Risiko
Stationär | Ambulant ohne PDK | Ambulant mit PDK | |
Tag vor der Operation | 0,2 ml Clexane am Abend | – | – |
Operationstag | 0,2 ml Clexane am Abend | 0,2 ml Clexane vor der Operation 0,2 ml Clexane am Abend |
0,2 ml Clexane im Aufwachraum 0,2 ml Clexane am Abend |
Postoperative Tage | 0,2 ml Clexane am Abend | 0,2 ml Clexane am Abend | 0,2 ml Clexane am Abend |
Applikationszeitpunkt bei hohem Risiko
Stationär | Ambulant ohne PDK | Ambulant mit PDK | |
Tag vor der Operation | 0,4 ml Clexane am Abend | – | – |
Operationstag | 0,4 ml Clexane am Abend | 0,2 ml Clexane vor der Operation 0,2-0,4 ml Clexane am Abend |
0,2 ml Clexane im Aufwachraum 0,2-0,4 ml Clexane am Abend |
Postoperative Tage | 0,4 ml Clexane am Abend | 0,4 ml Clexane am Abend | 0,4 ml Clexane am Abend |
Aufklärung
Aufgrund der möglichen Folgen der Prophylaxe ist der Patient über Nutzen und Risiken unbedingt aufzuklären und die jeweiligen Medikamente gemäß ihrer Zulassung zu verordnen. Gut begründete Applikationen außerhalb des Zulassungsbereiches sollten sorgfältig abgewogen und dokumentiert werden. Wird der Patient frühzeitig entlassen, sollte eine weitere ambulante Prophylaxe bis zum 5.-7. postoperativen Tag oder bis zur vollen Mobilisation durchgeführt werden.