Gerinnungsfaktoren

Zur sekundären Hämostase und sicheren Blutstillung sind Gerinnungsfaktoren nötig. Da Gerinnungsstörungen unterschiedliche Ursachen und Ausmaße haben, sind die nachfolgenden Produkte gezielt einzusetzen. Bei sehr komplexen Gerinnungsstörungen sollte bereits präoperativ ein Hämostaseologe hinzu gerufen werden.

Frischplasmen (GFP)

Bei klinisch relevanten Blutungsneigungen oder einer massiven Blutung werden neben EK auch GFP transfundiert, wobei sich die Anzahl der applizierten Einheiten mehr an empirischen Gesichtspunkten orientiert als an objektiven Parametern. Auch bei der GFP-Gabe sind die AB0-Gruppen zu berücksichtigen. GFP der Blutgruppe AB ist für alle verträglich.

Indikation

Frischplasmen werden in der Regel zugeführt, um nicht aktivierte Gerinnungsfaktoren und Proteinaseinhibitoren zu applizieren. Sie sind nicht als Volumen- oder Eiweißersatz geeignet. Sie spielen auch keine Rolle im Rahmen der parenteralen Ernährung oder zur Substitution von Immunglobulin. Um den Faktorengehalt um etwa 1–2 % zu erhöhen, sind ungefähr 1 ml Frischplasma pro kg Körpergewicht erforderlich. Damit sind sie völlig ungeeignet, um eine schwere Hämostasestörung schnell und effektiv zu beseitigen. Eigentlich werden GFP nur bei massiven Blutungen mit vitaler Gefährdung gegeben, die an einer Verlustkoagulopathie (Polytrauma), DIC oder Leberzirrhose leiden.

Massive Blutung

Eine Blutung wird als massiv bezeichnet, wenn innerhalb von 24 Stunden das gesamte Blutvolumen verloren geht, was ungefähr der Substitution von 10 EK entspricht, oder wenn der Verlust 50 % des Blutvolumens innerhalb von 3 Stunden beträgt. Auch eine sehr starke Blutung von mehr als 150 ml/min, wird als massiv bezeichnet.

Applikation

Die Frischplasmen (initial 10–15 ml/kg KG) sollten insgesamt schnell infundiert werden. Auf eine Volumenbelastung des Kreislaufes ist zu achten. Häufig sind drei bis vier Frischplasmen zur Verbesserung der Blutstillung erforderlich (10–15 % Faktorenanstieg). Zur Verbesserung der Blutstillung wird der gezielten Gabe von PPSB und Fibrinogen allerdings der Vorzug gegeben.

Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB)

PPSB enthält die prokoagulatorischen Faktoren II, VII, IX und X sowie die inhibitorischen Proteine C, S und Z. Alle Präparate sind heparinhaltig und dürfen deshalb bei einer HIT nicht gegeben werden. PPSB wird primär bei komplexen Hämostasestörungen eingesetzt, die auf einem Mangel an Faktoren II, VII, IX und X beruhen. Das sind am häufigsten der erworbene Mangel dieser Faktoren bei Verlust oder Synthesestörung (Hepatopathie oder Vitamin-K-Antagonisten). Soll der Quickwert bei einem Patienten unter Cumarintherapie rasch angehoben werden, werden zusätzlich Vitamin K und niedermolekulare Heparine gegeben, um thromboembolische Komplikationen zu vermindern.

Applikation

Die Dosierung richtet sich nach dem gewünschten Faktorenanstieg, gemäß der Regel: Dosis = (Körpergewicht[kg] * gewünschtem Faktorenanstieg [%]). Wenn der Quickwert um 1 % erhöht werden soll, dann sind bei einem 70 kg schweren Patienten 70 E erforderlich. Um einen Anstieg von 30 % zu erreichen, müssen dementsprechend 2100 E gegeben werden. Bei größeren Operationen oder schweren Blutungen wird mit einer Dosierung von 40 E/kg KG begonnen, bei kleineren Verletzungen oder geringer Blutung lediglich mit der Hälfte der Dosierung. Während bei einem Polytrauma ein Quick von 100 % angestrebt wird, reicht ein Quick von 50 % in den meisten Fällen aus, um die Blutung zu beherrschen. Die maximale Dosis von 5 000 E sollte nicht überschritten werden. 30 bis 60 Minuten nach der Gabe sollte überprüft werden, ob sich der Quick-Wert im angestrebten Zielbereich befindet.

Antikoagulation

Wenn eine Antikoagulation mit Cumarinderivaten vorliegt und eine elektive operative Intervention geplant ist, dann wird die Antikoagulation zunächst einfach abgesetzt. Gemeinsam mit dem Kardiologen oder Hämostaseologen wird das Risiko einer Thromboembolie abgeschätzt. Bei einem mittleren und hohen Risiko werden niedermolekulare Heparine appliziert, wenn der Quick-Wert nicht mehr im therapeutischen Bereich liegt. Postoperativ wird so früh wie möglich wieder mit der Antikoagulation begonnen. Nur bei dringlichen Operationen sollte zur raschen Normalisierung der Gerinnung 1–10 mg Vitamin-K oral oder intravenös appliziert werden. Lediglich bei akut bedrohlichen Blutungen ist zusätzlich die Gabe von PPSB indiziert.

Antithrombin

Antithrombin hemmt alle Serinproteasen im Gerinnungssystem und ist ein wichtiger Kofaktor bei der Wirkung des Heparins. Die zusätzliche Gabe von Antithrombin im klinischen Alltag ist sehr umstritten, weil die Wirksamkeit nicht eindeutig belegt ist. Sollte allerdings eine Indikation zur Antithrombingabe gesehen werden, dann sollte die Aktivität mindestens auf 80 % angehoben werden. Um die Aktivität um 1–2 % zu erhöhen, müssen 1 Einheit pro kg KG appliziert werden. Die Indikation kann unter einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung individuell gerechtfertigt sein bei einer DIC, Heparinresistenz, Thromboembolien nach Lebertransplantation oder nephrotischen Syndrom. Vorher sollte allerdings immer eine detaillierte Gerinnungsanalyse vorliegen. Kontraindikationen bestehen bei allergischen Reaktionen auf das Präparat und bekannter HIT. Unter einer gleichzeitigen Heparintherapie sollte berücksichtigt werden, dass sehr starke Blutungen auftreten können.

Fibrinogen

Fibrinogen ist sowohl an der primären als auch an der sekundären Hämostase beteiligt. Bei der primären Hämostase wirkt es als sehr wichtiges Brückenprotein bei der Aktivierung und Aggregation der Thrombozyten. Bei der sekundären Hämostase bildet es das Fibrinnetz. Fibrinogen wird in der Leber gebildet und im Endothel und den Thrombozyten gespeichert. Die Halbwertszeit beträgt vier bis fünf Tage. Im Plasma beträgt die Fibrinogenkonzentration 1,5–4 g/l. Da es ein Akute-Phase-Protein ist, steigt die Konzentration bei Infektionen oder nach Operationen innerhalb von Stunden auf bis zu 10 g/l an. Auf einen gesteigerten Umsatz an Fibrinogen weisen die D-Dimere hin.

Applikation

Am häufigsten wird Fibrinogen bei einem erworbenen Mangel (Massivtransfusionen, Verbrauchskoagulopathie, Hepatopathie) erforderlich, denn die hereditären Störungen sind relativ selten. Im klinischen Alltag treten immer wieder Verdünnungskoagulopathien auf, wenn größere Mengen an kristalloiden und kolloiden Infusionslösungen appliziert werden. Während die Thrombozyten noch normal sind, ist das Fibrinogen häufig bereits in einen kritischen Bereich gesunken, so dass sich eine Blutungsneigung offenbart. Man sollte in diesen Situationen erwägen, Fibrinogen rasch zu substituieren. Dazu sind meistens 3–6 g erforderlich. Nach der Substitution sollte die Plasmakonzentration mindestens 1,0–1,5 g/l betragen. Bei manifesten Thrombosen oder frischem Herzinfarkt sollte Fibrinogen nur bei vitaler Gefährdung gegeben werden. Fibrinogen kann auch durch eine erhöhte fibrinolytische Aktivität vermindert sein. Hier wäre eventuell der Einsatz von Antifibrinolytika (Aprotinin) sinnvoll.

Fibrinolyse

Bei der Fibrinolyse handelt es sich um einen proteolytischen Abbau des Fibrins durch Plasmin. Die Bildung von Plasmin wird durch den tissue-Plasminogen-Aktivator, Faktor XIIa und Kallikrein angeregt. Plasmin spaltet das Fibrin in quervernetzte D-Dimere, die als Spaltprodukte ebstimmt werden können. Die Fibrinolyse kann massiv gehemmt werden durch den Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI), der besonders bei entzündlichen Prozesse freigesetzt wird.

Gerinnungshemmung

Damit die Gerinnung nicht überschießend aktiviert wird, wird sie durch die Proteine C und S gehemmt, die die Faktoren VIIa und Xa blockieren. Wenn zu wenig Protein S oder C vorliegen, dann treten gehäuft Thrombosen auf.