Leistenhernie

In der Inguinalregion ist das Faszienskelett von Natur aus geschwächt, weil hier der Samenstrang bzw. das Lig. rotundum durch die Bauchwand treten und sich medial eine muskelfreie Schwachstelle findet. Trotz dieser anatomisch bedingten Schwäche entwickelt nicht jeder Mensch einen Leistenbruch. Offensichtlich werden diese anatomischen Probleme durch andere begleitende Mechanismen kompensiert. Zu ihnen zählen der schräge Verlauf des Leistenkanals, die aktive Internusmuskulatur am inneren Leistenring und die Festigkeit der Fascia transversalis. Diese natürlichen Schutzmechanismen versagen aber bei einigen Menschen, wenn gewisse Dispositionen vorliegen, wie z.B. ein offener Processus vaginalis, ein erhöhter Bauchinnendruck oder eine Bindegewebsschwäche mit zunehmendem Lebensalter.

Klinik

Patienten mit einem Leistenbruch klagen meistens über eine Vorwölbung und ein Druckgefühl, das sich besonders nach körperlicher Belastung bemerkbar macht. Bei einigen besteht ein unspezifischer Leistenschmerz. In seltenen Fällen tritt ein akuter Schmerz auf, der durch eine Einklemmung hervorgerufen wird.

Diagnostik

Besteht der Verdacht auf einen Leistenbruch, dann wird die Diagnose fast immer durch eine klinische Untersuchung des Leistenkanals gestellt. Bei der Palpation wird unter Mitnahme der Skrotalhaut beim Mann bzw. der Leistenhaut bei der Frau der äußere Leistenring mit dem Finger aufgesucht und danach der Leistenkanal bis zum inneren Leistenring ausgetastet. Nur selten ist bei unklaren Befunden eine bildgebende Diagnostik erforderlich.

Leistenkanal

Der Leistenkanal ist dabei die entscheidende anatomische Struktur. Er wird nach ventral von der Externusaponeurose begrenzt, nach kaudal vom Leistenband, nach kranial von der Muskulatur des Internus und des Transversalis und nach dorsal von der Fascia transversalis. Bei der Palpation kann die Festigkeit der Hinterwand, der Fascia transversalis abgeschätzt werden. Medial des inneren Leistenringes sind häufig die epigastrischen Gefäße nachweisbar. Hoden und Nebenhoden werden immer untersucht, um Torsionen, Tumoren, Zelen oder andere Erkrankungen auszuschließen.

Direkter/indirekter Bruch

Traditionellerweise wird zwischen einem indirekten (lateralen) und direkten (medialen) Leistenbruch unterschieden. Der indirekte Bruch schiebt sich von lateral durch den inneren Leistenring und zieht zum medialen äußeren Leistenring. Der direkte Bruch entwickelt sich dagegen direkt medial der epigastrischen Gefäße durch eine Muskellücke, dem Hesselbachschen Dreieck, das oberhalb des Leistenbandes und medial der epigastrischen Gefäße lokalisiert ist. Beim Hesselbachschen Dreieck handelt es sich um eine prädisponierte Schwäche der Bauchwand, weil sich hier keine muskulären Strukturen befinden. Lediglich die Fascia transversalis stabilisiert dieses Dreieck, so dass bei einer Faszienschwäche eine direkte Hernie entsteht.

Einteilung

Die Einteilung von Schumpelick wird bevorzugt. Dabei wird zunächst die Lokalisation genannt: M = medial, L = lateral, ML = kombiniert, R = Rezidiv. Danach die Gesamtgröße:

Diese Einteilung kann bei der Vergleichbarkeit der Ergebnisse sehr hilfreich sein und sollte deshalb immer erwähnt werden.

Weiche Leiste

Gelegentlich werden auch die Begriffe „weiche Leiste“ und „Hernia incipiens“ verwendet. Von einer weichen Leiste wird dann gesprochen, wenn der innere Leistenring weit offen ist oder die Fascia transversalis schlaff erscheint. Wölbt sich beim Pressen der Peritonealsack gegen den Finger am inneren Leistenring, dann liegt eine Hernia incipiens vor.

Operationsindikation

Die Indikation zur Operation ist eigentlich immer mit der Diagnose gegeben. Bei jedem Verdacht auf eine Einklemmung ist die sofortige Operation sogar absolut indiziert. Kontraindikationen sind lediglich eine Peritonealkarzinose oder die allgemeine Inoperabilität, die selten bestehen.

Operation

Es haben sich viele verschiedene Operationsverfahren im Laufe der Zeit bewährt. Gegenwärtig konkurrieren konventionelle Verfahren mit laparoskopischen, ohne dass eines der Verfahren die anderen verdrängen konnte. Bei den konventionellen Verfahren bevorzugen einige Chirurgen die Implantation eines nicht-resorbierbaren Kunststoffnetzes, während andere eine klassische, schichtgerechte, anatomische Reparation mit Nähten präferieren. Um den Patienten eine individuell adaptierte Operationsmethode anbieten zu können, sollten mindestens vier Verfahren verfügbar sein: z.B. die konventionelle Reparation nach Zimmermann und Shouldice, die konventionelle Netzimplantation nach Lichtenstein und die endoskopische Netzimplantation.

Lokalanästhesie

Bei den konventionellen Methoden werden Leistenhernien sowohl in Allgemein-, als auch in Lokalanästhesie operiert. Einige Chirurgen bevorzugen die Lokalanästhesie, die durch ein Sedativum, wie Midazolam, unterstützt wird. Dadurch wird der Patient während der Operation beruhigt, und durch die begleitende retrograde Amnesie erinnern sich die Patienten nicht an ihre unangenehmen und zum Teil auch schmerzhaften Erlebnisse. Um auf eventuelle Zwischenfälle bei der Lokalanästhesie gerüstet zu sein, sollte bei allen Patienten ein venöser Zugang gelegt werden. Ein intraoperatives Monitoring mit EKG-Ableitung, Blutdruckmessung und Pulsoximetrie ist unbedingt zu empfehlen. Zur Lokalanästhesie wird lateral der geplanten Inzision eine Hautquaddel mit einer sehr dünnen Nadel gesetzt und dann die oberflächliche Schicht im Bereich der Inzision infiltriert. Dazu wird meistens ein Gemisch aus zwei Lokalanästhetika verwendet, um die Vorteile des schnellwirkenden und längerwirkenden Pharmakons zu nutzen. Persönlich wird eine Mischung aus Lidocain 0,5 Prozent mit Ropivacain 0,5 Prozent verwendet. Nach der oberflächlichen Infiltration wird die tiefe subkutane Schicht rautenförmig versorgt. Früher wurde je zwei Zentimeter medial und kranial der Spina iliaca anterior superior ein zusätzliches Depot zur Leitungsanästhesie gesetzt, denn an dieser Stelle verlaufen zwischen dem Internus und Transversus der N. ilioinguinalis und N. hypogastricus. Heute wird darauf meistens verzichtet und das Gewebe nur infiltriert. Nach der Darstellung und Spaltung der Externusaponeurose werden gezielt die einzelnen Schichten und der innere Leistenring infiltriert. Eine Infiltration des Periosts am Schambeinhöcker und der Basis des Bruchsacks ist immer erforderlich.

Präparation

Die konventionelle Versorgung der Leistenhernie beginnt in Rückenlage mit einem queren Schnitt in der Hautfalte in Höhe des Leistenbandes. Bei der Durchtrennung des Subkutangewebes werden die Vasa epigastrica superficialia gezielt versorgt. Die Externusaponeurose wird mit dem äußeren Leistenring aufgesucht, der fast immer aufgefasert ist. Die Externusaponeurose wird im Faserverlauf am oberen Rand des äußeren Leistenringes bis zum inneren Leistenring inzidiert. Der Leistenkanal ist nunmehr eröffnet, und der Samenstrang umgeben vom M. cremaster liegt frei. Die Externusaponeurose und das Leistenband werden stumpf vom Internus und Cremaster abgeschoben. Der N. iliohypogastricus und N. ilioinguinalis werden identifiziert und geschont. Der N. iliohypogastricus liegt meistens direkt dem M. obliquus internus auf und kann gut sichtbar durch den kranialen Haken geschützt werden. Der N. ilioinguinalis liegt am inneren Leistenring dem Samenstrang auf (60 %) und verläuft in Richtung des äußeren Leistenringes. Er sollte aufgesucht und sicher geschont werden. Der Ramus genitalis des N. genitofemoralis kann gesondert in der Cremastermuskulatur aufgesucht werden. Nachdem die Cremasterfasern längs gespalten wurden, wird der Samenstrang angeschlungen. Die Cremasterfasern werden bevorzugt in Höhe des inneren Leistenringes ligiert und durchtrennt, um eine optimale Übersicht über den inneren Leistenring zu gewinnen. Unter sorgfältiger Schonung der Strukturen im Samenstrang wird der Bruchsack vom Samenstrang präpariert, bis der innere Leistenring erreicht ist. Der Bruchsack wird bis zur Basis disseziert und reponiert, ohne eröffnet zu werden. Lediglich bei nicht reponiblen Brüchen ist die Eröffnung des Bruchsackes obligatorisch, um den Bruchinhalt zu inspizieren und zu reponieren.

Innervation der Leistenregion

Rekonstruktion nach Zimmermann

Bei der Rekonstruktion nach Zimmermann wird lediglich der innere Leistenring durch einige gezielte Nähte mit nicht-resorbierbarem Nahtmaterial verstärkt. Dieses Verfahren wird ausschließlich bei jungen Patienten mit kleinen lateralen Hernien (LI) eingesetzt, die eine stabile Fascia transversalis aufweisen. Bei diesen Patienten wäre der Shouldice nicht indiziert.

Rekonstruktion nach Shouldice

Bei der Rekonstruktion nach Shouldice hängt der Erfolg der Operation von der subtilen und vollständigen Darstellung des inneren Leistenringes und der sorgfältigen Rekonstruktion der Hinterwand ab. Zur optimalen Übersicht am inneren Leistenring sollten die Vasa cremasterica externa gezielt unterbunden werden, die aus den Vasa epigastrica inferioria kommend zum Samenstrang ziehen. Danach wird überprüft, wie stabil die Fascia transversalis tatsächlich ist. Findet sich ein kleiner lateraler Bruch mit fester Transversalisfaszie, dann wird die Faszie nur gering gespalten. Ist die gesamte Hinterwand dagegen großflächig defekt, sollte auf die Reparation nach Shouldice verzichtet und ein Netz implantiert werden. Ansonsten wird die Fascia transversalis immer durchtrennt und bei ausgeprägter Faszienschwäche sogar exzidiert und die Ränder getrimmt. Danach wird die Fascia transversalis mit einer fortlaufenden Naht zweireihig zusammengenäht. Dazu wird mit einem nicht-resorbierbaren Faden von medial nach lateral die Faszie fortlaufend genäht. Die Naht wird bis zum inneren Leistenrand gelegt und dieser dadurch adäquat eingeengt. Mit demselben Faden wird die Faszie dann erneut bis nach medial genäht. Eine sichere mediale Fixation vermeidet ein prävesikales Rezidiv. Alternativ wird von einigen Chirurgen die Faszie nur einstülpend in ähnlicher Technik genäht. Die Hinterwand des Leistenkanals kann jetzt noch durch eine zweireihige fortlaufende Naht der Muskulatur an das Leistenband verstärkt werden. In die erste Nahtreihe werden der M. transversus und Teile des Internus einbezogen. In die zweite Nahtreihe wird nur der Internus einbezogen. Aufgrund anatomischer Gegebenheiten ist diese Naht nicht immer möglich, weil sie unter extremen Zug steht und ausreißt. Abschließend sollte überprüft werden, ob der „neue“ innere Leistenring nicht zu eng ist. Er sollte für eine Fingerkuppe oder geöffnete Pinzette eingängig sein. Danach wird der Leistenkanal in allen Fällen mit der Naht der Externusaponeurose verschlossen.

Netzimplantation nach Lichtenstein

Bei der Operation nach Lichtenstein wird nach der Präparation des Bruchsackes und seiner Reposition ein nicht-resorbierbares Netz auf die Fascia transversalis bzw. Internusmuskulatur gelegt und mit einigen Nähten so fixiert, dass es in seiner Position nicht verrutschen kann. Die Cremasterfasern müssen dabei nicht unbedingt reseziert werden. Das Netz sollte nach medial die potentielle Bruchpforte um 2 cm überragen, weil es postoperativ schrumpft und dann die mediale Faszienschwäche nicht mehr vollständig abdeckt. Das Netz wird lateral eingeschnitten, um einen Durchtritt für den Samenstrang zu schaffen. Eine laterale Naht der Netzlefzen verhindert ein laterales Rezidiv.

Korrekte Lage des Netzes bei einer Leistenhernie

Endoskopische Netzimplantation

Bei allen endoskopischen Operationen werden die potentiellen Bruchpforten mit einem Netz bedeckt, so dass weder eine mediale oder laterale Leistenhernie, noch eine Schenkelhernie entstehen kann. Am Häufigsten wird der transperitoneale Zugang gewählt. Persönlich wird der extraperitoneale Zugang bevorzugt. Beim transperitonealen Zugang wird ein Pneumoperitoneum aufgebaut, drei Trokarhülsen eingebracht, das Peritoneum halbkreisförmig inzidiert und nach unten geklappt. Der Bruch wird reponiert und auf die Bruchpforten ein Netz mit einer Größe von 12 x 15 cm gelegt. Das Netz wird am Lig. Cooperi fixiert. In sehr seltenen Fällen verläuft ein akzessorischer Ast der A. obturatoria über dem Ligament („corona mortis“). Keinesfalls dürfen Stapler im „Triangle of doom“ verwendet werden, das medial vom Ductus deferens und lateral von den Ovarial- bzw. Testikulargefäßen begrenzt wird, denn dort drohen schwere Verletzungen. Ventral des Leistenbandes sind die epigastrischen Gefäße in Gefahr und lateral einige Nerven. Von den meisten Chirurgen wird das Netz, das die Bruchpforten weit überlappt, deshalb nur mit wenigen Staplern fixiert oder überhaupt nicht. Das Peritoneum wird dann wieder zusammengenäht, so dass es das Netz abdeckt und gleichzeitig fixiert.

Anatomie der Leiste von Innen

Extraperitoneale Netzimplantation

Der transperitoneale Zugang hat zwar den Vorteil, dass die meisten Chirurgen mit den anatomischen Verhältnissen rasch vertraut werden. Die Nachteile sind aber, dass in der Peritonealhöhle operiert und das inzidierte Peritoneum wieder über dem Netz adaptiert werden muss. Eine exzellente und sehr bewährte Alternative ist die extraperitoneale Netzeinlage. Dazu wird mit einem speziellen Ballon ein Raum zwischen hinterer Rektusscheide bzw. Peritoneum und Rektusmuskulatur geschaffen. Dieser Raum wird nach distal erweitert, so dass präperitoneal ein Netz gelegt werden kann, das dieselbe Lokalisation und Ausdehnung hat wie beim transperitonealen Zugang. Persönlich wird auf eine Fixation des Netzes mit Kleber, Naht oder Tacker verzichtet. Es scheint ausreichend, das Netz adäquat zu platzieren und unter Desufflation die korrekte Lage zu überwachen. Sollte man in den ersten Tagen durch ein frühes Rezidiv eine Dislokation des Netzes vermuten, dann sollte es sofort operativ korrigiert werden. Auch beidseitige Hernien lassen sich während einer Operation mit zwei Netzen sehr gut versorgen.

Komplikationen

Auch wenn intraoperative Komplikationen bei den Leistenhernienoperationen selten sind, sollten einige Gefahrenpunkte beachtet werden. Bei den konventionellen Verfahren droht bei der Präparation des Samenstranges die Durchtrennung oder Verletzung des Ductus deferens, die bei primären Eingriffen immer vermieden werden kann, indem der Ductus frühzeitig identifiziert wird. Bei Rezidiveingriffen ist das Verletzungsrisiko deutlich höher. Wird die Durchtrennung bemerkt, dann kann durch eine subtile Rekonstruktion eine Durchgängigkeit in ungefähr der Hälfte der Fälle erreicht werden.

Nervenverletzungen

Häufiger werden bei den Operationen der N. ilioinguinalis oder der Ramus genitalis des N. genitofemoralis verletzt, so dass sensible Ausfälle in Leiste und Skrotumbereich auftreten können. Da sich die Innervationsgebiete der Nerven überlappen, können die klinischen Befunde sehr diskret sein. Der Cremasterreflex ist bei der Verletzung des Ramus genitalis aufgehoben. Muskuläre Schwächen treten nicht auf. Rekonstruktionen der verletzten Nerven sind nicht sinnvoll. Es wird bei allen konventionellen Operationen empfohlen, die Nerven sorgfältig darzustellen und zu schonen.

Ilioinguinalis-Syndrom

Es handelt sich bei diesem Syndrom um eine Schädigung des Nerven durch Naht oder Clips, die ausgeprägte Schmerzen mit zum Teil lästigen vegetativen Begleitsymptomen hervorruft. Die Diagnose wird bestätigt, indem nach einer Leitungsanästhesie die Beschwerden vollständig verschwinden. Eine Differenzierung zwischen dem N. iliohypogastricus and N. ilioinguinalis ist nicht immer zweifelsfrei möglich, weil sich ihre Innervationsgebiete überlappen. Eine Revision mit Freilegung der Nerven ist nicht in allen Fällen erfolgreich. Wird eine Beteiligung des Ramus genitalis vermutet, dann sollte der Nerv paravertebral in Höhe L1/L2 infiltriert werden. Bestätigt sich der Verdacht, dann wird der Nerv über einen Flankenschnitt revidiert bzw. durchtrennt.

Gefäßverletzungen. Gefäßverletzungen sind bei allen präparatorischen Eingriffen möglich. Die gefährlichsten Verletzungen entstehen, wenn bei der Rekonstruktion zu tief gestochen wurde und die Leistengefäße verletzt werden. Wenn es bereits beim Stechen zu einer Blutung kommt, sollte der Faden auf keinen Fall geknüpft werden, weil dann aus der Stichkanalblutung ein größerer Defekt werden kann. Manchmal reicht die feste Kompression bei einer venösen Blutung aus, den Stichkanal zu verschließen. Im Zweifelsfall muss das Gefäß freigelegt werden, um den Defekt zu übernähen. Blutungen im Bereich der epigastrischen Gefäße sind unangenehm, aber mit Durchstichligaturen gut zu stillen.

Postoperative Orchitis

Problematisch sind Blutungen im Samenstranggebilde. Werden dort alle drainierenden Gefäße des venösen Plexus verletzt, resultiert immer eine postoperative Hodenschwellung mit nachfolgender Atrophie. Bei der Verletzung der A. testicularis besteht die Hoffnung, dass eine ausreichende Restdurchblutung durch skrotale Gefäße sichergestellt wird. Allerdings darf der Hoden nicht vorher aus dem Skrotalfach luxiert worden sein, weil dann diese kleinen Gefäße abreißen. Bei jeder Durchblutungsstörung klagt der Patient am zweiten bis fünften postoperativen Tag über einen geschwollenen, schmerzhaften Hoden, der manchmal sogar mit Fieber und einer Leukozytose einhergeht. Auch wenn in dieser Situation eine Hochlagerung sowie die Gabe von Antibiotika, Antiphlogistika oder Glucokortikoiden angeordnet werden, ist nicht gesichert, dass diese Maßnahmen tatsächlich den spontanen Verlauf positiv beeinflussen. Nach einigen Tagen oder wenigen Wochen bildet sich die Schwellung zurück und geht bei vielen Patienten (25–50 %) in eine Hodenatrophie über. Zu betonen ist, dass dieser Komplikation sehr viel häufiger eine venöse Abflussstörung zu Grunde liegt, als eine arterielle.

Infektionen. Erfreulicherweise sind die septischen Komplikationen selten und durch lokale Maßnahmen gut therapierbar. Auch bei Netzimplantationen sollte ein intensiver Behandlungsversuch mit begleitender antibiotischer Therapie eingeleitet werden, um eine Netzexplantation zu vermeiden.

Rezidiv

Auch bei gelungenem Primäreingriff droht bei zwei bis zehn Prozent ein Rezidiv. Für das Rezidiv sind die Risikofaktoren des Patienten (Bindegewebsschwäche, pulmonale Erkrankungen, metabolische Störungen oder Medikamente) wahrscheinlich weniger bedeutend als die chirurgische Technik. Möglicherweise verhindert auch die Verwendung von nicht-resorbierbarem Nahtmaterial bei einigen ein Rezidiv. Da direkte Hernien bei den konventionellen Reparationsverfahren häufiger zu Rezidiven neigen als indirekte Hernien, sollte bei einer ausgeprägten Schwäche der Fascia transversalis auf eine alloplastische Verstärkung zurückgegriffen werden, anstatt eine aufwendige Rekonstruktion unter Spannung zu erzwingen. Als Ursache für laterale Rezidive durch den inneren Leistenring gilt gemeinhin eine unvollständige Präparation: Der Cremaster wurde nicht ausreichend reseziert, der innere Leistenring nicht hinreichend dargestellt, ein Lipom oder Bruchsack belassen. Bei der Reparation nach Shouldice kommt deshalb der adäquaten Dissektion des Samenstranges und der Einengung des inneren Ringes eine eminente Bedeutung zu.

Netzschrumpfung. Bei der Netzimplantation nach Lichtenstein sind Rezidive eigentlich nur an den Netzrändern oder dem Schlitz möglich. Die Stabilität des Netzes ist so hoch, dass ein Rezidiv durch ein Netz nicht möglich ist. Wenn das Netz umschlägt oder sich infiziert, dann schrumpft es zu einem Klumpen. Bei ausreichender Überlappung der Bruchpforten und Fixation des Netzes wird ein Rezidiv immer verhindert. De facto sind Rezidive relativ selten und weisen fast immer auf ein technisches Problem hin.

Rezidivoperation

Bei einer Rezidivhernie werden ebenfalls alle oben beschriebenen Verfahren angewendet. Persönlich wird den Patienten mit einer Rezidivhernie immer die Reparation mit alloplastischem Ersatz empfohlen. Wurde beim vorhergehenden Eingriff konventionell operiert, dann sollte der laparoskopische Zugang unbedingt erwogen werden, weil die anatomischen Verhältnisse hier übersichtlicher sind. Ist die endoskopische Netzimplantation nicht erwünscht, dann wird über den inguinalen Zugang ein Netz eingelegt. Bei Rezidivoperationen in der Leiste ist es hilfreich, wenn das vorige Verfahren bekannt ist, um sich von einer Verlagerung des Samenstranges in das Unterhautfettgewebe nicht überraschen zu lassen. Bei diesen schwierigeren Operationen sind die anatomischen Strukturen eindeutig zu klären, der Samenstrang aufzusuchen und sicher zu schonen. Manchmal ist es hilfreich den Schnitt zu erweitern und die Präparation im nicht voroperierten Bereich zu beginnen. Die weitere Präparation entspricht dann einem Primäreingriff. Wurde bei diesem bereits ein Netz implantiert, dann ist genau zu klären, wodurch das Rezidiv eingetreten ist. Die Bruchlücke wird an den Netzkanten aufgesucht und durch ein weiteres Netz adäquat versiegelt.

Empfehlung

Da sich die Verfahren bezüglich ihrer Komplikationsraten kaum zu unterscheiden scheinen, sollte die Operationsmethode gewählt werden, die die Wünsche und Erwartungen des einzelnen Patienten berücksichtigt. Jungen Patienten mit kleinen Hernien wird ein Nahtverfahren angeboten (Zimmermann/Shouldice), weil das Rezidivrisiko gering ist. Größere Defekte werden aber auch hier immer mit einem Netz versorgt. Bei älteren Patienten und besonders mit größeren Defekten wird immer ein alloplastischer Ersatz empfohlen. Bei allen Rezidiveingriffen nach einer konventionellen Reparation wird die TAPP-Technik präferiert.