Struma nodosa
Pathophysiologie
Die euthyreote Struma ist die häufigste endokrine Erkrankung überhaupt. Sie geht meistens mit einem absoluten oder relativen Jodmangel einher und entsteht aus einem gestörten Gleichgewicht zwischen lokalen Wachstumsfaktoren und intrathyroidalen proliferationshemmenden Faktoren. Daraus resultiert zunächst eine reaktive Hyperplasie des Schilddrüsenparenchyms mit nachfolgender Involution. Diese wechselseitige Hyperplasie und Involution induziert den typischen knotigen Umbau der Schilddrüse. In jüngster Zeit wurde zusätzlich belegt, dass die Knoten in der Schilddrüse klonal aus Zellen entstehen, die genetisch verändert schneller wachsen, wobei ein intrathyroidaler Jodmangel die Zellteilung zusätzlich stimuliert. Die Vergrößerung der Schilddrüse bei einer Knotenstruma beruht somit auf einer multifokalen, polyklonalen Proliferation der Thyreozyten.
Klinik
Bei euthyreoter Stoffwechsellage finden sich keine Besonderheiten. Gewichtsabnahme, zunehmender Appetit, Nervosität, Herzklopfen, Wärmeintoleranz und Unruhe weisen auf eine Hyperthyreose hin. Neben der klinischen Untersuchung wird die Schilddrüse sowohl funktionell als auch morphologisch beurteilt.
Diagnostik
Die Schilddrüsenfunktion wird am einfachsten mit dem basalen TSH-Spiegel eingeschätzt (Normalwert: 0,3–3,0 mU/l). Ist der Wert normal, dann liegt eine euthyreote Stoffwechsellage vor. Bei einem niedrigen TSH-Wert, werden fT4 (Normalwert: 0,6–1,8 ng/dl) und fT3 (2,2–5,5 pg/ml) gemessen, um eine manifeste von einer subklinischen Hyperthyreose zu differenzieren. Bei erhöhtem TSH-Wert wird lediglich fT4 bestimmt, um eine manifeste von einer subklinischen Hypothyreose zu unterscheiden. Die Schilddrüsenwerte fT4 und fT3 werden also erst bei einem pathologischen TSH-Befund analysiert. Der Calciumspiegel im Serum wird gemessen, um einen Hypoparathyreoidismus frühzeitig zu entdecken. Das Calcitonin wird nur bestimmt, wenn ein medulläres Karzinom vermutet wird. Morphologische Schilddrüsenveränderungen werden sehr aussagekräftig und zuverlässig mit der Sonographie nachgewiesen, so dass sie ein obligater Bestandteil der präoperativen Diagnostik bei allen Schilddrüsenerkrankungen ist. Durch die Sonographie werden die genaue Lokalisation und Verteilung der Knoten bestimmt. Die sonographische Morphologie kann außerdem hinweisend sein auf verdächtige echoarme Knoten, die punktiert werden sollten. Für eine MRT- oder CT-Untersuchung ohne Kontrastmittel gibt es nur in Ausnahmesituationen eine Indikation. Mit der Szintigraphie kann ein Funktions-Topogramm der Schilddrüse erstellt werden. Die sonographisch nachgewiesenen Knoten können dabei funktionell in „kalte Knoten“ oder „autonome Adenome“ differenziert werden. Die Operationsindikation kann allein durch die Bestimmung des basalen TSH-Spiegels und der Sonographie gestellt werden. Bei euthyreoter Stoffwechsellage ohne Malignitätsverdacht ist weder eine Szintigraphie noch eine Feinnadelaspirationszytologie erforderlich.
Feinnadelpunktion
Die Indikationen für eine präoperative Feinnadelpunktion sind echoarme, „kalte“, unscharf begrenzte oder rasch wachsende Knoten, weil sie malignitätsverdächtig sind. Die Aussagekraft des Punktates hängt sowohl vom punktierenden Arzt als auch vom auswertenden Zytologen ab. Wenn ausreichendes Material vorliegt, können folgende Befunde erhoben werden: „negativ“ bei allen gutartigen nicht-neoplastischen Veränderungen, „verdächtig“ beim Nachweis von follikulären oder onkozytären Läsionen oder „positiv“ bei eindeutigem Nachweis der Malignität. Die Verlässlichkeit für negative und positive Befunde ist mit ungefähr 90 Prozent hoch. Schwieriger sind die verdächtigen Befunde zu interpretieren, weil zytologisch nicht zwischen einem Adenom und einem minimal invasiven follikulären Karzinom unterschieden werden kann, denn diese Differenzierung basiert auf der Penetration der Kapsel.
Operationsindikation
Da die medikamentöse Therapie der Knotenstruma mit Thyroxin als auch die lokale Ethanolinjektion in solitäre Knoten zu keinen guten Ergebnissen führte, ist die Resektion die Therapie der Wahl für die euthyreote Knotenstruma. Als Operationsindikationen gelten persistierende lokale Beschwerden, eine konservativ nicht beherrschbare Überfunktion, eine ausgedehnte retrosternale Struma und ein Malignitätsverdacht.
Operationsvorbereitung
Die präoperative Laryngoskopie wird generell empfohlen, um bereits vorhandene Läsionen des N. recurrens auszuschließen. Nur bei ausgeprägten Schluckstörungen oder Dyspnoe sind röntgenologische Untersuchungen von Trachea und Speiseröhre sinnvoll. Bei intrathorakalen Strumen oder Rezidiveingriffen kann eine MRT-Untersuchung empfehlenswert sein.
Operationsaufklärung
Insgesamt sind in der Schilddrüsenchirurgie Komplikationen selten und die Sterblichkeit eine extreme Ausnahme. Im Vordergrund stehen Nervenverletzungen (N. laryngeus recurrens oder N. laryngeus superior) sowie Nachblutungen. Wundheilungsstörungen sind eine Rarität. Bei sehr großen Strumen oder einer Rezidivstruma steigt das Risiko von Komplikationen deutlich an.
Nachbehandlung
Postoperativ drohen Nachblutungen, die Folgen einer Rekurrensparese und eine Tetanie. Am Morgen des ersten postoperativen Tages wird das Kalzium gemessen. Die orale Flüssigkeitszufuhr und der Nahrungsaufbau beginnen am Abend des Operationstages. Drainagen werden in der Regel nicht eingelegt. Nur bei besonderer Blutungsneigung sind sie erforderlich und werden meistens am ersten postoperativen Tag entfernt. Die Hautklammern oder -nähte werden am zweiten postoperativen Tag entfernt. Neben der postoperativen Überwachung zum Ausschluss einer Halsschwellung und Dyspnoe werden eventuell das Parathormon und der Kalziumspiegel kontrolliert. Tritt innerhalb von Stunden eine Nachblutung auf, ist fast immer eine operative Revision mit Ausräumung des Hämatoms im Operationssaal erforderlich.
Rekurrensparese
Die Wahrscheinlichkeit einer temporären Rekurrensparese beträgt ungefähr drei bis acht Prozent nach einer Hemithyreoidektomie wegen einer Struma. Davon bleiben weniger als ein Prozent permanent bestehen. Bei Rezidivstrumen steigt die permanente Pareserate auf fünf bis zehn Prozent an. Die Ursache der Rekurrensparese ist selten die tatsächliche Durchtrennung des Nerven, sondern Quetschung, Zerrung oder Koagulation. Der Nerv erholt sich glücklicherweise in Dreiviertel der Fälle innerhalb von sechs Monaten. Eine einseitige Rekurrensparese bleibt häufig klinisch stumm. Deshalb ist die Laryngoskopie vor der Entlassung wichtig. Bei permanenten Paralysen sollte spätestens nach drei Monaten eine logopädische Behandlung eingeleitet werden. Bei einer doppelseitigen Parese tritt ein deutlicher Stridor mit Dyspnoe auf. Eine intensive Überwachung ist sofort erforderlich, weil eine Hypoxie droht. Der Patient wird leicht sediert und mit Sauerstoffgabe unterstützt. Die Gabe von Glucokortikoiden und Kalzium wird zusätzlich empfohlen. Ihre Bedeutung ist aber nicht geklärt.
Hypoparathyreoidismus
Wenn der Patient postoperativ über periorale oder digitale Kribbelparästhesien oder Muskelkrämpfe klagt oder eine Pfötchenstellung zeigt, dann liegt eine hypokalziämische Tetanie als Folge einer Nebenschilddrüsenunterfunktion vor. Sie tritt vorübergehend und in unterschiedlichem Ausmaß bei zehn Prozent der Operierten auf. Eine orale Kalziumgabe von bis zu acht Gramm am Tag ist meistens ausreichend. Selten ist eine intravenöse Gabe erforderlich. Bei einem permanenten Hypoparathyreoidismus wird neben Kalziumgluconat auch die Gabe von Calcitriol erforderlich. Eine Gefährdung kann bereits frühzeitig abgeschätzt werden, indem am Morgen des ersten postoperativen Tages nach einer Thyroidektomie das Parathormon bestimmt wird.
Tracheomalazie
Besteht prä- oder intraoperativ der Verdacht auf eine Tracheomalazie, dann kann bereits intraoperativ die Stabilität der Trachea beurteilt werden. Bei einer Instabilität wird der Patient über einige Tage beatmet. Dadurch lässt sich das Problem fast immer lösen.
<>Substitution und Rezidivprophylaxe
Bei allen Knotenstrumen besteht das Risiko eines Rezidivs, das neben einer konsequenten Rezidivprophylaxe auch von der Menge und Qualität des zurückbelassenen Schilddrüsengewebes abhängt. Zur Prophylaxe ist die Jodid-Gabe durchaus hinreichend, wenn mindestens zehn Gramm Schilddrüsengewebe verblieben sind. Nach sechs Wochen sollte allerdings kontrolliert werden, ob nicht eine Hypothyreose vorliegt und zusätzlich Thyroxin appliziert werden muss. Bei den ausgedehnten Resektionen sollte nach Ausschluss eines differenzierten Karzinoms immer eine Substitutionsbehandlung eingeleitet werden. Dazu erhalten die Patienten zunächst 1,5 µg L-Thyroxin pro kg Körpergewicht, was bei einem Körpergewicht von 70 kg ungefähr 100 µg entspricht. Zusätzlich sollte zum Thyroxin auch Jodid verabreicht werden, um der allgemeinen Jodverarmung vorzubeugen. Dazu erhält der Patient zusätzlich 100 bis 200 µg Jodid. Die Gabe eines Kombinationspräparates vereinfacht die Medikation. Ungefähr drei Monate nach Behandlungsbeginn wird eine Sonographie vorgenommen und der TSH-Wert bestimmt. Die weitere optimale individuelle Dosierung richtet sich nach dem TSH-Wert, der zwischen 0,3 und 0,8 mU/l Serum liegen sollte. Nach sechs und 12 Monaten sind weitere Kontrollen angezeigt.
Strumarezidiv
Bei einer Rezidivstruma ist die erneute Operation trotz des deutlich erhöhten Risikos zu diskutieren. Für den Erfolg ist ein sehr erfahrener Operateur nötig, weil die Patienten meistens älter sind, häufiger relevante Begleiterkrankungen aufweisen und das Risiko von Begleitverletzungen, besonders von Rekurrensparesen, deutlich höher ist. Eine klare Operationsindikation besteht sicherlich bei mechanischer Verdrängung der Trachea, Malignomverdacht oder einer oberen Einflussstauung. Die Operationstaktik von Rezidivstrumen berücksichtigt sowohl die dominanten Befunde als auch vorhandene Rekurrensparesen nach dem Ersteingriff. Meistens wird ein lateraler Zugang gewählt, um nicht direkt im ehemaligen Operationsgebiet dissezieren zu müssen. Generell sollte das Risiko für eine Rekurrensparese oder Schädigung der Epithelkörperchen minimiert werden, so dass trotz beidseitigem Befund ein einseitiges Verfahren risikoärmer sein kann. Die Verwendung eines Neurostimulators zur eindeutigen Identifizierung des N. recurrens ist hierbei unbedingt zu empfehlen. Wird nur einseitig operiert, dann ist eine Hemithyreoidektomie unbedingt zu erwägen, um eine Seite definitiv zu sanieren.
Postoperativer Hypoparathyreoidismus
Bei akuter Hypokalziämie wird eine Infusion von zehn Ampullen zehnprozentiges Kalziumgluconat in 500 ml physiologischer NaCl über fünf bis zehn Stunden angelegt. Bei länger andauernder Hypokalziämie werden Dihydrotachysterol-Kapseln (Tachystin) (0,5–1,5 mg) und Kalzium oral (2–4 g/Tag) gegeben.