Akute Pankreatitis

Die verschiedenen Formen der Pankreatitis werden nach der Marseille-Klassifikation eingeteilt. Diese differenziert ausschließlich unter morphologischen Gesichtspunkten in eine akute, reversible und eine chronische, progressive Form, wobei beide auch rezidivierend auftreten können. Sowohl ätiologische als auch pathophysiologische Gesichtspunkte blieben bei dieser Einteilung unberücksichtigt.

Eine akute Pankreatitis ist ein akut entzündliches, gefährliches Krankheitsbild, weil sie bis zur Nekrose fortschreiten kann und dann mit einer hohen Sterblichkeit einhergeht. Die häufigsten Ursachen sind sicherlich die Choledocholithiasis und der chronische Alkoholismus. Zu den selteneren Auslösern gehören ein Hyperparathyreoidismus, Infektionen, eine Urämie, Hyperlipidämien oder ein Medikamentenabusus.

Epidemiologie

. Die akute Pankreatitis ist die häufigste Pankreaserkrankung mit einer jährlichen Inzidenz von 10-80 auf 100.000 Einwohner.

Klinik

Die Patienten klagen in der Regel über Bauchschmerzen unterschiedlicher Intensität mit Übelkeit und Erbrechen. Die Schmerzen treten akut auf und sind nicht eindeutig lokalisierbar. Meistens werden sie periumbilikal angegeben mit beidseitiger Ausstrahlung in den Rücken. Bei der klinischen Untersuchung imponiert eine Art „Gummibauch“, eine Kombination aus einem Subileus mit geringer peritonealer Reizung. Nur bei sehr fortgeschrittenen Zuständen mit schlechter Prognose finden sich Ekchymosen im periumbilikalen Bereich (Cullen-Zeichen) und an den Flanken (Grey-Turner-Zeichen).

Diagnose

Zur primären Diagnostik bei einem Verdacht auf eine akute Pankreatitis gehören die Amylase oder Lipase, die leider beide relativ unspezifisch sind. Im eigenen Vorgehen wird auf die Bestimmung der Amylase verzichtet. Eine stark erhöhte Amylase oder Lipase auf mehr als das 3fache bestätigt fast immer die Pankreatitis. Von der Höhe der Amylase oder Lipase kann aber nicht auf die Schwere der Entzündung geschlossen werden. Geringe Erhöhungen dieser Werte sind lediglich hinweisend. Eine fehlende Erhöhung schließt die Pankreatitis aber nicht sicher aus, weil diese Werte manchmal nur im Anfangsstadium erhöht sind. Die Amylase hat nur eine Halbwertszeit von wenigen Stunden und auch die länger nachweisbare Lipase kann zum Zeitpunkt der Diagnose bereits wieder im Normalbereich sein. Eine Leukozytose und CRP-Erhöhung liegen immer in unterschiedlichem Ausmaß vor. Ein sehr starker Anstieg der GPT auf mehr als das Dreifache belegt relativ zuverlässig eine biliäre Genese. Ein Bilirubinanstieg oder Erhöhung der alkalischen Phosphatase unterstützen die Vermutung.

Sonographie

In diesen Situationen kommt der bildgebenden Kontrolle auf eine Cholelithiasis eine entscheidende Bedeutung zu. Die Sonographie ist als nicht-invasive und überall verfügbare Methode sofort durchzuführen. Die Leber, Gallenblase, Gallengänge und das Pankreas werden auf pathologische Veränderungen untersucht, freie Flüssigkeit und das Ausmaß der entzündlichen Veränderungen abgeschätzt. Mit der Sonographie ist es häufig möglich, die Diagnose „akute Pankreatitis“ zu stellen. Für die genaue Festlegung des Schweregrades ist sie aber ungeeignet. Häufig ist das Pankreas auch durch die begleitende Darmgasüberlagerung oder einer Adipositas nicht optimal beurteilbar. In diesen Fällen sollte eine Endosonographie erwogen werden, die eine Cholelithiasis verlässlich nachweisen kann.

Kontrastmittel-CT

Das Kontrastmittel-CT ist in unklaren Situationen angezeigt, um andere Ursache auszuschließen. Bei einer Pankreatitis kann es das Ausmaß der Infektion und Nekrosen objektiv abbilden. Generell wird aber empfohlen, dass CT bei eindeutiger klinische Diagnose nicht innerhalb der ersten Tage durchzuführen, weil sich bei einer ödematösen Pankreatitis auch kleine Kapillaren verschließen und dadurch Durchblutungsstörungen vortäuschen. Am aussagekräftigsten sind CT-Untersuchungen am 8.–10. Tag. Ein Verlaufs-CT ist in der Regel nur bei einer Verschlechterung oder geplanten Intervention indiziert.

Schweregrade

Früher wurde über eine ödematöse, hämorrhagische oder nekrotisierende Pankreatitis gesprochen. Heute werden nur noch zwei Schweregrade unterschieden: die leichte (80%) und die schwere Form. Die leichte Form umfasst lediglich ein interstitielles Ödem und peripankreatische Fettgewebsnekrosen. Sie offenbart sich in der Bildgebung durch eine Auflockerung der Pankreasstruktur und des umgebenden Gewebes ohne Durchblutungsstörungen. Die schwere Pankreatitis zeigt Pankreasnekrosen unterschiedlichen Ausmaßes mit einer ausgeprägten entzündlichen Veränderung der Umgebung. Zu ihr gehört ein schweres Krankheitsbild mit mindestens einem Organversagen (z.B. Schock, Lungen- oder Nierenversagen). Ob eine leichte oder schwere Form vorlag, ist häufig erst aus dem rückblickenden Verlauf erkennbar.

Prognose

Die Prognose ist zu Beginn der Erkrankung schwierig abzuschätzen. Ein deutlicher Abfall des Kalziums innerhalb von wenigen Tagen nach dem Beginn der Krankheit weist auf ein foudroyantes Geschehen hin. Zur frühen Einschätzung wurde der Ranson-Score eingeführt, der sich aus insgesamt 11 Items zusammensetzt, von denen einige bei der Aufnahme und andere erst nach 48 Stunden bestimmt werden. Zusätzlich kann der Zustand des Patienten mit dem APACHE-II-Score beurteilt werden, der aber nicht speziell für die Pankreatitis eingeführt wurde. Persönlich werden diese Scores nicht verwendet. Letztlich ist die Prognose nur einzuschätzen, wenn der klinische Gesamteindruck, die Entzündungsparameter sowie Anzeichen einer pulmonalen oder renalen Insuffizienz ins Kalkül eingebunden werden. Auch die Befunde des Kontrastmittel-CT korrelieren nicht immer mit dem klinischen Schweregrad und dem Ausgang.

Konservative Therapie

Bei allen Patienten mit einer akuten Pankreatitis wird eine intensive Überwachung eingeleitet. Bei einem schweren Krankheitsbild wird der Patient auf der Intensivstation behandelt und durch tägliche klinische Untersuchungen und Laborkontrollen die Dynamik der Krankheit eingeschätzt. Die konservative Therapie basiert zunächst auf einer ausreichenden Flüssigkeitssubstitution, weil sich mehrere Liter Flüssigkeit aufgrund der ausgeprägten entzündlichen Reaktionen in das umgebende interstitielle Gewebe verschieben. Bei nicht adäquater Flüssigkeitssubstitution entsteht eine Hypovolämie, die die Mikrozirkulation weiter beeinträchtigt. Neben dem Flüssigkeitsverlust wird der Kreislauf zusätzlich durch freigesetzte Kinine kompromittiert, die eine Vasodilatation auslösen und damit die arterielle Hypotonie begünstigen. Zur Volumensubstitution werden neben kristallinen Infusionen auch kolloidale Lösungen appliziert.

ERCP

Wenn eine biliäre Obstruktion als Ursache der Pankreatitis vermutet wird, dann ist eine endoskopische retrograde Cholangiopankreaticographie (ERCP) mit Papillotomie indiziert. Liegt zugleich eine Cholangitis vor, dann sollte die ERCP innerhalb von 24 Stunden vorgenommen werden, um die Obstruktion zu beseitigen. Wenn die biliäre Obstruktion nicht endoskopisch aufgehoben werden kann, sollten die Gallengänge rasch operativ saniert werden.

Schmerztherapie

Da die Patienten über starke Schmerzen klagen, ist eine effektive Schmerztherapie einzuleiten. Sie erhalten intravenös Metamizol (4–6mal 1 g) und Buprenorphin (0,3 mg als Bolus und danach 0,1 mg/Std). Von einigen wird Tilidin/Naloxon bevorzugt. Ist eine suffiziente Schmerztherapie dadurch nicht zu erreichen, dann wird ein epiduraler Katheter mit einem Lokalanästhetikum gelegt. Das in vielen Lehrbüchern beschriebene Procain i.v. wird nicht eingesetzt.

Supportive Maßnahmen

Als begleitende supportive Maßnahme kann der Patient für kurze Zeit parenteral ernährt werden. Solange der Patient über starke Schmerzen klagt oder klinisch ein Ileus nachweisbar ist, ist eine Nahrungskarenz einzuhalten. Ansonsten kann der Patient zumindest partiell enteral ernährt werden. Die Kost wird je nach Verträglichkeit stufenweise aufgebaut. Wenn der Patient Tee und Suppe verträgt, wird eine leichte Mischkost gegeben. Bei einem erneuten Schmerzbeginn wird der Kostaufbau gestoppt bzw. reduziert. Typische Pankreasdiäten mit unterschiedlichen Fettstufen sind nicht erforderlich. Eine Magensonde wird nur bei einem Ileus gelegt und eine Ulkusprophylaxe mit einem H2-Blocker oder Protonenpumpenhemmer eingeleitet. Aprotinin, Calcitonin, Radikalfänger und Octreotid sind ohne Nutzen.

Antibiotika

Bei einer akuten Pankreatitis sind Antibiotika bei manifesten Infektionen (Cholangitis, infizierte Nekrosen, Abszesse) indiziert. Als Prophylaxe über 7–10 Tage haben sie sich nicht bei allen Verlaufsformen bewährt. Sie sollten deshalb auf schwere nekrotisierende Verlaufsformen begrenzt werden. Dabei ist unbedingt ein Antibiotikum zu wählen, dass auch pankreasgängig ist wie Ciprofloxacin, Imipinem, Metronidazol, Tazobactam oder einige Cephalosporine. Imipinem kann eventuell mit Vancomycin ergänzt werden. Die Rationale für eine frühzeitige Antibiotikagabe bei den schweren Verläufen besteht darin, dass eine Infektion der Nekrosen verhindert werden soll, die in der Regel durch eine bakterielle Translokation aus dem Darm hervorgerufen wird. Im eigenen Vorgehen wird zunächst Imipinem (4×1g) über 7 Tage appliziert, wenn Nekrosen im CT nachgewiesen wurden und das Procalcitonin auf über 1,5 ng/ml angestiegen ist.

Operationsindikationen

Eine akute Pankreatitis ist primär keine Operationsindikation. Eigentlich wird heutzutage nur noch bei Abszessen die Notwendigkeit zur Operation gesehen, denn bei allen anderen Zuständen wird der Verlauf durch einen operativen Eingriff nicht verbessert. Der Nachweis von Nekrosen allein rechtfertigt keine Operation. Erst der zusätzliche Nachweis eines septischen Fokus, der sich zugleich durch eine Verschlechterung mit konsekutivem Organversagen äußert, erfordert die operative Revision. Bei einer vermeintlichen sterilen Nekrose und sehr schwerem Verlauf wird das konservative Vorgehen bevorzugt.

Infizierte Nekrosen

Obgleich mit dem Kontrast-CT Durchblutungsstörungen verlässlich diagnostiziert werden, kann nicht in demselben Maße zwischen infizierten und nicht-infizierten Nekrosen differenziert werden. In manchen Fällen werden allerdings kleine Lufteinschlüsse als sicheres Indiz für Infektionen gefunden.

Fokussanierung

Da es bei der Operation nur darum geht, den septischen Fokus zu sanieren, sind vier verschiedene Wege zur Fokussanierung verfügbar. Der einfachste ist sicherlich die CT-gestützte Drainageeinlage, die immer versucht werden sollte, weil sie relativ sicher und komplikationsarm ist. An zweiter Stelle sollte an eine endoskopische Sanierung durch die Magenhinterwand gedacht werden. Der erfahrene Endoskopiker inzidiert dabei die Magenhinterwand, drainiert und spült die Nekrosehöhle und entfernt Nekrosen. An dritter Stelle sei der retroperitoneale linksseitige Zugang erwähnt und an vierter Stelle die übliche Laparotomie.

Laparotomie

Bei einer allgemeinen Verschlechterung des Befundes, dem Nachweis eines septischen Fokus und nachdem andere Wege zur Fokussanierung nicht verfügbar sind, wird der Patient laparotomiert. Die Mittellinienlaparotomie wird gewählt, weil der häufig auftretende sekundäre Narbenbruch in der Mittellinie leichter zu versorgen ist. Nach einer sorgfältigen Inspektion der gesamten Bauchhöhle wird das Ausmaß der entzündlichen Veränderungen überprüft. Das Lig. gastrocolicum wird durchtrennt, ohne die epiploische Arkade an der großen Kurvatur des Magens zu kompromittieren. Die Pankreasvorderfläche wird dargestellt. Da die meisten Nekrosen im Korpus und Schwanz auftreten, wird die Pankreaskapsel linksseitig am Unterrand längs inzidiert. Erst wenn die Kapsel eröffnet wurde, kann das Ausmaß der infizierten Nekrosen beurteilt werden. Manchmal findet sich eine vollständige Nekrose, die von Sekret umspült ist und sich leicht entfernen lässt. Manchmal sind lediglich die äußeren Abschnitte nekrotisch. Alle Nekrosen werden sehr vorsichtig beseitigt. Treten nach der Nekrektomie kleine arterielle Blutungen auf, dann kann eine vorübergehende Tamponade mit Bauchtüchern notwendig werden. Größere Blutungsherde werden vorsichtig umstochen. Da das gesamte Gewebe entzündlich alteriert ist, ist es mit äußerstem Zartgefühl zu behandeln. Die Pankreaskapsel wird linksseitig der Aorta eröffnet, weil hier nur wenige größere Blutgefäße sind, die verletzt werden können. Danach wird sehr vorsichtig der Pankreaskopf und -hals exploriert, weil die vulnerablen Gefäße an diesen Stellen besonders leicht bluten. Da das Mesokolon in den entzündlichen Prozess mit eingebunden ist, kann eine profuse venöse Blutung aus der V. colica media auftreten. Generell gilt, dass jedes brüske Manöver vermieden wird und nur die Nekrosen entfernt werden, die leicht gelöst werden können. Bei ausgedehnten entzündlichen Prozessen in beiden parakolischen Rinnen werden beide Flexuren mobilisiert und das Retroperitoneum für die Spülung freigelegt.

Cholezystektomie

Wenn eine Cholezystolithiasis bei dem Patienten bekannt ist, wird die Gallenblase beim Eingriff entfernt. Besteht eine biliäre Obstruktion, wird auch diese beseitigt. Im weiteren Verlauf kann sich eine Cholezystitis bis zur Gangrän entwickeln, die zur Cholezystektomie zwingt.

Laparostoma

Bei der sehr selten durchgeführten Nekrektomie werden die Patienten nach unterschiedlichen Konzepten behandelt, die allesamt zu vergleichbaren Ergebnisse führen. Alle Konzepte basieren letztlich auf einer wiederholten Nekrektomie und Spülung der Pankreasloge bzw. der retroperitonealen Logen. Einige legen mehrere Drainagen in die Bursa omentalis, verschließen die Bauchhöhle und spülen mit mehreren Litern am Tag. Andere Lavagieren den Patienten täglich oder alle zwei Tage im Operationssaal. Dabei wird die Bauchhöhle offen gelassen und ein Laparostoma angelegt. Dazu wird der Magen entlang der großen Kurvatur an die kraniale und das Querkolon an die kaudale Bauchdecke genäht. Auf diese Weise ist einerseits der gesamte Unterbauch von den weiteren Manövern geschützt und die Bursa omentalis liegt offen. Mit dieser offenen Behandlung wird zwar der septische Prozess sicher beseitigt und optimal kontrolliert, er hat aber nicht unerhebliche Nachteile. Die wiederholten Lavagen malträtieren nämlich auch die Viszera, so dass enterale Fisteln, Blutungen und seltener auch Gallelecks auftreten. Deshalb ist auch bei allen Lavagen größte Sorgfalt einzuhalten. Ein langfristiges Problem ist die spätere Versorgung der Narbenhernie, die sich natürlich bei allen Laparostomata einstellt. Die Bauchdecke retrahiert sich rasch und kann bereits nach wenigen Wochen nicht mehr spannungsfrei adaptiert werden. Mit einem resorbierbaren Kunststoffnetz gelingt zwar auch in diesen Situationen ein sicherer Bauchdeckenverschluss, aber später erfordert die Narbenhernie eine erneute operative Revision.

Komplikationen

Im Vordergrund steht meistens die systemische Entzündung mit einem SIRS oder Multiorganversagen. Die häufigste Komplikation nach einer operativen Intervention ist sicherlich die intra- und postoperative Blutung gefolgt von Pankreas- oder Darmfisteln. Langfristig stehen Narbenhernien und Verwachsungsbeschwerden im Vordergrund.

Nachbehandlung

Eine exo- und endokrine Pankreasinsuffizienz unterschiedlichen Ausmaßes ist häufig und konservativ relativ gut therapierbar. Die Genese der Pankreatitis sollte möglichst eindeutig geklärt werden, um durch eine gezielte Therapie und Beratung weiteren Attacken vorzubeugen.