Cholelithiasis
Die Cholezystolithiasis ist ein häufiger Befund, der mit dem Alter der Patienten zunimmt Allerdings verursachen die meisten Steine keine Symptome und bedürfen deshalb auch keiner Therapie.
Epidemiologie
15 bis 20 Prozent aller Menschen entwickeln Gallensteine. Bei den über 70jährigen sind vermutlich mehr als die Hälfte Steinträger. Jährlich werden ungefähr 200 000 Cholezystektomien vorgenommen.
Gallensteinarten
Es gibt drei Arten von Gallensteinen: Cholesterinsteine (75 %), schwarze Pigmentsteine (20 %) und braune Pigmentsteine (5 %). Cholesterinsteine bestehen zu über 80 Prozent aus Cholesterin und die schwarzen Pigmentsteine aus polymerisiertem Bilirubin. Die Cholesterin- und schwarzen Pigmentsteine entstehen, wenn sich die Zusammensetzung der Galle in einem physikalisch-chemischen Ungleichgewicht befindet. Relative Ungleichgewichte der Gallensäuren, Cholesterin und Lezithin wirken lithogen, weil Cholesterin oder Bilirubin dann nicht mehr so gut löslich sind. Braune Steine entstehen dagegen bei einer chronischen anaeroben Infektion der Gallengänge, indem bakterielle ?-Glucuronidasen ein Ungleichgewicht zwischen unkonjugiertem Bilirubin, Gallen- und Fettsäuren hervorrufen. Braune Steine sind damit immer indirekte Zeichen einer chronischen Entzündung der Gallenwege. Die Steinbildungen werden zusätzlich durch eine Stase in den Gallenwegen bzw. einer Motilitätsstörung der Gallenblase begünstigt, denn ohne Stase würden bereits die kleinen Präzipitate immer rasch aus der Gallenblase entfernt, bevor sie zu großen Steinen wachsen.
Prädisposition
Viele Steinträger weisen gemeinsame Charakteristika auf, so dass einige Faktoren zur Steinbildung zu prädisponieren scheinen: zunehmendes Alter, weibliches Geschlecht, Schwangerschaft, Adipositas, Familienanamnese, parenterale Ernährung, Diabetes mellitus, Entzündungen im Gallengangssystem und Störungen im entero-hepatischen Kreislauf nach Ileumresektion.
Klinik
Die meisten Menschen sind asymptomatische Steinträger. Werden sie symptomatisch, so drückt sich dieses in einem postprandialen Druckgefühl, typischen Koliken oder einem schweren entzündlichen Schub aus. Obgleich es keine Symptome gibt, die absolut sicher nur durch das Steinleiden hervorgerufen werden, sind typische Symptome hinweisend auf ein Steinleiden. Dazu gehören Schmerzen im rechten Oberbauch oder Epigastrium mit oder ohne Ausstrahlung sowie kontinuierliche oder länger dauernden Schmerzen von mehr als einer Stunde. Die Schmerzen gehen häufig mit Übelkeit einher und treten immer wieder unter denselben Umständen auf. Die Symptome hängen dabei nicht nur von der direkten Affektion der Gallenblase durch das Steinleiden ab (Hydrops, Cholezystitis, Empyem), sondern auch von potentiellen Komplikationen wie Pankreatitis, Cholangitis, Perforation oder Gallensteinileus.
Akute Gallenkolik
Eine akute Kolik wird durch ein Spasmolytikum (z.B. N-Butylscopolamin bzw. Buscopan® i.-v.) behandelt, dass mit einem Schmerzmittel kombiniert wird. Hier haben sich Metamizol oder nicht-steroidale Antiphlogistika wie Diclofenac sehr bewährt. Selten sind Opioide wie Tilidin/Naloxon oder Buprenorphin erforderlich.
Postcholezystektomie-Syndrom
Nicht alle Symptome der Steinträger werden auch durch das Steinleiden verursacht, so dass die Patienten nach einer Cholezystektomie nicht immer beschwerdefrei werden. Die Restsymptome nach einer Cholezystektomie werden unter der Diagnose „Postcholezystektomie-Syndrom“ subsumiert. Sie sind selbst nach intensiver Diagnostik nicht immer bestimmten Erkrankungen zuzuordnen und vielfach ist die Behandlung frustran.
Diagnostik
Die primäre Diagnostik obliegt der Sonographie, die bei fast allen Steinleiden zu einer akkuraten Diagnose führt. Lediglich bei einem akuten Abdomen ist eine weitergehende bildgebende Diagnostik hilfreich. Bei entzündlichen Prozessen wird die Diagnose durch Laboruntersuchungen unterstützt.
Therapieoptionen
Bei einem Gallenblasensteinleiden gibt es nur für ausgewählte Patienten eine sinnvolle Alternative zur Cholezystektomie. Dafür käme die Stoßwellenlithotripsie oder medikamentöse Gallensteinauflösung mit Ursodeoxycholsäure oder Methyl-Butyl-Ether in Betracht, die jedoch unsicher im Effekt und zum Teil langwierig sind.
Steinauflösung
Die Steinauflösung mit Ursodeoxycholsäure führt bei kleinen reinen Cholesterinsteinen (<5 mm), funktionierender Gallenblase und nicht übergewichtigen Patienten zu sehr guten Erfolgen, wobei die Steine nach Absetzen der Medikamente mit einer Rate von etwa zehn Prozent pro Jahr innerhalb der nächsten fünf Jahre rezidivieren. In der Regel werden 8–12 mg/kg Körpergewicht Ursodeoxylcholsäure am Tag appliziert, um die Löslichkeit der Galle für das Cholesterin zu verbessern. Nach einigen Monaten gelingt so eine Steinauflösung. Eine frühere Methode zur rascheren Steinauflösung ist die direkte Instillation von durchschnittlich einem Liter Methyl-Butyl-Ether in die Gallenblase und den Gallenwegen, die heute aber als obsolet angesehen wird.
Extrakorporale Lithotripsie
Kurzzeitig wurde von einigen Zentren auch die Zertrümmerung von kleinen solitären Steinen (2 cm) befürwortet, wobei meistens eine zusätzliche Gabe von Gallensäuren empfohlen wird. Geeignete Patienten sollten eine funktionstüchtige Gallenblase haben und keine weitere Lebererkrankung oder Folgestörung durch das Steinleiden.
ERCP
Die endoskopische retrograde Cholangio-Pankreatikographie (ERCP) ist die Methode der Wahl, wenn der Verdacht auf eine Choledocholithiasis besteht. Bei diesem Eingriff können die Steine direkt extrahiert werden. Häufig wird eine Papillotomie vorgenommen, um den Galleabfluss zu erleichtern. Bei einer ungeklärten Stenose kann auch ein temporärer Stent eingelegt werden. Das wichtigste Risiko der ERCP ist ohne Zweifel die Pankreatitis. Daneben sind aber auch Blutungen aus der Papillotomie und freie oder gedeckte Perforationen bekannt. Nach einer ERCP sollte deshalb zunächst einige Tage abgewartet werden, ob sich eine Komplikation entwickelt, bevor eine elektive laparoskopische Cholezystektomie vorgenommen wird.
Operationsindikation
Aus den klinischen Verläufen ist bekannt, dass asymptomatische Steinträger in der Regel erst symptomatisch werden, bevor sie überhaupt eine biliäre Komplikation erleiden. Patienten mit einer Kolik entwickeln innerhalb eines Jahres in ein bis drei Prozent eine biliäre Komplikation, so dass bei symptomatischen Patienten die Cholezystektomie indiziert ist. Da eine symptomatische Cholezystolithiasis auch nach erfolgreicher konservativer Therapie sehr häufig rezidiviert, ist sie nach herrschender Lehrmeinung eine eindeutige Indikation zur Cholezystektomie. Lediglich Patienten mit hohem Operationsrisiko sollte eine konservative Therapie angeboten werden. Bei asymptomatischen Steinträgern beträgt das Risiko dagegen nur 0,1 bis 0,3 Prozent, so dass sie nicht operiert werden. Wenn ein Patient nach einer Kolik fünf Jahre beschwerdefrei war, dann gilt er wieder als asymptomatischer Patient. Patienten mit einer Porzellangallenblase (besonders mit fleckförmiger Verkalkung) sollten cholezystektomiert werden, weil das Risiko auf fünf bis sieben Prozent ansteigt, ein Gallenblasenkarzinom zu entwickeln.
Gallenblasenpolypen
Ungefähr zwei Prozent aller Menschen weisen Polypen in der Gallenblase auf, wobei darunter nur in fünf Prozent der Fälle Adenome sind. Das Risiko, ein Adenom oder gar ein Karzinom zu entwickeln, ist zwar sehr gering, steigt aber mit der Größe der Polypen. Eine kritische Grenze wird bei einem Zentimeter gesehen, so dass solche Polypen entfernt werden sollten. Ist der Polyp größer als zwei Zentimeter, wird sogar die offene Cholezystektomie empfohlen, weil ein Gallenblasenkarzinom nicht unwahrscheinlich ist. Multiple Polypen sind meistens keine Adenome sondern Cholesterolpolypen.
Prophylaktische Cholezystektomie
Die prophylaktische Cholezystektomie bei asymptomatischen Steinträgern zur Vermeidung von Steinkomplikationen oder eines Gallenblasenkarzinoms ist gegenwärtig nicht fundiert. Bisher sind keine verlässlichen Daten präsent, die definitiv nachweisen, dass ein langes Steinleiden zu einem Gallenblasenkarzinom führt. Hier liegt wahrscheinlich eher eine Koinzidenz vor.
Simultane Cholezystektomie
Es ist umstritten, ob bei einer geplanten Hemikolektomie rechts und gleichzeitiger asymptomatischer Cholezystolithiasis die Gallenblase simultan entfernt werden sollte. Es gibt Befürworter, die auf die relativ hohe Rate (20 %) von biliären Eingriffen innerhalb der nächsten fünf Jahre hinweisen, wenn die simultane Cholezystektomie nicht vorgenommen wird. Bei einer symptomatischen Cholezystolithiasis besteht sicher eine klare Operationsindikation. Bei asymptomatischen Patienten lohnt es sich, die Gallenblase intraoperativ sehr sorgfältig zu betrachten und sie bei einem Zystikusstein oder chronisch-entzündlichen Veränderungen zu entfernen. Bei gefäßchirurgischen Eingriffen an der Aorta wird in dieser Situation aber von einer Cholezystektomie abgeraten.
Akute Cholezystitis
Eine akute Cholezystitis wird durch einen Verschluss des Ductus cysticus hervorgerufen mit konsekutiver Hyperämie, Ödem und bakterieller Besiedlung. Lediglich bei ungefähr fünf Prozent ist kein Stein nachweisbar, der den Ductus cysticus verschließt (akalkulöse Cholezystitis). Die Patienten klagen über starke rechtsseitige Oberbauchschmerzen, die sich bis zum klinischen Bild eines akuten Abdomens verstärken können. Ein isolierter Druckschmerz über der Gallenblase (Murphy-Zeichen) ist sehr sensitiv. Es sollte beachtet werden, dass sich die Beschwerden auch bessern, wenn die entzündete Gallenblase gangränös wird. Die Entzündung ist in der Sonographie eindeutig und gut diagnostizierbar, wenn eine Dreischichtung der Gallenblase und Flüssigkeitssaum nachweisbar sind. Die alleinige sonographische Verdickung der Gallenblasenwand ist nicht beweisend. Wird eine akute Cholezystitis diagnostiziert, dann sollte die Gallenblase innerhalb von 72 Stunden entfernt werden. Die Konversionsrate ist zwar mit 15 bis 20 Prozent relativ hoch, aber die gesamte Komplikationsrate ist geringer, als wenn die Cholezystektomie einige Wochen später vorgenommen wird.
Operationszeitpunkt
Bei der akuten Cholezystitis wird darüber diskutiert, welches der optimale Zeitpunkt zur Operation ist: direkt als Notfall, nach mehrtägiger antibiotischer Therapie oder später im entzündungsfreien Intervall. Die Ergebnisse sind bei allen drei Regimen gleich gut. Wird nach vier Wochen im entzündungsfreien Intervall operiert, dann erhöhen sich die Kosten für den weiteren stationären Aufenthalt. Außerdem kann wegen einer Gangrän oder Perforation dennoch eine Notoperation unter deutlich schlechteren Bedingungen erforderlich werden. Für eine rasche Operation innerhalb von drei Tagen nach dem Einsetzen des Schmerzes spricht, dass sich die lokale Entzündungsreaktion häufig noch nicht in die Umgebung ausgebreitet hat. Zugleich verhindert die frühe Resektion potentielle Komplikationen wie die Gangrän (3–30 %) oder die seltenere Perforation (2 %), die mit einer besonders hohen Letalität (10–25 %) einhergeht. Ungünstiger werden die operativen Bedingungen, wenn erst nach einer Woche operiert wird, denn dann bestehen ein Ödem und eine Hyperämie im gesamten Operationsgebiet. Im eigenen Vorgehen wird immer eine sofortige antibiotische und analgetische Therapie eingeleitet und möglichst sofort oder am darauffolgenden Tag operiert.
Postoperative Cholezystitis
Bei einigen Patienten tritt postoperativ eine Cholezystitis auf, die nicht immer an ein Steinleiden gebunden ist (akalkulöse Cholezystitis). Prädisponierende Faktoren scheinen eine arterielle Hypotension, Hypoxämie, Dehydratation, Anämie und länger andauernde parenterale Ernährung zu sein. Deshalb sind Entzündungen der Gallenblase bei Intensivpatienten nicht ungewöhnlich, die zugleich kardial und respiratorisch insuffizient sind.
Choledocholithiasis
Bei asymptomatischen Gallenblasensteinträgern beträgt die Prävalenz an Gallenwegssteinen fünf bis zehn Prozent, die auf zehn bis 20 Prozent zunimmt, wenn der Patient symptomatisch wird. Steine in den Gallenwegen sollten vermutet werden, wenn in der Sonographie die Gallenwege erweitert sind, Stauungsparameter (AP, GGT, Bili) erhöht sind oder eine Cholangitis vermutet wird. Bei unklarem Befund kann eine Endosonographie oder MRCP helfen, die Diagnose zu bestätigen. Besteht der Verdacht auf Steinen in den Gallenwegen, dann ist eine ERC indiziert, weil damit die Gallenwege direkt saniert werden können. Selbst bei asymptomatischen Steinträgern wird die endoskopische Therapie empfohlen.
Synchrone Choledocholithiasis
Liegen gleichzeitig Steine in der Gallenblase und dem Gallengang vor, so werden beide Lokalisationen saniert. Dazu eignet sich neben der Cholezystektomie die simultane Choledochusrevision oder die präoperative ERCP. Unter elektiven Bedingungen wird die ERCP bevorzugt, weil die potentiellen Nebenwirkungen geringer sind. Die Cholezystektomie wird später vorgenommen. Wird bei einer konventionellen Notfalloperation eine Choledocholithiasis vermutet, wird intraoperativ der Gallengang geröntgt und bei einem positiven Befund der Choledochus revidiert. Bei einer laparoskopischen Operation hängt es sehr von der Erfahrung des Operateurs ab, ob er sich an eine laparoskopische Revision der Gallengänge wagt. Im Zweifelsfall sollte hier auf die postoperative ERCP zurückgegriffen werden. Ungefähr sechs Wochen nach der Sanierung der Gallenwege sollte die Gallenblase entfernt werden.
Akute Cholangitis
Eine akute Cholangitis bei einer Obstruktion der Gallenwege ist eine lebensbedrohliche Krankheit. Sie äußert sich durch Fieber, Bauchschmerzen und einem Ikterus (Charcot-Trias). Die Wiederherstellung des Galleabflusses und antibiotische Behandlung sind die Fundamente der dringlichen Therapie, so dass eine sofortige ERC indiziert ist.
Cholezystektomie bei Zirrhose
Bei einer fortgeschrittenen Zirrhose sollte eine Cholezystektomie nur erwogen werden, wenn eine lebensbedrohliche Komplikation nachweisbar ist. Die Morbidität und Mortalität ist bei diesen Patienten sehr hoch (50 %) und deutlich höher als bei einer portocavalen Shunt-Anlage. In diesen Situationen kann durchaus eine subtotale Cholezystektomie erwogen werden, bei der die Hinterwand der Gallenblase im Leberbett verbleibt und der Ductus cysticus von innen mit einer Naht verschlossen wird.
Schwangerschaft
Da sich während der Schwangerschaft bei etwa fünf Prozent aller Frauen eine Cholelithiasis ausbildet, stellen sich nicht wenige zur Therapie vor. Asymptomatische Patientinnen werden natürlich nicht operiert. Auch Gallenkoliken können gut konservativ behandelt werden. Allerdings wird nach der Entbindung häufig eine Cholezystektomie erforderlich. Die Indikation zur laparoskopischen Cholezystektomie im ersten oder zweiten Trimenon sollte deshalb immer kritisch gestellt werden. Dabei sollte der intraoperative Druck nicht über 14 mmHg steigen und der Fetus überwacht werden.