Leberverletzung
Traumatische Verletzungen der Leber sind selten, werden meistens durch direkte Gewalteinwirkung hervorgerufen und sind wegen der Möglichkeit einer massiven Blutung gefährlich.
Diagnostik
Häufig finden sich Zerberstungen unterschiedlichen Ausmaßes, die in der Sonographie oder im CT gut beurteilbar sind.
Operationsindikation
Während früher jede Leberverletzung mit dem Nachweis von freier Flüssigkeit als Operationsindikation angesehen wurde, wird heute ein differenzierteres Vorgehen favorisiert. Ausgangspunkt der neuen Überlegungen war der intraoperative Nachweis, dass die meisten Verletzungen mit einem geringen Verletzungsausmaß bereits spontan aufgehört haben zu bluten. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, bei Patienten mit stabilen Herz-Kreislaufverhältnissen abzuwarten, wenn mit den bildgebenden Verfahren ausgeschlossen wurde, dass weniger als 50 Prozent des Gewebes durchtrennt ist und keine Anzeichen einer aktiven Blutung mehr bestehen. Solche Patienten werden intensiv überwacht. Der Hämatokrit und die Kreislaufverhältnisse sollten stabil bleiben, ohne mehr als zwei Erythrozytenkonzentrate zu applizieren. Sollte der Patient darunter stabil bleiben und weder einen Hinweis auf eine aktive Blutung noch eine Verletzung anderer viszeraler Organe bestehen, dann ist ein weiteres konservatives Vorgehen gerechtfertigt. Die klinische Gesamtsituation ist primär entscheidend und nicht die bildgebenden Verfahren. Das konservative Vorgehen ist sofort preiszugeben, wenn der Patient über plötzliche Schmerzen klagt, ein plötzlicher Druckabfall auftritt, eine massive Hämobilie mit Bluterbrechen oder Zeichen der Infektion vorliegen.
Instabiler Patient
Bei jedem instabilen Patienten oder den klinischen Zeichen einer Peritonitis, hervorgerufen durch eine Begleitverletzung, ist eine sofortige intraoperative Kontrolle angezeigt – egal, was die bildgebende Diagnostik aussagt.
Operation
Das chirurgische Vorgehen richtet sich nach dem gesamten Krankheitsbild. Auch wenn eine Mittellinienlaparotomie beliebig erweitert werden kann und somit eine gute Exposition der Viscera gestattet, kann die Versorgung von Lazerationen des Segmentes VIII oder der V. cava schwierig werden. In diesen Fällen wird sie durch einen rechtsseitigen Oberbauchquerschnitt ergänzt.
Gefäßokklusion
Nach Eröffnen der Bauchhöhle und rascher Orientierung ist die manuelle Kompression der Leber sehr hilfreich. Ein Pringle-Manöver verbessert häufig die Übersichtlichkeit. Tritt trotz Pringle-Manöver eine massive venöse Blutung auf, dann sind die Lebervenen verletzt und es blutet retrograd aus der V. cava. Bei großer Erfahrung in der Leberchirurgie können aber auch diese Verletzungen nach kurzzeitiger vollständiger Gefäßokklusion der Leber versorgt werden.
Blutstillung
Geringe Blutungen werden mit Fibrinkleber oder Durchstichligaturen versorgt. Sehr tief durchgreifende Nähte in das Parenchym werden heutzutage nicht mehr empfohlen, weil damit keine sichere Versorgung tiefer Parenchymverletzungen möglich ist und häufig Biliome, Hämatome und Fisteln entstehen, die später schwierig zu versorgen sind. Bei ausgedehnten Leberverletzungen sollte der Operateur mit den Techniken der Leberchirurgie gut vertraut sein. Ansonsten ist nach einer Erstversorgung mit temporärer Blutstillung eine Verlegung des Patienten anzuraten.
Packing
Bei instabilen Patienten und ausgedehnten Lazerationen der Leber, deren Zustand häufig durch eine Hypothermie und Koagulopathie noch kompliziert werden, bleibt häufig nur ein Packing der Leber zur temporären Blutstillung und eventuellen Verlegung in eine Spezialklinik. Beim Packing ist darauf zu achten, dass die Leber ausreichend mobilisiert wurde und der Druck von dorsal, subhepatisch und subdiaphragmal ausgeübt wird ohne den Cavafluss zu stark zu kompromittieren. Bereits intraoperativ kann kontrolliert werden, ob das Packing effektiv ist. Nach zwei bis drei Tagen kann das Packing vorsichtig entfernt werden. Meistens haben die Blutungen aufgehört. Eine weitere Manipulation an der verletzten Leber ist dann nicht erforderlich. Tritt nach Entfernung des Packings erneut eine Blutung auf, sollte der jetzt optimal vorbereitete Patient vorsichtig exploriert werden. Eine arterielle Blutung sollte unter einem Pringle-Manöver sistieren. Sie kann gezielt aufgesucht und umstochen werden. Selten ist eine Ligatur der A. hepatica propria oder einer ihrer Äste erforderlich. Starke Blutungen aus dem Retroperitoneum, der V. cava inferior oder Lebervenen, sind schwierig zu versorgen und sollten dem biliären Chirurgen überlassen werden.
Komplikationen
Postoperativ treten Nekrosen unterschiedlichen Ausmaßes auf, die wie ein Abszess imponieren können. Eine Hämobilie wird durch eine nicht versorgte arterielle Blutung verursacht, die ein Aneurysma bildet und später perforiert. Eine Angiographie sichert die Diagnose und ermöglicht die Therapie durch Embolisation.