Stoma – Physiologische Veränderungen
Ein Ileostoma beginnt nach laparoskopischen Eingriffen am ersten postoperativen Tag und nach konventionellen Eingriffen am zweiten bis dritten postoperativen Tag zu fördern. Direkt nach Ileostomaanlage ist der Verdauungssaft dünnflüssig und biliär gefärbt. Nach Nahrungsaufnahme dickt er dann langsam ein. Der Verlust durch das Ileostoma nimmt langsam zu und erreicht ein Plateau bis um den 10. postoperativen Tag. Extreme Flüssigkeits- und Elektrolytverluste von mehreren Litern sind aber möglich, so dass eine parenterale Substitution manchmal unumgänglich ist. Häufig adaptiert sich aber der Organismus, so dass von den 1,0–1,5 Liter Flüssigkeit, die normalerweise täglich die Bauhin-Klappe passieren, nur 0,5–1,0 Liter durch das Ileostoma ausgeschieden werden. Nach einigen Monaten ändert sich die abgegebene Menge aus dem Ileostoma kaum noch. Sie ist dann eingedickt, gelblich-braun und enthält Nahrungsbestandteile.
Obstruktion
Postoperativ tritt nicht selten eine partielle Obstruktion des Darmes auf. Verantwortlich hierfür können Verwachsungen oder ein zu enges Stoma sein. Auch wenn intuitiv vermutet wird, dass in diesen Fällen die Produktion des Ileostomas geringer ist, trifft genau das Gegenteil zu. Die Stomaausscheidung nimmt zu, weil die Resorption des Dünndarms einerseits geringgradig abnimmt und die Sekretion zugleich zunimmt. Damit verliert der Patient viel Flüssigkeit über das Ileostoma. Es handelt sich dabei meistens um eine relativ klare, grünlich tingierte Flüssigkeit. Um es noch einmal zu betonen: Bei einer partiellen Obstruktion erhöht sich die Resorption nicht, sondern sie vermindert sich. Eine erhöhte Sekretion des Darmes findet sich postoperativ auch bei Patienten mit einem Morbus Crohn, so dass hier ebenfalls eine erhöhte Flüssigkeitsmenge verloren gehen kann.
Flüssigkeitsbilanz
Es ist ein häufiger Irrglauben des Patienten, dass die Menge des Ileostomas zunimmt, wenn er mehr trinkt. Die Menge an getrunkener Flüssigkeit ändert nicht die Menge der Ileostomaabgabe, sondern wird über die Niere ausgeschieden. Lediglich eine hohe Natriumzufuhr und der Genuss von Fruchtsäften erhöht die Ileostomaabgabe, so dass beides vermieden werden sollte. Nach Ileostomaanlage ist die Resorption regelrecht, manchmal treten aber auch Malabsorptionen auf, die zu einer osmotischen Diarrhoe führen. Diese zeichnen sich durch eine übelriechende Flatulenz aus. Am häufigsten ist die Malabsorption von Gallesalzen, gefolgt von einer Laktoseintoleranz. Insbesondere wenn das terminale Ileum reseziert oder ausgeschaltet wurde, treten diese Störungen auf. Sehr selten ist eine B12-Malabsorption, die eine Substitution erforderlich macht.
Elektrolytverlust
Da der Natriumverlust (60 mval/Tag) über das Ileostoma im Vergleich zum normalen Verlust (3 mval/Tag) sehr hoch ist, ist auf eine ausreichende Natriumzufuhr zu achten. In Extremfällen kann der Verlust postprandial (3 mval/Std) so groß sein wie der tägliche Verlust. Normalerweise sind die Patienten über eine mäßig erhöhte Natriumzufuhr und verminderte renale Natrium- und Wasserausscheidung an diesen Zustand gut adaptiert. Da der gesamte Natrium- und Wassergehalt des Körpers bei diesen Patienten trotzdem niedriger ist, sind Patienten mit einem Ileostoma anfällig für eine metabolische Entgleisung, wenn sich die Ileostomaabgabe rasch erhöht. Der Kaliumverlust ist relativ gering (6–12 mval/Tag) und Kalzium- und Magnesiumverluste sind unter normalen Umständen nicht relevant.
Dehydratation
Üblicherweise hält sich der Flüssigkeitsverlust durch das Ileostoma in Grenzen, weil die Wasserresorption im Darm durch den Transport von Elektrolyten reguliert wird. Deshalb ist der Natriumtransport der Hauptregulator für die Wasserabsorption. Die abgegebene Ileostomaflüssigkeit ist kompensatorisch reich an Kalium. Wird die orale Natriumzufuhr vermindert, dann wird einerseits über das Stoma mehr Kalium verloren, es wird weniger Wasser resorbiert und der renale Wasserverlust nimmt zu, weil es zu einer Diurese mit natriumarmen Urin kommt. Die verminderte Wasserresorption und die erhöhte Diurese verstärken eine Dehydratation und führen zu einer Hypovolämie. Patienten mit einem Ileostoma weisen auch eine geringere Reserve an Natrium und Wasser auf und sind deshalb zusätzlich gefährdet, eine ausgeprägte Dehydratation zu erleiden.
Nieren- und Gallensteine
Aufgrund der Natriumverluste und Dehydratation mit konsekutiv verminderter renaler Ausscheidung treten gehäuft Nierensteine auf, die meistens aus Harnsäure bestehen. Je nachdem, ob der enterohepatische Kreislauf durch Ausschaltung oder Resektion des terminalen Ileums gestört ist, kann es zu einem Verlust an Gallesalzen mit nachfolgender Malabsorption kommen, die eine Cholelithiasis begünstigen.
Resorptionsstörung
Schwieriger gestaltet sich die Situation, wenn bereits einige Anteile des Dünndarmes reseziert oder weite Teile des terminalen Ileums entfernt wurden, weil Wasser und Elektrolyte nun in einem kleineren Dünndarmabschnitt resorbiert werden müssen.
Intestinale Transitzeit
Zu bedenken ist weiterhin, dass sich nach der Ileostomaanlage die Transitzeit im Dünndarm verlängert und die bakterielle Besiedlung geringgradig zunimmt. Sie ähnelt in ihrer Zusammensetzung dem Kolon, allerdings ist die Keimzahl geringer.
Kolostomie
Nach einer Kolostomie sind die Veränderungen nicht so gravierend, wobei die physiologischen Bedingungen von der Lokalisation abhängen. So verliert der Patient über ein Transversostoma mehr Flüssigkeit als über ein Sigmoidostoma und der Stuhl ist nicht so eingedickt. Von den ungefähr 1,5 Liter Wasser, die täglich die Bauhin-Klappe passieren, werden immerhin 90 Prozent resorbiert, so dass der Flüssigkeitsverlust deutlich vermindert wird.
Stuhlgang
Der erste Stuhlgang tritt häufig erst nach drei bis fünf Tagen auf. Auch der Stuhl aus dem Kolostoma ist postoperativ zunächst flüssig, verdickt sich aber langsam um den 10. postoperativen Tag. Im zunehmenden Maße bildet sich ein individuelles Muster der Stuhlentleerung. Metabolische Störungen treten in der Regel nicht auf und der Patient muss auch keine spezifische Diät einhalten. Sollte bei unauffälligem Bauchbefund kein Stuhlgang auftreten, kann die Motilität des Kolon durch ein Klistier mit 500 ml warmer Kochsalzlösung stimuliert werden. Durch die Distension des Kolonabschnittes wird reflexartig eine Kontraktion ausgelöst und damit häufig eine Entleerung von Flüssigkeit und Gas angeregt.
Gallensalze
Die Gallensalze spielen bei intaktem Ileum keine Rolle. Sollte es aber reseziert worden sein, dann führen die stark vermehrten Gallensalze im Kolon zu einer verstärkten Wasser- und Elektrolytsekretion. Lediglich bei proximalen Kolostomien kann es in diesen Situationen zu einer verminderten Resorption kommen, so dass sie den Ileostomien in ihren metabolischen Folgen ähneln.
Flatulenz
Häufig stören sich die Patienten an der Flatulenz oder Gasentleerung aus dem Stoma. Die beiden häufigsten Ursachen für das intestinale Gas ist verschluckte Luft (Aerophagie) und die Gasbildung durch unverdaute Kohlenhydrate. Da verschluckte Luft bei der gastrointestinalen Passage zunehmend resorbiert wird, spielt sie lediglich bei Dünndarmstomata eine Rolle. Folgende Faktoren können das Schlucken von Luft verstärken und sollten vermieden werden: Trinken mit einem Strohhalm, Sprechen beim Essen, Kaugummikauen und Rauchen. Gasbildung im Kolon ist besonders lästig bei Kolostomien, wenn Kohl, Bohnen, Brokkoli oder Bier genossen wurde. Da die Flatulenz in der Regel 6 Stunden nach der Einnahme auftritt, sollte die Kost, wenn unbedingt gewünscht, vorzugsweise zum Abend eingenommen werden. Eine geruchshemmende Wirkung sollen Joghurt, Petersilie und Orangensaft haben. Bei zu starker Geruchsbelästigung und starker Flatulenzneigung sollten Beutel mit einem Geruchsfilter erwogen werden.
Diarrhoe
Bei Durchfall sollte unbedingt eine konstipierende Diät (z. B. Reis, Nudeln, Käse, Bananen und Apfelmus) eingehalten werden. Die Flüssigkeits- und Elektrolytverluste können durch Sportdrinks, Frucht- oder Gemüsesäfte ersetzt werden. Die ersten klinischen Zeichen einer metabolischen Entgleisung sind Schwäche, Lethargie, eine trockene Zunge oder Mund, geringe Urinausscheidung und Bauchkrämpfe.
Ileus
Nach Ileostomaanlage kann ein kompletter oder partieller Ileus auftreten. Beim kompletten Ileus hört das Ileostoma vollständig auf zu fördern und der Patient klagt über starke krampfartige Schmerzen, Zunahme des Bauchumfangs, Übelkeit und Erbrechen. Hier ist die Therapie dringlich einzuleiten. Am besten beginnt man mit der Applikation eines Klistiers in das Ileostoma, um die Blockade zu beseitigen. Eine Nulldiät, Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution und Magensonde komplettieren das Vorgehen. Durch eine engmaschige Beobachtung wird der Erfolg der konservativen Therapie bestätigt oder eine operative Intervention erwogen. Auch bei einer unvollständigen intestinalen Obstruktion klagen die Patienten über ähnliche Symptome. Hier entleert sich aber übelriechendes Sekret aus dem Ileostoma.