Obstipation und Entleerungsstörungen
Inwieweit eine behandlungsbedürftige Obstipation vorliegt oder nicht, hängt weniger von den objektiven Gegebenheiten ab als von dem Leidensdruck des Patienten. Viele Patienten wünschen eine regelmäßige Darmentleerung. Aufgrund der erheblichen Variationsbreite der Stuhlfrequenz und -gewohnheiten wurde willkürlich festgelegt, dass von einer Obstipation erst gesprochen wird, wenn die Entleerung weniger als zweimal pro Woche stattfindet. Eine Entleerungsstörung liegt vor, wenn der Patient länger als 30 Minuten zur Entleerung oder sonstiger Hilfe (Klistier, manuelle Entleerung) benötigt.
Obstipationsformen
Eine Obstipation kann auf einer Stuhlentleerungsstörung beruhen, bei der der Stuhl zeitgerecht im distalen Kolon und Rektum erscheint, aber nicht entleert werden kann. Dafür können morphologischen Veränderungen (Stenosen, aganglionäres Segment, Rektozele) verantwortlich sein, die quasi eine Barriere bilden, oder eine erlernte Koordinationsstörung, bei der der Patient den willkürlichen Sphinkter anspannt, statt ihn zu entspannen. Die Ursache dieses Fehlverhaltens liegt häufig viele Monate oder Jahre zurück und kann z.B. auf einem unterdrückten Stuhldrang während einer stationären Behandlung beruhen. Diese Fehlkoordination ist unter dem Begriff Anismus bekannt.
Transitstörung
Bei einigen Patienten ist die eigentliche Darmpassage verzögert. Die Transitzeit beträgt im Ösophagus 25–30 s, im Magen 15 min bis zu 2 Std, im Dünndarm 2–3 Std und im Dickdarm 20–70 Std. Um die Transitzeit einzuschätzen, schlucken die Patienten über 6 Tagen jeweils am Morgen eine speziell gefertigte Kapsel, die kleine röntgendichte Substanzen enthält. Diese haben eine unterschiedlich definierte Form (rund, quadratisch, zylindrisch etc.) und werden in einer bestimmten Reihenfolge geschluckt. Am 7. Tag wird eine Abdomenübersicht im Stehen angefertigt. Die Transitzeit wird nach Metcalf berechnet: Kolontransitzeit in Stunden = Summe aller nachweisbaren Marker * 2,4. Wenn die Transitzeit bei Frauen über 70 Std und bei Männern über 60 Std liegt, dann ist die Passage verzögert. Ist sie über 90 Std verlängert, dann ist sie eindeutig pathologisch. Die Verteilung und Lokalisation der Marker kann zusätzlich auf eine segmentale oder generelle Transitstörung hinweisen.
Klinik
Die Patienten klagen über Völlegefühl, Blähungen und einer Zunahme des Bauchumfanges. Die Anamnese reicht bei den Obstipationen häufig bis in die Kindheit zurück. Bei den Entleerungsstörungen können die Leidensgeschichte und die Art der erfolgreichen Manipulation richtungsweisend für die eigentlichen Ursachen sein.
Diagnostik
Die Diagnostik soll die Ursache der Obstipation klären, um dann eine spezifische Therapie einzuleiten. Wird eine Passageverzögerung im Kolon vermutet, dann wird die intestinale Transitzeit bestimmt. Bei Verdacht auf postoperative Adhäsionen oder Stenosen wird eine Kontrastmittelpassage des Dünn- und Dickdarms angefordert, manchmal gemeinsam mit einem CT. Bei einer Entleerungsstörung ist eine Defäkographie und anorektale Manometrie angezeigt.
Operationsindikation
Bei einer chronischen Obstipation mit ausgeprägtem Leidensdruck, die eindeutig auf einen verlangsamten Transit zurückzuführen ist, kann eine Kolektomie mit einer iliorektalen Anastomose die Leiden vermindern. Bei einer Entleerungsstörung wird nur bei ausgeprägten morphologischen Störungen eine operative Korrektur erwogen. Wird eine kombinierte Ursache entdeckt, Transitstörung und Entleerungsstörung, ist die Operation nur mit äußerster Zurückhaltung zu stellen, weil die Erfolge sehr ungesichert sind.
Therapieoptionen
Bei einem Anismus ist die Biofeedbacktherapie effektiv, die von einer psychologischen Betreuung unterstützt werden sollte. Selten ist die Injektion von Botulinumtoxin erforderlich. Bei allen Entleerungsstörungen und verlängerten Transitzeit ist der Stuhl durch geeignete diätetische Maßnahmen zu regulieren. Neben zusätzlichen Ballaststoffen von 30–50 g/Tag ist auf eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme von 2,5–3,0 l/Tag zu achten. Diese Therapie hilft meistens bei leichten Transitstörungen. Bei schweren Störungen erschweren zunehmende Ballaststoffe die Obstipation und sollte hier durch ballaststoffarme Kost ersetzt werden. Meistens sind Laxantien zur Stuhlentleerung erforderlich. In seltenen Fällen sind die Entleerungsstörungen so ausgeprägt, dass der Stuhl durch Einläufe verflüssigt werden muss oder manuell entfernt wird.
Operation
Bei einer verzögerten Kolontransitzeit wird das Kolon entfernt und eine iliorektale Anastomose in ungefähr 12 cm ab ano angelegt. Damit kann in ausgewählten Fällen den meisten Patienten geholfen werden. Bei einer Entleerungsstörung ist die Stomaanlage immer die ultima ratio. Eine Rektozele kann gerafft und ein innerer Rektumprolaps beseitigt werden.