Perianale Fisteln

Fisteln

Perianale Fisteln sind Ausdruck desselben entzündlichen kryptoglandulären Geschehens wie die Abszesse, allerdings handelt es sich hierbei um eine chronische Entzündung. Sie manifestieren sich klinisch durch Fistelöffnungen, aus denen sich wiederholt Eiter bzw. schmieriges Sekret entleert. Bei großen Fisteln tritt auch Luft oder Stuhl aus. Fisteln verursachen eigentlich keine Schmerzen, so dass Schmerzen auf einen akuten Sekretverhalt hinweisen.

Einteilung

Wenn eine chronische Entzündung sich einen Weg nach außen bahnt, dann entstehen Fisteln, die mit Bezug auf den willkürlichen Sphinkterapparat klassifiziert werden. Es handelt sich dann entweder um eine inter-, trans-, supra- oder extrasphinktäre Fistel. Bei dieser Klassifikation ist immer die direkte Verbindung zwischen der inneren Fistelöffnung, die sich im Bereich der Linea dentata befindet, der intersphinktär gelegenen Drüse und der äußeren Öffnung gemeint. Nicht selten verzweigen sich die Fistelgänge und erstrecken sich um den Anus herum, so dass auch mehrere äußere Fistelöffnungen auftreten können. Bei der Zuordnung dieser komplexen Fisteln wird vorrangig der Hauptgang zur inneren Öffnung berücksichtigt.

Einteilung der Analfisteln.

Operationsindikation

Jede perianale Fistel ist eine Indikation zur aktiven Intervention. Der Stellenwert einer Verklebung mit Fibrin oder Schweinekollagen ist gegenwärtig noch nicht eindeutig geklärt. Einfache Fisteln können möglicherweise zur Hälfte durch diese schonenden Verfahren geheilt werden.

Diagnostik

Für den erfahrenen Operateur ist eine Fisteldarstellung immer verzichtbar. Bei komplexen Fisteln ist eine Endosonographie sehr hilfreich. Der Gang kann mit einer H2O2-Lösung sonographisch sehr gut sichtbar gemacht werden. Eine MRT-Untersuchung ist lediglich bei unklaren und ausgedehnten Fistelleiden angezeigt, wie sie häufig beim M. Crohn oder Fistelrezidiv auftreten.

Operation

Das operative Vorgehen richtet sich nach der Art der Fistel. Nach eingehender äußerer Inspektion und eventueller Rektoskopie wird der Analkanal mit einem Spreizer eingestellt und die innere Fistelöffnung gesucht. Vielfach findet sich ein kleines Grübchen oder eine Granulation im Bereich der Linea dentata. Hilfreich zum Auffinden der inneren Öffnung ist die Goodsall-Regel, obgleich sie besonders für anteriore Fisteln nicht immer zutrifft. Nach ihr münden alle anterioren Fisteln von der äußeren Öffnung direkt zur korrespondierenden Stelle im Analkanal, während posteriore Fisteln bevorzugt bei 6 Uhr in Steinschnittlage münden.

Goodsallsche Regel

Fisteldarstellung

Durch Injektion von verdünnter H2O2-Lösung oder milchiger Flüssigkeit in die äußere Fistelöffnung kann die innere Öffnung häufig im Analkanal dargestellt werden. Am Leichtesten ist das weitere Vorgehen, wenn es gelingt, die Fistel vollständig zu sondieren. Wenn das nicht gelingt, sollte vorsichtig eine Methylenblau-Lösung durch die äußere Fistelöffnung injiziert werden, um das Fistelsystem blau zu färben. Danach wird der Fistelgang sukzessive von außen nach innen sondiert und exzidiert, möglichst ohne den Sphinkterapparat zu tangieren. Bei einigen Patienten kann eine intraoperative Endosonographie hilfreich sein, um die Abszesse und Fistelgänge genauer zu lokalisieren. Wird eine H2O2-Lösung in den Fistelgang appliziert, dann wird sie sonographisch besser sichtbar. Bei einem komplexen rezidivierenden Fistelleiden sollte ein Becken-MRT erwogen werden.

Submuköse/intersphinktäre Fistel

Handelt es sich um eine submuköse oder intersphinktäre Fistel, dann wird sie auf der Sonde einfach gespalten, was einer Fistulotomie entspricht, oder knapp im Gesunden exzidiert (Fistulektomie). Vor einer vollständigen Spaltung oder Exzision der Fistel sollte ihr Bezug zum Schließmuskel eindeutig sein, um nicht große Abschnitte des Sphinkterapparates zu durchtrennen. Eine ungewollte, vollständige Spaltung des Externus-Muskels und der Puborektalisschlinge führt zu einem sofortigen klaffenden Anus mit vollständiger Inkontinenz. Bleibt die Puborektalisschlinge stehen und ist der Externus durchtrennt, dann besteht eine Restkontinenz, die für festen Stuhl häufig ausreicht. Da im Laufe des Lebens die Verschlusskraft des Anus aber insgesamt abnimmt, sollte bei einer Fisteloperation möglichst wenig funktionstüchtiger Sphinkter durchtrennt werden, um nicht Jahrzehnte später einer Inkontinenz Vorschub zu leisten.

Transsphinktäre Fistel

Bei transsphinktären Fisteln ist zu entscheiden, wie viel Anteil des M. sphincter ani externus in eine eventuelle Fistulotomie einbezogen werden würde. Wenn es mehr als die Hälfte ist, dann sollte ein alternatives Verfahren gewählt werden. Bei den unteren transsphinktären Fisteln wird eine Fistulotomie oder sparsame Fistulektomie bevorzugt. Bei hohen transsphinktären Fisteln wird dasselbe Verfahren gewählt wie bei den selteneren supra- und extrasphinktären Fisteln: eine partielle Fistulektomie und transanale Verschiebelappenplastik. Dabei werden die äußeren Fistelöffnungen vorsichtig sondiert und der Fistelkanal blau gefärbt. Das fisteltragende ischioanal Gewebe wird dann bis zum Schließmuskel sparsam reseziert. Transanal wird ein Verschiebelappen mobilisiert und nach distal über die ehemalige innere Fistelöffnung gelegt. Der Fistelkanal durch den Schließmuskel wird vorsichtig kürettiert und eventuell durch eine zusätzliche Naht verschlossen. Der Verschiebelappen wird dann wie ein Deckel auf den Fistelkanal gelegt und mit Einzelknopfnähten fixiert. Mit dieser Technik heilen 50-80 Prozent der Fisteln aus, wobei sich diese Erfolge bei Rauchern halbieren.

Verschiebelappenplastik

Fadendrainage

Wenn die vorgenannten Verfahren nicht in Betracht kommen, dann sollte eine Fadendrainage erwogen werden. Dabei wird der Fistelkanal sondiert und die Haut, das Anoderm und das Fettgewebe durchtrennt. Ein Faden wird durch den Kanal gezogen, so dass er den Schließmuskelapparat umfasst. Der Faden wird dann mit geringem Zug geknüpft. Durch den chronischen Druck auf die Muskulatur arbeitet sich der Faden sukzessive nach distal, während die gleichzeitige Vernarbung von proximal ein Klaffen des Muskels verhindert. Der Faden wird in 3-4wöchigen Abständen immer wieder angezogen, so dass er sich langsam durch den Muskel arbeitet, – ähnlich wie ein beschwerter Draht sich durch einen Eisblock arbeitet. Diese Methode ist zwar zeitintensiv, aber häufig erfolgreich, ohne die Sphinkterfunktion sehr stark zu beeinträchtigen. Wird der Faden allerdings zu eng gezogen und schneidet er sich rasch durch das Muskelgewebe, bevor sich durch eine „stabilisierende Entzündung“ gebildet hat, dann kann die Kontinenz stark beeinträchtigt werden. Als Alternative kann auch eine lockere Fadendrainage eingelegt werden. Der Fistelkanal wird hierbei durch den Faden offengehalten und es bildet sich narbiges Gewebe um den Kanal. Später wird eine Fistulotomie vorgenommen, ohne dass die Wunde sehr weit klafft.Bei stabilen Fisteln kann auch ein Verschgluss durch ein Kollagenstopfen erwogen werden. Von einigen Chirurgen wird der Schließmuskel gezielt durchtrennt, die Fistel entfernt und der Sphinkter wieder zusammengenäht.

Fistulektomie mit zusatzlichem Faden

Verkleben

Eine schonende Fisteltherapie ist die Verklebung mit Fibrin oder das Einbringen eines konisch zugeschnittenen Materials aus Schweinekollagen. Mit beiden Verfahren werden Erfolge bei 10–50 Prozent der Patienten beschrieben. Diese Verfahren wurden zunächst enthusiastisch eingeführt, konnten dann aber im klinischen Einsatz nicht dieselben Ergebnisse duplizieren. Selbst der sehr teure Plug aus Schweinekollagen scheint nur bei ausgewählten Patienten mit unkomplizierten Fisteln zu wirken.

Prognose

Mit den genannten Verfahren sind alle Fisteln gut behandelbar, allerdings erfordern supra- und extrasphinktäre Fisteln viel Erfahrung. Selten ist eine aufwendige Rekonstruktion unter dem Schutz eines Stomas erforderlich.

Morbus Crohn

Treten perianale Fisteln beim Morbus Crohn auf, so sind sie schwieriger zu behandeln als kryptoglanduläre Prozesse, denn sie sind nicht allein durch die Ausschaltung des kryptoglandulären Herdes und den Verschluss der inneren Öffnung kurierbar. Als einfachste Maßnahme sollten auch beim Morbus Crohn alle Abszesse ausreichend drainiert werden, um einem septischen Krankheitsbild vorzubeugen. Sondierbare Fisteln werden mit einfachen Fadendrainagen ohne Zug offen gehalten. Damit ist die akute Situation meistens beherrschbar. Das weitere Vorgehen richtet sich nach der gesamten Dynamik der Erkrankung und deren Manifestationen. Obgleich die empfohlenen Behandlungskonzepte nicht ernsthaft evaluiert wurden, wird die Invasivität der Eingriffe limitiert, weil eine Heilung des perianalen Morbus Crohn selbst durch einen ausgedehnten operativen Eingriff unwahrscheinlich ist und langfristig immer die Kontinenz gefährdet ist. Allerdings gibt es auch Ausnahmen: Bei rektovaginalen Fisteln und ausgedehnten Fistelsystemen kann vom Erfahrenen durchaus ein aggressiver Behandlungsversuch mit Verschiebelappenplastiken oder sonstigen Rekonstruktionen unternommen werden, wenn nicht zu viele Teile des Sphinkters in Mitleidenschaft gezogen werden. Schlechte Ergebnisse sind immer dann zu erwarten, wenn neben dem perinealen Befall auch das Rektum betroffen ist.

Rektovaginale Fisteln

Rektovaginale Fisteln sind eher selten die Folge einer einfachen Entzündung der Proktodealdrüsen. Häufiger werden sie durch Bestrahlung, Operationen, Verletzungen oder Morbus Crohn verursacht. Während hohe rektovaginale Fisteln transabdominell korrigiert werden, können tiefe Fisteln transanal, perineal oder vaginal revidiert werden. Dazu wird die Fistel dargestellt und exzidiert und die Öffnungen schichtweise verschlossen. Transanal bietet sich auch hierzu eine Verschiebelappenplastik an.