Anus – Anatomie und Physiologie
Anatomie
Das gesamte Perineum ist mit verhornendem mehrschichtigem Plattenepithel und Hautanhangsgebilden bedeckt. Direkt unter der Haut liegt das perineale subkutane Fettgewebe, das vom ischiorektalen Fettgewebe durch eine Faszie getrennt ist. Diese zum Teil sehr derbe Faszie ist eine natürliche Barriere und beschränkt entzündliche Prozesse in diesem Bereich zunächst auf den ischiorektalen Raum. Erst nach der Perforation der Faszie breitet sich die Entzündung dann im Subkutangewebe aus.
Die perineale Haut zieht in radiären Falten zum Anus. Diese Fältelung wird durch den M. corrugator ani hervorgerufen, der quasi direkt an der Haut ansetzt. Im Bereich der Linea anocutanea beginnt das Anoderm. Es ist ein nicht-verhornendes Plattenepithel von blassgrauer Farbe ohne Hautanhangsgebilde, das sehr sensibel ist. Wenn es bei Operationen verletzt wird oder durch eine Analfissur eingerissen ist, dann verursacht das sehr starke Schmerzen. Da das Anoderm keine Schleimdrüsen enthält, die ein Gleiten begünstigen würden, sollte die Bezeichnung „Analschleimhaut“ vermieden werden. Im oberen Drittel des Analkanals verläuft die zackenförmig verlaufende Linea dentata, die Taschen (Analkrypten) und kleine leistenartige Pfeiler (Analkolumnen) bildet. Hier hört das Plattenepithel auf und geht in ein urothelartiges Transitionsepithel über, das sich nur über einige Millimeter erstreckt. In diesem Bereich finden sich besonders viele sensorische Elemente, die den Inhalt der Rektumfüllung diskriminieren können. An das Transitionsepithel schließt sich dann die nicht-sensible Rektumschleimhaut an.
Die Linea dentata mit ihren oberflächlichen Krypten ist häufig die Lokalisation für innere Fistelöffnungen, weil hier die Gänge der rudimentär angelegten Proktodealdrüsen münden. Diese Proktodealdrüsen sind beim Menschen in unterschiedlicher Häufigkeit angelegt und häufiger im dorsalen Abschnitt nachweisbar.
Gefäßsystem
Die A. und V. pudenda versorgen das Perineums jeweils von einer Seite. Bei der tiefen Dissektion des ischiorektalen Fettgewebes sind diese Strukturen, die von vier und acht Uhr in SSL einstrahlen, unbedingt zu schonen.
Lymphsystem
Die Lymphe aus dem Rektum entleert sich vorwiegend mesenterial in Richtung der A. mesenterica inferior, seltener entlang der A. rectalis media in die iliakalen Lymphknoten. Der Lymphfluss des Analkanals hängt vom Bezug zur Linea dentata ab. Unterhalb dieser Linie wird sie über die oberflächlichen inguinalen Lymphknoten und oberhalb über die iliakalen Lymphknoten an der A. iliaca interna abgeleitet.
Nervensystem
Motorisch und sensorisch wird das Perineum durch die Nn. pudendi versorgt, die aus den Sakralnerven S2–S4 abgehen. Aus den Nn. pudendi entspringen die Nn. rectales inferiores, die zum Anus ziehen. Das Becken wird über flächenhafte Plexus nerval versorgt, die ihre sympathische Innervation aus dem Plexus hypogastricus superior und ihre parasympathische aus dem Plexus sacralis (S2, weniger S3 und S4) erhalten. Die sympathische Aktivität hemmt die Motilität im Rektum und die parasympathische steigert sie. Bezüglich des M. sphincter ani internus ist es genau umgekehrt. Hier steigert die sympathische Aktivität den Tonus, während die parasympathische den Tonus vermindert. Der M. sphincter ani externus und die Levatoren werden von Motoneuronen innerviert, die sich im 2. und 3. Abschnitt des Sakralmarks befinden und über den N. pudendus zum Perineum verlaufen. Partiell wird der Beckenboden auch über die Plexus im Becken versorgt. Die Zellkörper der Motoneurone für den M. sphincter ani externus liegen im Vorderhorn von S2 (Onuf-Kern).
Schwellkörper
Unterhalb des Epithels befindet sich das Corpus cavernosum recti, der Schwellkörper, der arteriell aus den drei Endästen der A. rectalis superior versorgt wird. Diese Zuflüsse befinden sich zwar bevorzugt bei 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnittlage (SSL), aber es werden auch andere Varianten beschrieben. Der Schwellkörper wird über kleine transsphinktäre Venen drainiert. Bei einer Kontraktion des M. sphincter ani externus vermindert sich der venöse Abfluss und der „gestaute“ Schwellkörper optimiert somit die Feinkontinenz. Bei Gesunden ist dieses feine Gefäßsystem relativ unscheinbar im subepithelialen Bindegewebe eingebettet. Es wird durch den sehr feinen M. canalis ani tonisiert, der quasi die Muscularis mucosae fortsetzt. Er strafft das Bindegewebe und hält dadurch die Struktur des Schwellkörpers aufrecht. Seine Schädigung wird als wichtiger pathogenetischer Faktor für die Genese des Hämorrhoidalleidens angesehen, bei dem der Schwellkörper quasi nach distal luxiert.
Physiologie
Die herausragenden Funktionen des Anorektums sind der kontrollierte Abschluss des unteren Gastrointestinaltraktes, die Kontinenz, sowie die koordinierte und kontrollierte Entleerung, die Defäkation. Die Kontinenz wird nicht nur von der muskulären Funktion des Sphinkterapparates geleistet, sondern auch von der guten Compliance der Rektumwand, dem sensiblen Anoderm und dem Schwellkörper, der letztlich für die Feinkontinenz unabdingbar ist. Die Defäkation ist an einen koordinierten Ablauf im Kolon, im Rektum und der Beckenbodenmuskulatur gebunden.
Massenbewegung
Die Defäkation ist ein hochgradig koordinierter Akt zwischen Kolon, Rektum und Anus. Der Inhalt des Kolons wird normalerweise ungerichtet über kurze Distanzen im Kolon vor- und zurück transportiert (s. Kapitel 7). Eine gerichtete Massenbewegung des Stuhles ist 3–4mal täglich nachweisbar und verschiebt große Stuhlmengen analwärts. Diese Massenbewegungen werden unter anderem auch durch die Nahrungsaufnahme (gastrokolischer Reflex) ausgelöst, weshalb viele Menschen das Kolon regelmäßig nach dem Frühstück entleeren, insbesondere wenn zusätzlich stimulierende Substanzen wie Koffein und Nikotin eingenommen werden. Die Kolonfunktion und damit die Defäkation hängen aber auch vom Angebot an Flüssigkeit (2–3 l am Tag) und von Ballaststoffen ab sowie der körperlichen Tätigkeit.
Defäkation
Die Defäkation wird eingeleitet, indem sich die Stuhlmassen aus dem Kolon und insbesondere dem Sigma in das Rektum vorschieben, denn das Rektum ist normalerweise relativ stuhlleer. Indem sich das Rektum füllt, wird die Rektumwand gedehnt und dadurch entspannt sich reflektorisch der kraniale Anteil des Internus. Durch diese partielle Öffnung des oberen Sphinkters werden die Rezeptoren im Bereich der Linea dentata exponiert und dadurch der Inhalt der Rektumampulle diskriminiert. Je nachdem, wie der Inhalt des Rektums wahrgenommen wird und ob eine Defäkation zu diesem Zeitpunkt erwünscht ist, wird die willkürliche Kontraktion des Sphinkterapparates verstärkt, um die Defäkation zu unterdrücken, oder entspannt, um sie einzuleiten.
Kontinenz
Soll die Defäkation vermieden werden, dann werden der Externus und die Puborektalisschlinge willkürlich angespannt, so dass sich der Analkanal weiter abdichtet und der spitzere anorektale Winkel den Austritt erschwert. Die Willküranspannung muss nur für kurze Zeit aufrechterhalten bleiben, weil das Stuhldranggefühl rasch erlischt. Aufgrund der hervorragenden Compliance der Rektumwand entspannt sich die Rektumwand und der Druck im Rektum nimmt ab. Partiell entleert sich die Ampulle auch wieder in das Sigma, das letztlich das Hauptreservoir für den Stuhl ist. Durch beide Mechanismen verschwindet der Defäkationsreiz. Wenn das Rektum zu einem starren Rohr wird oder nach Operationen durch Kolon ersetzt wird, dann verringert sich die Compliance und die Patienten klagen über einen ausgeprägten und wiederholten Stuhldrang. Typischerweise werden dabei nur kleine Mengen abgesetzt. Wird das intraabdominelle Reservoir reseziert, das Sigma, dann haben die Patienten häufiger Stuhlgang und manchmal bessert sich auch eine vorher bestehende Obstipation. Leider ist die alleinige Sigmaresektion bei den meisten obstipierten Patienten nur in seltenen Fällen erfolgreich.
Stuhlgang
Soll die Defäkation nach dem Reiz erfolgen, dann entspannt sich der Sphinkterapparat und der Beckenboden tritt tiefer. Dadurch öffnet sich der Winkel zwischen Rektum und Analkanal, was die Entleerung deutlich erleichtert. Ein erhöhter abdomineller Druck forciert zwar die Defäkation, er ist aber nicht unbedingt erforderlich, wenn der Sphinkterapparat ausreichend relaxiert ist. Ist die Defäkation beendet, kontrahiert sich einige Minuten später der Sphinkterapparat und verschließt erneut den Analkanal.
Schließmuskel
Anus und Rektum sind anatomisch und funktionell eng miteinander verbunden. Die Muskulatur der Rektumwand setzt sich in den Analkanal fort und wird zum M. sphincter ani internus. Der Internus ist fünf bis zehn Millimeter dick und aganglionär, so dass er dauernd kontrahiert ist. Er reicht nicht bis zum unteren Rand des Analkanals. Sein Unterrand kann häufig gut palpiert werden. Um den Internus schließt sich der willkürliche Sphinkterapparat an, der aus dem M. sphincter ani externus und M. puborectalis besteht.
Beckenbodenmuskulatur
Die Beckenbodenmuskulatur setzt sich aus mehreren Muskeln zusammen, die beim Menschen das gesamte Gewicht der Viszeralorgane tragen müssen. Die Levatoren müssen dabei nicht nur die dynamische Haltearbeit leisten, sondern zugleich einen trichterförmigen Schlitz bilden, damit Teile des Darmes und des Urogenitalsystems hindurchtreten können. Dieser Levatorenschlitz ist somit ein natürlicher Schwachpunkt im Becken, der selbst durch ein komplexes System von verschränkten Muskeln und Faszien nicht immer seine Tragfähigkeit behält. Dieses verwobene System ist anfällig für starke Krafteinwirkungen und Dehnungen und führt manchmal zur ausgeprägten Beckenbodeninsuffizienz. Der anfällige Levatorenschlitz wird zusätzlich stabilisiert durch eine kreuzförmige Aufhängung, in deren Mitte sich das Centrum tendineum befindet. Der M. bulbospongiosus zieht nach anterior, der M. transversus perinei profundus et superficialis nach lateral und das Lig. anococcygeum nach dorsal.
Ruhetonus
Die Sphinkteren müssen zunächst dem Entleerungsdruck widerstehen, um eine Kontinenz zu ermöglichen. Der Ruhedruck im Rektum beträgt normalerweise 10–20 cm H2O und der Ruhedruck des Anus 40–70 cm H2O. Das Druckprofil im Analkanal belegt, dass der Druck im proximalen Abschnitt des Analkanals am höchsten ist und nach distal abfällt. Die distalen Anteile haben demnach nur geringen Anteil am Ruhetonus. Für den Ruhetonus ist zu 75–85 Prozent der M. sphincter ani internus verantwortlich, der als aganglionäres Segment dauerhaft den Anus verschließt. Der Internus wird in dieser Funktion vom Eigentonus des M. sphincter ani externus unterstützt, der allerdings nur 15–25 Prozent zum Ruhetonus beiträgt. Wird der Internus geschädigt oder reseziert, dann geht die unwillkürliche Verschlusskraft zwangsläufig fast vollständig verloren und wird nur noch vom Eigentonus des Externus aufrechterhalten. Durch ein intensives Training des Tonus der willkürlichen Muskulatur kann auch der verbliebene geringe Ruhetonus verbessert werden.
Willkürliche Kontraktion
Die dauerhafte Kontinenz wird dadurch sichergestellt, dass der Rektumdruck niedriger ist als der Ruhedruck im Analkanal. Wenn sich aber der Druck im Rektum erhöht oder im Analkanal vermindert, dann muss der Organismus kompensatorisch eingreifen, um die Kontinenz zu wahren. Die Verschlusskraft des Anus wird erhöht, indem der M. sphincter ani externus und M. puborectalis willkürlich angespannt werden. Dabei treten Kneifdrücke von 120–180 cm H2O auf, die auch einem erhöhten Rektumdruck standhalten. Allerdings kann der Kneifdruck nur kurzzeitig für 20–40 Sekunden aufrechterhalten werden, denn die quergestreifte Muskulatur ermüdet relativ rasch. Während der M. sphincter ani externus den Anus bei der Kontraktion konzentrisch umschließt und dadurch die Verschlusskraft erhöht, wirkt der M. puborectalis wie eine Schlinge, die den oberen Analkanal von dorsal umfasst und ihn nach ventral zieht. Dadurch knickt das Rektum gegenüber dem Analkanal um 110–130 Grad ab und unterstützt so die Kontinenz. Bei der Defäkation öffnet sich der anorektale Winkel und die Entleerung wird erleichtert.