Colitis ulcerosa
Definition
Bei der Colitis ulcerosa handelt es sich um eine Autoimmunkrankheit, die sich in einem immunregulatorischen Defekt niederschlägt und eine entzündliche Zerstörung der Mukosa verursacht. Ätiologie ist weiterhin ungeklärt. Eine genetische Komponente scheint gesichert. Pathogenetisch wird eine Barrierestörung gegenüber Darmbakterien als Hauptursache vermutet.
Ausbreitung
Die Entzündung breitet sich eigentlich immer von der Linea dentata beginnend kontinuierlich nach proximal aus. Sie kann als ausschließliche Proktitis nur das Rektum befallen, oder sich als linksseitige Kolitis oder gar als Pankolitis ausbreiten. Bei etwa zehn Prozent der Patienten ist auch das terminale Ileum erkrankt (Backwash-Ileitis). Selten ist ein diskontinuierlicher Befall, der als partielle Remission gedeutet wird.
Schweregrad
In Abhängigkeit vom gesamten Befund kann ein leichter, mittelschwerer und schwerer Schub unterschieden werden. Zur Beurteilung hat sich der Kolitisaktivitätsindex nach Truelove/Witt bewährt.
Verlaufsformen
In Abhängigkeit von der Dynamik werden ein chronisch-rezidivierender, intermittierender und akut-fulminanter Verlauf unterschieden. Beim häufigen (60–70 %), chronisch-rezidivierenden Verlauf bewirkt die eine medikamentöse Therapie langdauernde Remissionen. Bei der intermittierenden Form sind die Remissionszeiten kürzer und die Entzündung flackert immer wieder auf. In seltenen Fällen (1–5 %) ist die Entzündung so fulminant, dass sie als septisches Krankheitsbild mit hohem Fieber, massiven blutig-schleimigen Durchfällen, Dehydratation, dilatiertem Kolon und dem klinischen Bild eines akuten Abdomens einhergeht.
Steroidabhängig und steroidrefraktär
Bei der Hälfte der Patienten ist die Erkrankung entweder steroidabhängig, so dass zur Remissionserhaltung Steroide erforderlich sind, oder steroidrefraktär, so dass andere Immunsuppressiva eingesetzt werden müssen.
Klinik
In Abhängigkeit von der Ausdehnung des Befalls und der Schwere des entzündlichen Schubes beginnt der Krankheitsprozess meistens mit blutig-schleimigen Durchfällen, die mit häufigen schmerzhaften Stuhlentleerungen einhergehen. In manchen Fällen kommt es zu 25–30 Entleerungen/Tag. Häufig sind unspezifische Symptome einer chronischen Krankheit nachweisbar wie Fieber und Gewichtsverlust.
Diagnostik
Bei der endoskopischen Untersuchung ist in Abhängigkeit vom entzündlichen Schub ein Ödem, Hyperämie und eine erhöhte Fragilität der Mukosa nachweisbar, so dass durch das Koloskop nicht selten Kontaktblutungen ausgelöst werden. Erosionen und Ulzera entstehen bei zunehmender Entzündung. Als Pseudopolypen imponieren dann relativ gesunde Schleimhautinseln in den flächenhaften Ulzerationen. Werden tiefere Wandschichten in den Entzündungsprozess einbezogen, dann entstehen gefährliche Kolitiden mit dem erhöhten Risiko der Perforation. Heilt der Entzündungsprozess, dann bleibt eine blasse Mukosa zurück, die Wand wird starrer, das Faltenrelief ist verstrichen und Pseudopolypen werden nachweisbar.
Extraintestinale Manifestationen
Die extraintestinalen Manifestationen treten bei einem Fünftel der Patienten auf und erfassen Haut, Augen, Gelenke, Knochen, Gefäße, Lunge, Pankreas, Leber und Gallenwege.
Kolorektale Karzinome
Nicht alle Patienten mit einer Colitis ulcerosa haben ein höheres Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Gefährdet sind besonders Patienten mit ausgedehntem Befall, langer Erkrankungsdauer, frühem Zeitpunkt der Erstmanifestation und gleichzeitiger primär sklerosierender Cholangitis. Insgesamt beträgt das kumulative Krebsrisiko nach 30 Krankheitsjahren ungefähr 8–15 Prozent. Die kolorektalen Karzinome manifestieren sich außerdem ungefähr 20 Jahre früher als in der Normalpopulation. Um ein Karzinom frühzeitig zu entdecken, wird deshalb eine regelmäßige Endoskopie mit multiplen Biopsien empfohlen.
Dysplasien
Werden „High-Grade-Dysplasien“ in den endoskopischen Biopsien nachgewiesen, dann wird eine Proktokolektomie vorgenommen, denn bei 50 Prozent der Patienten wird im Resektat dann doch ein Karzinom nachgewiesen. Finden sich „Low-Grade-Dysplasien“, werden die Untersuchungen engmaschig wiederholt. Finden sich wiederholt Dysplasien, dann sollte ebenfalls eine Proktokolektomie erwogen werden. Einige empfehlen bei einem schweren Krankheitsverlauf von 5–8 Jahren die Proktokolektomie, um einer malignen Transformation zuvor zu kommen.
Toxisches Megakolon
Bei etwa zehn Prozent der stationär behandelten Patienten tritt ein toxisches Megakolon auf, das sich durch eine segmentale oder totale Dilatation des Kolon von über sechs Zentimeter auszeichnet. Offensichtlich führt eine tiefgreifende Entzündung der gesamten Darmwand zu einer Paralyse mit Dilatation. Zusätzlich tritt ein septisches Krankheitsbild mit Fieber über 38 °C, Leukozytose über 12 500 und Tachykardie auf. Komplizierend kann auch eine Anämie vorliegen. Zusätzlich können Exsikkose, Elektrolytstörung, Hypotonie, oder Bewusstseinsstörung vorliegen. Sollte sich unter strenger oraler Nahrungskarenz, hochdosierter Steroidtherapie (z.B. Prednisolon 1–1,5 mg/kg KG) und Antibiose keine Besserung innerhalb von 48 bis 72 Stunden zeigen, sollte unbedingt die Kolektomie erwogen werden. Sollten Steroide nicht erfolgreich sein, kann ein Behandlungsversuch mit Cyclosporin 2–4 mg/kg KG angezeigt sein.
Operationsindikationen
Alle Operationsindikationen sollten vom behandelnden Gastroenterologen und Chirurgen gemeinsam diskutiert und getragen werden. In den seltenen Notfallsituationen mit einem toxischen Megakolon mit oder ohne Perforation wird die Kolektomie mit endständigem Ileostoma und Rektumblindverschluss empfohlen. Später kann dann in einem elektiven Intervall eine Proktektomie mit ileoanaler Pouchbildung angeschlossen werden. Unter elektiven Bedingungen wird eine Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchbildung angestrebt, die aufgrund der geringen perioperativen Morbidität und seiner relativ guten postoperativen Funktion heute weniger restriktiv gestellt wird. Diese ausgedehnte Resektion ist indiziert, wenn die medikamentöse Therapie sich als ineffektiv herausgestellt hat oder Dysplasien bzw. ein Karzinom nachgewiesen wurden. Wenn bei einem schwachen Schließmuskel, Karzinom am Analkanal oder septischen Prozess im Becken eine Pouchbildung nicht sinnvoll erscheint, wird das Ileum als endständiges Ileostoma ausgeleitet oder seltener eine kontinente Nippel-Valve-Ileostomie nach Kock angelegt. Segmentresektionen sind bei der Kolitis die extreme Ausnahme, weil durch die Proktokolektomie das pathologische Substrat entzogen wird. Als Kontraindikationen zur ileoanalen Pouchbildung wird ein Rektumkarzinom, eine Sphinkterschwäche, besonders beim älteren Patienten, und der Morbus Crohn angesehen. Beim Karzinom droht das Rezidiv, bei der Sphinkterschwäche eine sehr schlechte Kontinenz und beim Morbus Crohn perianale septische Prozesse.
Therapieoptionen
Im Vordergrund steht die konservative Therapie der Entzündung mit Glucokortikoiden, 5-Amino-Salicylsäurederivaten (5-ASA), Antibiotika (Metronidazol, Ciprofloxacin) und Immunsuppressiva (Azathioprin), die durch einen erfahrenen Gastroenterologen gesteuert werden sollte. Beim akuten Schub werden 5-ASA häufig mit Steroiden kombiniert.
Operation
Überwiegend (80 %) wird eine Proktokolektomie mit ileoanaler Anastomose vorgenommen, um das Kolon und Rektum vollständig zu entfernen. Wenn das Mesokolon entfernt wird, sind proximale Ligaturen der zuführenden Gefäße nur erforderlich, wenn ein Karzinom vermutet oder nachgewiesen wurde. Ansonsten wird das Mesokolon näher am Darm disseziert, wodurch die Resektion einfacher wird. Bei der Dissektion des Sigmas und Rektums ist besonders darauf zu achten, dass die Nervengeflechte auf der Aorta und im Becken nicht verletzt werden.
Pouch-Bildung
Nach der Resektion wird das Ileum ausgeleitet oder mit dem Anus anastomosiert. Da die funktionellen Ergebnisse bei einer direkten Naht des Ileums an den Anus sehr schlecht sind, wird aus dem Ileum ein Reservoir angefertigt. Dazu eignet sich ein J-, S- oder W-Pouch. Beim S- oder W-Pouch ist darauf zu achten, dass der abführende Schenkel nicht zu lang gewählt wird. Der J-Pouch wird heute von vielen bevorzugt, weil er relativ leicht anzufertigen ist. Er sollte eine Länge von 18 bis 20 Zentimeter haben. Bei einem kurzen Mesenterium ist es manchmal schwierig eine spannungsfreie Anastomose herzustellen. In diesen Situationen wird die Mesenterialwurzel maximal mobilisiert und auch das Peritoneum über dem Mesenterium eingeschnitten.
Ileonaler J-Pouch mit protektivem Ileostoma
Mukosektomie
In der Regel wird die Anastomose zwei bis drei Zentimeter oberhalb der Linea dentata, also knapp oberhalb des Transitionsepithels, angelegt. Damit wird allerdings nicht die gesamte Mukosa entfernt, so dass sich hier später eine Entzündung und nach Jahren auch ein Karzinom entwickeln kann. Von einigen Chirurgen wird deshalb die vollständige transanale Mukosektomie mit nachfolgender transanaler handgenähter Anastomose empfohlen. Die transanale Manipulation vermindert dabei leider auch die spätere Sphinkterfunktion. Da diese Befürchtungen eines Karzinoms bisher durch Daten nicht unterstützt werden, verzichten die meisten auf die Mukosektomie und setzen den Darm im oberen Analkanal mit dem Klammernahtgerät ab. Aber nicht nur dabei bleiben Mukosareste erhalten, sondern auch in zehn Prozent der Fälle nach der Mukosektomie. Die wenigen Karzinome, die sich aus den Mukosaresten entwickelten, traten nach Mukosektomien auf. Auf jeden Fall ist bei allen Patienten eine lebenslange Nachsorge erforderlich.
Klammernahtanastomose
In der Regel wird der Darm mit dem TA-Klammernahtgerät abgesetzt. Transanal wird das zirkuläre Klammernahtgerät eingeführt und der Dorn perforiert dorsal der queren Naht den Stumpf. Die Anastomose wird in typischer Weise angelegt, wobei bei Frauen darauf geachtet werden sollte, nicht die Vaginalhinterwand im Klammernahtgerät zu fassen, weil sonst eine rektovaginale Fistel droht. Wenn eine Mukosektomie vorgenommen wurde, dann kann die Anastomose auch transanal mit der Hand genäht werden. Als Vorteile der Klammernaht werden das geringere Trauma des Sphinkterapparates, kürzere Operationszeiten und weniger Anastomoseninsuffizienzen angesehen.
Protektive Ileostomie
Nachdem das Ileum mit dem Anus anastomosiert wurde, entscheidet der Chirurg, ob er den Pouch und die Anastomose durch ein doppelläufiges Ileostoma schützen möchte. Für das Ileostoma spricht, dass die Rate an Insuffizienzen mit einem septischen Prozess im Becken ungefähr fünf bis zehn Prozent betragen kann und dass die klinische Ausprägung bei einem Ileostoma nicht so ausgeprägt ist. Gegen ein Ileostoma spricht, dass die Rate an Nahtproblemen zu steigen scheint und eine erneute Operation zur Ileostomarückverlegung erforderlich wird. Einige sehr erfahrene Chirurgen verzichten deshalb bei völlig glatter Operation auf ein Ileostoma und legen es nur in ausgewählten Fällen an. Die meisten Chirurgen bevorzugen aber den sicheren Weg, denn ein ausgeprägter septischer Prozess im Becken ist nicht nur lebensbedrohlich, sondern er stellt auch die spätere Funktion des Pouches in Frage.
Komplikationen
Intraoperative Komplikationen sind selten. Die häufigste postoperative Komplikation ist eine Pouchitis, gefolgt von einem Ileus durch Verwachsungen. Bei bis zu zehn Prozent der Patienten ist eine operative Revision erforderlich. Bei ungefähr fünf Prozent der Patienten tritt eine Störung der Sexualfunktion auf, die sich als Dyspareunie, retrograde Ejakulation oder Impotenz äußern kann. Alle Nähte können insuffizient werden und einen septischen Prozess mit oder ohne Fistel zur Haut oder Vagina verursachen.
Pouchitis
Patienten mit einer Pouchitis klagen über Tenesmen, Bauchkrämpfe und gelegentlich blutige Durchfälle. Endoskopisch imponiert eine unterschiedlich ausgeprägte Entzündung. Die Pouchitis spricht häufig auf Metronidazol gut an. Manchmal ist sie therapierefraktär, so dass sie wie eine Kolitis behandelt wird. Nach einer Pouchoperation verlieren nur 10 Prozent langfristig ihren Pouch.
