Divertikelkrankheit

Die Divertikulose ist eine zunehmend häufigere Erkrankung, deren Inzidenz mit dem Alter steigt und sich bei 60 Prozent aller 90jährigen entwickelt. Die Mukosa stülpt sich durch eine Schwäche der Ringmuskulatur, wo die Vasa recta in die Darmwand eintreten. Diese Durchtrittsstellen befinden sich vorwiegend zwischen der Taenia mesenterialis und omentalis. Am häufigsten entwickeln sich die Divertikel im Sigma und Descendens.

Einteilung

Die Divertikelkrankheit wird in die eher harmlose Divertikulose und die verschiedenen Divertikulitisformen eingeteilt. Es wird die Stadieneinteilung nach Hansen/Stock verwendet.

Klinik

Die Patienten mit einer symptomatischen Divertikulose präsentieren sich mit Völlegefühl, Flatulenz und abdominellen Schmerzen, bevorzugt im linken Unterbauch. Die Beschwerden sind manchmal schwer von einem Colon irritable abgrenzbar. Bei einer Divertikulitis finden sich immer alle Zeichen einer Entzündung mit Fieber, Leukozytose und CRP-Erhöhung. Klinisch imponiert ein druckschmerzhaftes Abdomen. Bei einem hochakuten Prozess mit einer Phlegmone, Abszedierung oder freien Perforation steht ein akutes Abdomen im Vordergrund, das häufig als „Linksappendizitis“ beschrieben wird. Da sich auch Divertikel auf der rechten Kolonseite entzünden können, kann das Coecum und Aszendens in den entzündlichen Prozess einbezogen sein und klinisch einer Appendizitis ähneln.

Einteilung der Divertikelkrankheit nach Hansen/Stock

Die Divertikelkrankheit des Kolons wird nach Hansen/Stock eingeteilt.

Stadium 0 Asymptomatische Divertikulose als Zufallsbefund
Stadium 1 Blande Divertikulitis. Auf das Pseudodivertikel beschränkte Entzündung, die sich bei unauffälligem CT im KE mit Spiculae zeigt.
Stadium 2a Akute, phelgmonöse Divertikulitis mit Entzündung des perisigmoidalen Fettgewebes im CT
Stadium 2b Akute, abszedierende Divertikulitis mit gedeckter Perforation und perikolischen Abszessen.
Stadium 3 Chronisch-rezidivierende Divertikulitis mit irreversiblen Fibrosen, Stenosen und Fisteln
Stadium 4 Divertikulitis mit freier Perforation

Diagnostik

Bei einer akuten Entzündung wird durch die Sonographie das Ausmaß abgeschätzt und häufig durch ein Kontrast-CT genauer spezifiziert, sowie eine freie Perforation definitiv ausgeschlossen. Bei einem Abszess ohne freie Perforation wird interventionell ein Katheter in die Abszesshöhle gelegt und der Abszess damit ausreichend entlastet. Das Ausmaß der umgebenden Phlegmone wird mit dem CT sehr gut bestimmt. Die begleitenden hohen Entzündungswerte bestätigen den entzündlichen Schub. Bei einer chronisch-rezidivierenden Divertikulitis wird die Diagnostik durch eine Koloskopie bzw. einen Kolonkontrasteinlauf ergänzt, um die Ausdehnung der Divertikelkrankheit, Stenosen und Fisteln präoperativ zu bestimmen.

Operationsindikation

Bei einem schweren akuten Schub mit einer freien Perforation ist die Indikation zur sofortigen Operation gegeben. Bei einem Abszess wird dieser interventionell drainiert. Wenn dieses nicht möglich ist, dann wird ebenfalls operiert. Bei allen anderen Zuständen wird ein intensiver konservativer Behandlungsversuch unternommen, um möglichst erst im entzündungsfreien Intervall zu operieren. Bei Folgestörungen der chronischen Divertikulitis wie Stenosen und Fisteln besteht eine klare Indikation zur Resektion. Bei immunsupprimierten Patienten (Grundkrankheit oder iatrogen) wird die Indikation bereits nach einem akuten Schub gestellt.

Frühelektive Resektion

Es ist bis heute ungeklärt, nach wie vielen entzündlichen Schüben der Darmabschnitt entfernt werden sollte. Manche Chirurgen empfehlen die Resektion bei einem jungen Patienten (<40 J.) bereits nach einem schweren entzündlichen Schub. Manche warten bis zum zweiten oder dritten Schub. Da die individuelle Dynamik des entzündlichen Geschehens nicht sicher vorhersagbar ist, viele Patienten keinen weiteren schweren Schub erleiden und die Divertikulitis nur bei einigen chronisch-rezidivierend verläuft, würden viele Patienten überflüssigerweise operiert, wenn die Indikationen generell bereits bei einem akuten oder nach einem zweiten Schub gestellt werden würde.

Therapieoptionen

Bei einem akuten Schub ohne freie Perforation wird eine konservative Therapie eingeleitet, die orale Nahrungskarenz, parenterale Ernährung und intravenöse Antibiose (Cephalosporin + Metronidazol) umfasst. Außerdem wird Mesalazin (3mal 1g) oral appliziert. Regelmäßige Untersuchungen überprüfen den klinischen Status und den Erfolg der konservativen Therapie. Wenn die Entzündung erfolgreich behandelt wurde, wird mit dem oralen Kostaufbau begonnen. Bei allen Patienten mit einer Divertikelkrankheit ist eine ballaststoffreiche Kost (20–30 g/Tag) empfehlenswert. Auf eine ausreichende Trinkmenge von 2,5–3,0 l/Tag sollte geachtet werden. Ob diese Empfehlungen aber tatsächlich den Verlauf beeinflussen, ist ungeklärt

Operation

Das Ziel der Operation besteht nicht darin, die Divertikelkrankheit vollständig zu entfernen. Es wird lediglich das entzündete Segment mit ausreichendem Sicherheitsabstand entfernt. Bei einer Sigmaresektion sollte die Anastomose unbedingt im oberen Rektum angelegt werden. Außerdem sollte ein Segment von mindestens 25 cm Länge entfernt werden. Wenn beide Faktoren beachtet werden, dann ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass der Patient ein Rezidiv erleidet.

Sigmaresektion

Bei der konventionellen Sigmaresektion wird über eine Unterbauchlaparotomie das Sigma von lateral mobilisiert und der Ureter identifiziert. Der aborale Resektionsrand wird unterhalb des rektosigmoidalen Überganges, ungefähr 12 cm ab ano festgelegt. Die Resektionslinie ist immer dann zu hoch gewählt, wenn der zirkuläre Stapler nicht bis zur Klammernaht vorgeschoben werden kann. Die weiterhin vorhandene „Hochdruckzone“ verhindert in diesen Fällen, dass das Klammernahtgerät korrekt eingeführt werden kann, so dass fünf bis sechs Zentimeter nachreseziert werden sollten. Der distale Resektionsrand wird oral des makroskopisch entzündeten Segments festgelegt. Meistens ist die Divertikelkrankheit ausgedehnter, so dass die Anastomose später mit einem divertikeltragenden Darm angelegt wird. Eine ausgedehnte Resektion, um den Patienten von seiner Divertikelkrankheit zu befreien, wird fast einstimmig abgelehnt, weil sich die Entzündung fast immer auf das Sigma beschränkt.

Laparoskopische Resektion

Die Sigmaresektion wird heute bevorzugt laparoskopisch durchgeführt. Das Ausmaß der Resektion und die Art der Anastomosierung unterscheiden sich nicht vom konventionellen Vorgehen.

Hartmann-Operation

Bei einer freien Perforation im Sigma mit ausgeprägter Peritonitis wird nach der Sigmaresektion auf eine kolorektale Anastomose verzichtet. Das Rektum wird im oberen Drittel mit einer Klammernaht verschlossen und eventuell zusätzlich übernäht. Für die spätere Rückverlagerung sollte das Sigma unbedingt bis ins obere Rektum reseziert werden, auch wenn die Perforationsstelle deutlich weiter oral liegt. Der orale Abschnitt des Descendens wird dann als endständiges Descendostoma ausgeleitet. Diese Art der Resektion (Rektumblindverschluss und endständiges Stoma) wird im klinischen Alltag als Hartmann-Operation bezeichnet.

Notoperation

Bei einer freien Perforation mit Peritonitis wurde früher zunächst nur ein Stoma angelegt, in einem zweiten Eingriff das Sigma reseziert und eine kolorektale Anastomose angelegt sowie als dritte Operation das Stoma rückverlegt. Dieses dreizeitige Vorgehen ist heute weitgehend verlassen. Bei einem ausgeprägten Befund wird die Hartmann-Operation bevorzugt und bei einer geringen lokalen Peritonitis wird direkt die Anastomose angelegt, aber durch eine doppelläufige Ileostomie geschützt. Beide zweizeitigen Verfahren haben sich bestens bewährt. Die Rückverlegung solcher Stomata sollte frühestens nach drei Monaten erwogen werden. Bei einer ausgeprägten Peritonitis, möglicherweise auch mit wiederholten Lavagen, ist mit ausgedehnten Verwachsungen zu rechnen. Aus größeren Beobachtungsstudien ist bekannt, dass nicht mehr als 70 Prozent der Stomaträger später auch wieder ihr Stoma zurückverlegen lassen. In jüngster Zeit wird auch empfohlen, bei einer purulenten fibrinösen Peritonitis das Sigma nicht zu resezieren, sondern den Situs nur laparoskopisch zu spülen und eine Drainage einzulegen. Offenbar erholen sich die Patienten bei diesem Vorgehen sehr gut und können dann nach einigen Monaten elektiv operiert werden.

Fisteln

Fisteln zur Blase oder Vagina sind häufig sehr klein. Sie werden durchtrennt und durch einfache Naht verschlossen. Bei Blasenfisteln wird intraoperativ die Blase mit einer blaugefärbten Flüssigkeit aufgefüllt, um die spätere Dichtigkeit zu demonstrieren. Ein suprapubischer Blasenkatheter wird für zwei Wochen in die Blase gelegt, um diese zu entlasten.

Komplikationen

Bei ausgeprägter Phlegmone mit oder ohne Perforation ist das Gewebe massiv entzündlich verändert, so dass leicht Blutungen aus dem Mesokolon auftreten können. Insgesamt ist die Blutungsneigung höher und die Gefäße fragiler. Viele chronisch rezidivierende Entzündungen führen zu einer steinharten Verklebung mit der Beckenwand oder der Gerotaschen Faszie, so dass der linke Ureter bei der Präparation gefährdet ist. Im eigenen Vorgehen wird der Ureter immer sehr weit proximal im gesunden Gewebe aufgesucht und dann nach distal zur Beckenwand und Blase disseziert. Die Entzündung kann manchmal das Mesorektum erfassen, das dann wie ein Stein auf dem Sakrum liegt, so dass es scharf herauspräpariert werden muss. In der Regel ist das Rektum nur wenig verändert und eine Anastomose im oberen oder mittleren Drittel des Rektums möglich. Eine ausreichende Übersicht wird häufig erst gewonnen, wenn das Sigma vollständig aus dem Becken gelöst wurde.