Darmfisteln
Enterokutane, interenterische oder enterovaginale Fisteln treten so gut wie nie spontan auf. Sie sind meist Folge einer Operation, Bestrahlung oder entzündlichen Darmerkrankung. Je nach Ursache, der Art der Fistel und den Begleitumständen, ist ein konservatives Vorgehen angezeigt oder eine sofortige, dringliche oder spätere operative Revision erforderlich.
Frühe enterokutane Fisteln
Insuffizienzen intestinaler Anastomosen manifestieren sich häufig durch Fisteln. Treten diese Fisteln innerhalb weniger Tage nach der Operation auf, dann werden sie unverzüglich revidiert. Häufig bestehen zu diesem Zeitpunkt nur geringe Verwachsungen, so dass sich die Infektion im Bauchraum schnell ausbreiten kann und eine Peritonitis mit einem schweren septischen Krankheitsbild entsteht. Das primäre Ziel in der Behandlung dieser frühen enterokutanen Fisteln ist immer die Beseitigung des intraabdominellen Infektionsherdes. Dazu werden die entzündlichen Verklebungen im Operationsgebiet gelöst, die genaue Ursache festgestellt und die nötigen Schritte eingeleitet, um den entzündlichen Prozess zu beherrschen. Es ist entscheidend, die Infektionsursache vollständig zu beseitigen, um die begleitende Sepsis erfolgreich zu beherrschen. Dazu wird eine Nahtinsuffizienz übernäht oder eine Anastomose neu angelegt und meistens ein protektives Stoma vorgeschaltet. In problematischen Situationen wird der proximale Abschnitt direkt als Stoma ausgeleitet und der distale verschlossen.
Späte Fisteln
Je später die Fistel nach der Operation auftritt, um so eher besteht die Chance, die Situation durch eine konservative Therapie zu beherrschen, weil sich der Fistelkanal dann vom Rest der Bauchhöhle durch Verklebungen isoliert hat. In diesen Fällen bereitet sich die Infektion nicht weiter aus und ist durch lokale Verfahren häufig kontrollierbar. Hier liegt auch der Grund, warum Chirurgen die Bauchhöhle nach Anlage einer Anastomose drainieren. Sie hoffen, dass das intestinale Sekret durch die Drainage adäquat abgeleitet wird, wenn es zu einem Nahtbruch kommt, und somit keine notfallmäßige Intervention erforderlich wird. Da die meisten Insuffizienzen aber zwischen dem 6. und 12. postoperativen Tag auftreten, müsste eine Insuffizienzdrainage auch so lange platziert bleiben, um das austretende Sekret abzuleiten. Inwieweit eine Drainage bei allen intestinalen Anastomosen wirklich hilfreich ist, ist sehr umstritten. Kontrollierte Studien weisen daraufhin, dass sie nach kolorektalen Resektionen nicht vorteilhaft sind, sondern sogar häufiger mit einer Insuffizienz einhergehen. Persönlich wird bei elektiven und unkomplizierten Operationen am Gastrointestinaltrakt keine Insuffizienzdrainage eingelegt.
Fistelvolumen
Ein orientierendes Maß dafür, ob bei einer späteren Fistel eher ein operatives Vorgehen angezeigt ist, ist die Fistelmenge. Dazu werden Fisteln mit einer täglichen Fördermenge von über und unter 200 ml unterschieden. Bei Fisteln mit einer geringen Sekretionsmenge ist eher zu erwarten, dass sie spontan sistieren. Bei Fisteln mit einer größeren Fördermenge ist das eher unwahrscheinlich. Um das Fistelvolumen zu reduzieren, sollte keine orale Kost aufgenommen werden. Dadurch entfällt der enterale Reiz auf die Bildung von Speichel, Magen-, Galle- und Pankreassaft. Zusätzlich wird häufig Octreotid (3 x 100 µg tgl. s.c.) und Protonenpumpenhemmer appliziert, um die Sekretion der Drüsen weiter zu vermindern. Erst nach einigen Wochen ist beurteilbar, ob sich die Fistel verschließen wird.
Fistelversorgung
Für die erfolgreiche konservative Behandlung ist auch entscheidend, was drainiert wird. Eine Fistel mit aggressivem Dünndarmsekret ist schwieriger zu versorgen als eine Speichel- oder Kolonfistel. Nach Enterotomien bei einem Platzbauch oder einer sekundär heilenden Wunde, ist eine Fistelversorgung manchmal schwierig. Sie lässt sich mit den heute verfügbaren Mitteln und den Erfahrungen einer Stomatherapeutin aber letztlich immer bewerkstelligen.
Therapieoptionen
Wird eine enterokutane Fistel erstmalig manifest, dann wird zunächst der Zustand des Patienten optimiert. Häufig liegt zusätzlich ein larviertes septisches Krankheitsbild mit Störungen des Flüssigkeitshaushaltes vor, die rasch zu korrigieren sind. Besteht ein akutes Abdomen oder ein septisches Krankheitsbild, dann wird das Problem umgehend operativ gelöst. Manchmal besteht kein akutes Abdomen, so dass eine sofortige Revision nicht erforderlich ist. Wenn eine begleitende Blutung oder ein Platzbauch besteht, dann sollte ebenfalls mit der operativen Revision aller Probleme nicht gezögert werden. In einigen Fällen kann der septische Herd auch interventionell erfolgreich drainiert werden.
Konservative Therapie
Bei einfachen Fisteln ohne systemische Entzündungszeichen ist keine Antibiotikabehandlung notwendig. Meistens bestehen jedoch subfebrile Temperaturen, eine geringe Leukozytose und Erhöhung der Akut-Phase-Proteine, so dass eine intravenöse Antibiotikagabe eingeleitet wird. Die enterale Ernährung wird ausgesetzt. Eine Magensonde ist nicht erforderlich. Die parenterale Ernährung wird begleitet von H2-Blockern bzw. Protonenpumpenhemmern und Octreotid. Dadurch wird die Sekretion von Speichel-, Magen-, Galle- und Pankreassaft minimiert. Wenn der septische Prozess kontrolliert ist und keine distale Stenose vorliegt, dann gibt es eine gute Chance, dass sich die Fistel spontan verschließt. Wenn sich nach einigen Wochen keine Besserung zeigt, dann sollte eine operative Korrektur erwogen werden. Der Patient wird dazu enteral ernährt und die Operationsvorbereitung nach frühestens drei bis vier Monaten getroffen, wenn er sich von dem vorhergehenden Eingriff und seinen Folgen vollständig erholt hat. Um die Operation optimal zu planen, sollten Röntgenaufnahmen des oralen und aboralen Abschnittes vorliegen und sicher gestellt sein, dass der aborale Abschnitt bis zum Anus keine Stenosen aufweist.
Konservative Behandlung einer High-output-Fistel
Vollständige parenterale Ernährung |
Keine orale Flüssigkeit |
Omeprazol 2mal 20 mg i.v. |
Octreotid 4mal 100 mg s.c. |
Tägl. Bestimmung des Fistelvolumens |
Operationszeitpunkt
Die Dringlichkeit einer operativen Revision hängt auch davon ab, welchen Einfluss die Fistel auf den Gesundheitszustand des Patienten hat. Je mehr Zeit man gewinnen kann, um den Allgemeinzustand des Patienten zu optimieren, umso geringer werden die Komplikationen bei der Revision sein. Bei Kolonfisteln kann eventuell die parenterale Ernährung auch durch enterale ballaststoffarme Standarddiäten ergänzt oder ersetzt werden. Sie verbieten sich aber bei einem Subileus oder einer Peritonitis. Bei geringer Fistelsekretion kann bei allen Fisteln versucht werden, diese zu säubern und mit Fibrin zu verkleben. Manchmal führen erst mehrere Sitzungen zum Erfolg.
Operation
Die operative Sanierung beginnt immer mit einer Adhäsiolyse der ausgedehnten Verwachsungen, die durch den septischen Prozess verursacht wurden. Nachdem die Ursache eindeutig bestätigt wurde, wird das fisteltragende Segment entfernt oder über eine ausgeschaltete Dünndarmschlinge abgeleitet. In sehr seltenen Fällen kann diese auch einfach übernäht werden. Solche Operationen sind technisch anspruchsvoll und sollten unter sorgfältig geplanten Bedingungen durchgeführt werden, um das Risiko einer erneuten schwerwiegenden Komplikation zu vermeiden.