Morbus Crohn

Beim Morbus Crohn oder der Enteritis regionalis handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Krankheit, die in Schüben verläuft und sich vorwiegend im Gastrointestinaltrakt manifestiert. Sie ist chirurgisch nicht heilbar.

Epidemiologie

Die jährliche Inzidenz beträgt ungefähr fünf Patienten auf 100 000 Einwohner, so dass man mit einer Prävalenz von einem Patienten auf 500-800 Einwohnern rechnet. Die Ätiopathogenese ist ungesichert, wobei Ernährungsgewohnheiten und Nahungsmittelinhaltsstoffe als Trigger diskutiert werden.

Wien-Klassifikation

Der Morbus Crohn lässt sich vereinfacht in drei Stadien einteilen: akuter Schub, chronisch-aktives Stadium und Remission. In die Wien-Klassifikation wurden drei Faktoren aufgenommen: das Alter (jünger oder älter als 40 Jahre), das Befallsmuster (terminales Ileum, Kolon, Ileum und Kolon, oder oberer Gastrointestinaltrakt) und die Entzündungsreaktion (nicht-penetrierend und nicht-strikturierend, strikturierend, oder penetrierend).

Klinik

Gewöhnlich tritt der Morbus Crohn beim jungen Erwachsenen auf, der über Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen, Durchfälle und Schmerzen klagt. Auch extraintestinale Manifestationen an Haut, Gelenken, Auge, Lunge, Leber und Niere sind nicht selten (10–20 %) und lassen die Diagnose vermuten. Die Beschwerden sind sehr variabel und hängen sowohl von der Lokalisation als auch dem Schweregrad der Entzündung ab. Vielfach werden sie dem Chirurgen mit einem Subileus oder Ileus vorgestellt, wenn das Darmlumen sich durch den fortgeschrittenen Entzündungsprozess verdickt und verschlossen hat. Seltener präsentiert sich ein septischer Patient mit einem großen intraabdominellen Abszess oder Konglomerattumor. Bei einigen Patienten findet sich als zusätzliche oder alleinige Manifestation ein ausgeprägtes perineales Fistelleiden.

Diagnose

Zur primären Diagnostik gehören Blutbild, CRP und Albumin. Damit können Anämie, Hypoproteinämie und der Entzündungsprozess abgeschätzt werden. Eine Ileokoloskopie mit Segmentbiopsien ist erforderlich, um das Ausmaß der Erkrankung zu bestimmen. Eine bildgebende Diagnostik ist unverzichtbar. Die Sonographie, MRT oder das CT wird die Verdachtsdiagnose bestätigen, indem sie Darmwandverdickungen, Konglomerattumoren und Abszesse nachweisen. Die konventionelle Kontrastmitteluntersuchung des Dünndarms wurde durch die MRT vollständig ersetzt. In den endoskopischen Untersuchungen finden sich neben allgemeinen Zeichen der Entzündung bzw. Mukositis auch Fissuren und tiefe Ulzerationen. Die Verdachtsdiagnose kann zu Beginn nicht in allen Fällen histologisch eindeutig gesichert werden. Manchmal finden sich in den Gewebeproben nur Zeichen einer unspezifischen Entzündung. Bei diesen Patienten wird das gesamte Erscheinungsbild der Krankheit berücksichtigt und dann eine Vermutungsdiagnose geäußert. Es dauert in seltenen Fällen viele Jahre, bis die endgültige histologische Bestätigung vorliegt.

Therapieoptionen

Der Chirurg kann bei allen Verlaufsformen in die Behandlung eingebunden sein, beim akuten Schub mit dem klinischen Bild eines akuten Abdomens, beim chronischen Verlauf wegen einer Stenose oder Fisteln oder bei den konservativ nicht beherrschbaren Therapien. Das optimale Vorgehen wird nur gefunden, wenn sowohl der behandelnde Gastroenterologe als auch der Viszeralchirurg in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.

Konservative Therapie

Zunächst wird immer die konservative antientzündliche Therapie und eventuelle Antibiose eingeleitet. Steroide und 5-Amino-Salicylsäurederivate werden hierzu bevorzugt eingesetzt, aber auch Immunsuppressiva wie Azathioprin, 6-Mercaptopurin und Methotrexat werden zur langfristigen Therapie erfolgreich appliziert. Sie sind mit ernsten Nebenwirkungen behaftet und haben einen verzögerten Wirkungseintritt. Im akuten entzündlichen Schub werden hochdosiert Steroide gegeben, um die Entzündungsreaktion rasch und effektiv zu unterdrücken.

Operationsindikation

Der Chirurg wird in der Regel nur dann mit dieser Krankheit konfrontiert, wenn ein komplizierter Verlauf vorliegt. Als Komplikationen treten bevorzugt Stenosen, Abszesse, Fisteln und Perforationen auf, weil der Morbus Crohn alle Darmschichten befällt. Das individuelle Vorgehen wird sich nach der aktuellen Krankheitssituation und den vorhandenen Möglichkeiten richten, denn diese Krankheit ist durch keine Operation zu heilen.

Operationsvorbereitung

Häufig besteht aufgrund der entzündlichen Stenosierung des Darmlumens ein Subileus oder Ileus, so dass eine enterale Ernährung nicht sinnvoll erscheint. Der Patient wird parenteral ernährt und vorübergehend eine Magensonde gelegt. Bei länger bestehenden Beschwerden oder chronisch-aktiver Entzündung sind die Patienten häufig mangelernährt, so dass sie von einer präoperativen parenteralen Ernährung profitieren.

Perforation

Bei einer freien Perforation in die Bauchhöhle ist eine unverzügliche Operation angezeigt. Problematischer ist die Entscheidung, wenn klinisch ein akutes Abdomen vorliegt, aber eine freie Perforation nicht nachweisbar ist. In diesen Fällen sollte die exakte Diagnose und das Ausmaß des entzündlichen Prozesses mit Schnittbildverfahren überprüft werden. Bei einem entzündlichen Konglomerattumor wird zunächst die konservative Therapie eingeleitet. Besteht zusätzlich ein Abszess, dann sollte dieser interventionell drainiert werden. Daraus kann zwar später eine enterokutane Fistel entstehen, diese lässt sich aber unter elektiven Bedingungen besser versorgen. Als generelle Strategie wird versucht, den entzündlichen Prozess durch eine antientzündliche Therapie einzudämmen und abzuschwächen und erst dann zu operieren, wenn die Bedingungen verbessert wurden. Den optimalen Operationszeitpunkt zu finden, ist manchmal schwierig.

Ileus

Bei einem manifesten Ileus besteht eine dringliche Operationsindikation, wenn der Ileus sich nicht unter einer hochdosierten antientzündlichen Therapie rasch zurückbildet. Hier wird durch regelmäßige klinische Untersuchungen kritisch überprüft, ob die antientzündliche Therapie wirkt und der Ileus konservativ beherrschbar ist. Gute Entscheidungen in diesen Situationen setzen umfangreiche Erfahrungen voraus.

Stenose

Viele Patienten werden erfolgreich antientzündlich behandelt, entwickeln dann aber durch narbige Veränderungen eine oder multiple Stenosen, die zu einem Ileus oder rezidivierenden Subileus-Zuständen führen. Bei langstreckigen Stenosen im Gastrointestinaltrakt wird das Darmsegment sparsam reseziert. Die Resektionsgrenzen sollten makroskopisch gesundes Gewebe aufweisen. Sehr große Sicherheitsabstände sind nicht erforderlich. Bei einer akuten Entzündung ist das Mesenterium stark verdickt, ödematös und hyperämisch. Einfache Ligaturen rutschen in diesem Gewebe leicht ab, so dass Durchstichligaturen verwendet werden sollten. Eine radikale Resektion des entzündlichen Mesenteriums verbessert nicht die Prognose.

Strikturoplastik

Kurzstreckige Stenosen werden nicht reseziert, sondern mit einer Strikturoplastik versorgt. Generell wird immer versucht, ein nicht-resezierendes Operationsverfahren zu wählen, wenn es sinnvoll ist. Bei der Strikturoplastik wird die Striktur antimesenterial im Längsverlauf des Darmes inzidiert und danach quer vernäht. Nach dem Eröffnen des Darmes sollte das Ulkus inspiziert werden. Zum Verschluss ist eine einreihige Nahtreihe mit Einzelnähten ausreichend, die sorgfältig gestochen wird. Diese Strikturoplastiken können bei multiplen Stenosen auch mehrfach hintereinander angelegt werden. Langfristige Nachuntersuchungen haben eindeutig belegt, dass es sich um ein sehr geeignetes Verfahren handelt. In seltenen Fällen wurden an Stellen früherer Strikturoplastiken Adenokarzinome nachgewiesen, so dass jede suspekte Läsion reseziert werden sollte.

Strikturoplastik  

Resektion

Bei Konglomerattumoren werden dagegen vereinzelte Darmabschnitte reseziert. Häufig gelingt es durch eine subtile Präparation die Tumoren aufzulösen und dabei mehrere interenterische Fisteln nachzuweisen. Die Fisteln können manchmal einfach übernäht werden, wenn die Darmwand um die Fistelöffnung nicht akut entzündet ist und ein sicheres Nahtlager aufweist. Die Entscheidung, welches der optimale Eingriff ist, hängt stark davon ab, wie der Darmabschnitt durch die Entzündung bereits verändert ist. Da der Morbus Crohn nicht heilbar ist und im Verlauf der Erkrankung mit wiederholten Resektionen gerechnet werden muss, sollte grundsätzlich so sparsam wie möglich reseziert werden.

Laparoskopische Technik

In kontrollierten Studien wurden die Vorteile dieser Operationstechnik belegt, so dass man versuchen sollte, den Eingriff laparoskopisch vorzunehmen. Bei ausgedehnten entzündlichen Tumoren, Rezidiveingriffen oder massiven Verwachsungen ist das aber nicht immer möglich.

Komplikationen

Intraoperative Komplikationen sind relativ selten, allerdings kann der Blutverlust erheblich sein, wenn es aus dem hyperämischen, ödematösen Gewebe diffus blutet. Da die meisten Patienten zum Zeitpunkt der Operation antientzündlich therapiert werden, ist mit einer deutlich verzögerten Wundheilung zu rechnen, so dass intestinale Anastomosen gefährdeter sind. Besonders problematisch ist eine Operation unter einer aus gastroenterologischer Sicht „optimalen Immunsuppression“, wenn der Patient zum Beispiel Steroide und Azathioprin erhielt. Hier sind die Risiken einer Anastomoseninsuffizienz sehr viel höher und eine deutlich verzögerte Wundheilung die Regel. Deshalb sollte vor operativen Eingriffen die körpereigene Immunabwehr weitgehend normalisiert werden, wenn die allgemeine Situation es ermöglicht. Die Art der Anastomosierung (Klammern oder Nähte) ist dabei weniger bedeutend.

Nachbehandlung

Neben der üblichen postoperativen Nachbehandlung sollte gemeinsam mit dem Gastroenterologen entschieden werden, welche Art der Rezidivprophylaxe bei dem Patienten eingeleitet werden soll, denn in mehreren kontrollierten Studien wurde die Effektivität der Prophylaxe nachgewiesen.