Magenkarzinom – Therapie
Chemotherapie
Die Wertigkeit der neoadjuvanten Therapie beim potentiell kurativ resezierten Magenkarzinom ist dahingehend geklärt, dass Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren von einer Vorbehandlung profitieren. Als fortgeschrittene Tumoren gelten alle T3/T4-Tumoren und alle mit Lymphknotenmetastasen. Ob auch T2-Tumoren vorbehandelt werden sollten, wird unterschiedlich beurteilt. Eine adjuvante Therapie sollte in ausgewählten Fällen diskutiert werden. Bei fortgeschrittenen Befunden wird nach R0-Resektion von einigen Zentren die Radiochemotherapie empfohlen. In palliativen Situationen hat sich eine zusätzliche Chemotherapie ebenfalls bewährt. Sie scheint im Vergleich zur bloßen symptomatischen Therapie die Lebensqualität zu verbessern und durchschnittliche Überlebenszeit gering zu verlängern.
Operationsindikation
Eigentlich besteht bei fast allen Magenkarzinomen die Indikation zur chirurgischen Intervention. Lediglich bei einer Metastasierung kann von einer Operation abgesehen werden. Bei den potentiell kurativen Situationen kann sogar eine lokale Exzision in Betracht gezogen werden, wenn der Tumor auf die Mukosa beschränkt ist, denn hier beträgt die Wahrscheinlichkeit einer Lymphknotenmetastasierung weniger als fünf Prozent. Allerdings werden nur wenige Karzinome bei uns so früh erkannt. Bei allen anderen Tumoren wird eine kurative Resektion angestrebt, wobei im Stadium III und IV mit einer hohen Rezidivrate gerechnet werden muss. Bei fortgeschrittenen Tumoren ohne Blutung oder Stenose sollte vor der Laparotomie die Laparoskopie erwogen werden, um beim Nachweis einer Peritonealkarzinose oder Fernmetastasierung die Laparotomie zu vermeiden. Diese Patienten haben trotz Chemotherapie nur eine geringe Lebenserwartung und bedürfen häufig keiner Resektion. Eine diagnostische Laparoskopie ist auch dann sinnvoll, wenn eine neoadjuvante Therapie erwogen wird und vor der Einleitung der Therapie eine Fernmetastasierung oder Peritonealkarzinose ausgeschlossen werden soll.
Ausmaß der Resektion
Die Ausdehnung der Magenresektion (Gastrektomie oder subtotale Resektion) richtet sich nach der Lokalisation des Tumors und dem histologischen Typ. Bei proximalen Magenkarzinomen oder fortgeschrittenen Kardiakarzinomen ist die Gastrektomie obligatorisch.
Eingeschränkte Resektion
Bei Frühkarzinomen, die auf die Mukosa beschränkt sind, ist eine endoskopische Resektion möglich, wenn der Tumor kleiner als zwei (ein) Zentimeter bei erhabenen (flachen) Typen ist, keine Lymphgefäßeinbrüche aufweist und nicht ulzeriert ist. Bei oberflächlichen Submukosakarzinomen (sm1) mit geringer Größe (<3 cm), guter Differenzierung (G1/G2) und ohne Gefäßeinbrüche wird ebenfalls eine endoskopische Resektion erwogen, weil das Risiko einer Lymphknotenmetastasierung gering ist. Allerdings ist eine perfekte postinterventionelle pathologische Aufarbeitung notwendig, weil bereits eine tiefere Infiltration als sm1 das Risiko der Lymphknotenmetastasen rapide ansteigen lässt. Bei Tumoren im unteren Drittel kann eine distale Resektion erwogen werden, wenn ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Resektionsrand eingehalten wird. Beim intestinalen Typ nach Laurén ist ein Abstand von 5 cm häufig ausreichend. Bei Tumoren vom diffusen Typ nach Lauren sollten 8 bis 10 cm nicht unterschritten werden. Bei kleineren Sicherheitsabständen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Tumorausläufer bis an den Resektionsrand reichen. Eine Schnellschnittuntersuchung der Resektionsränder wird die Situation definitiv klären.
Palliative Operation
In palliativen Situationen wird eine Operation nur bei einer Stenose, Blutung oder Perforation indiziert sein. Bei einer distalen Stenose kann zwischen einer Resektion des Tumors oder Anlage einer Gastroenterostomie gewählt werden. Bei einer proximalen Stenose käme auch eine Stent-Implantation in Betracht. Eine Resektion wird bei kleinen Tumoren nur bei Patienten in einem sehr guten Zustand erwogen, um die Lebensqualität nicht unnötig zu verschlechtern oder die Einleitung einer Chemotherapie zu verzögern.
Operation
Jede Resektion eines Magenkarzinoms beginnt mit einer Exploration der Abdominalhöhle, um ein fortgeschrittenes Tumorstadium auszuschließen. Insbesondere auf eine Peritonealkarzinose oder Krukenberg-Tumoren im kleinen Becken sind zu achten. Wird von vornherein ein fortgeschrittenes Tumorleiden vermutet, dann sollte mit einer Laparoskopie begonnen werden, um eine Peritonealkarzinose auszuschließen.
Resektion
Die Resektion beginnt mit dem Ablösen des großen Netzes vom Querkolon. Das Omentum majus wird nicht allein wegen potentieller Tumorabsiedlungen entfernt, sondern auch wegen der zu erwartenden Durchblutungsstörungen, weil alle versorgenden Gefäße durchtrennt werden müssen. Die A. gastroepiploica dextra wird mit den infrapylorischen Lymphknoten abgangsnah durchtrennt. Das Duodenum wird zirkulär bis zwei Zentimeter distal des Pylorus freipräpariert und mit dem Klammernahtgerät durchtrennt. Die kaliberschwache A. gastrica dextra wird abgangsnah und das kleine Netz entlang der Leber durchtrennt, wobei auf eine akzessorische linke Leberarterie geachtet werden sollte. Das Lig. gastrolienale mit den A. gastricae breves und Lig. gastrophrenicum werden disseziert und die distale Speiseröhre angeschlungen. Die A. und V. gastrica sinistra werden ebenfalls abgangsnah abgesetzt. Nachdem die Speiseröhre bei der Gastrektomie knapp oberhalb der Kardia durchtrennt wurde, wird das Resektat entfernt und die Schnittränder histologisch untersucht. Wurde die Lymphadenektomie nicht en bloc vorgenommen, dann wird während der Untersuchung der Schnittränder entlang der A. hepatica communis, dem Truncus coeliacus bis zur Aorta und der proximalen A. lienalis lymphadenektomiert.
Intraoperative Zytologie
Eine zytologische Untersuchung des Peritonealsekretes wird von einigen Chirurgen befürwortet, um ein fortgeschrittenes Tumorstadium zu dokumentieren. Allerdings lässt sich hinterfragen, welche Auswirkungen der zytologische Nachweis einer peritonealen Aussaat auf die Operation haben wird. Er ist sicherlich ein Indikator für eine schlechte Prognose und auf die hohe Wahrscheinlichkeit eines Tumorrückfalls, so dass sich aufwendige Rekonstruktionen der Darmpassage verbieten. Allerdings bedeutet der positive Nachweis nicht, dass die Peritonealkarzinose zwingend der Hauptmanifestationsort des Rezidives sein wird. Vielmehr wird durch den zytologischen Nachweis nur ein fortgeschrittenes Tumorleiden dokumentiert, dass häufiger metastasiert als lokoregionär rezidiviert. Deshalb verbessert in diesen Fällen eine ausschließliche intraperitoneale Chemotherapie auch nicht das Überleben.
Splenektomie und Pankreasschwanzresektion
Die früher übliche Splenektomie wird vermieden, weil sie die postoperative Komplikationsrate deutlich erhöht, ohne die Radikalität zu verbessern. Nur bei verdächtigen Lymphknoten im Milzhilus sollte die Milz unbedingt entfernt werden. Bei einer zusätzlichen Pankreasschwanzresektion steigt die Komplikationsrate ebenfalls massiv an, wobei nicht nur Pankreasfisteln gehäuft auftreten, sondern auch Anastomoseninsuffizienzen. Das Pankreas sollte deshalb nur bei direkter Tumorinfiltration reseziert werden. Wenn nötig, wird deshalb eine alleinige Splenektomie mit Lymphadenektomie entlang der A. lienalis empfohlen. Bei fortgeschrittenen Tumoren können das Querkolon, Pankreas oder der linke Leberlappen infiltriert sein. Wenn sich keine Peritonealkarzinose oder Lebermetastasen finden, kann die ausgedehnte Resektion als potentiell kurativer Versuch angesehen werden. Bei nachgewiesener Metastasierung ist eine solche ausgedehnte Resektion kaum zu rechtfertigen. Hier kann eine limitierte Resektion angezeigt sein.
Rekonstruktion
Für die Rekonstruktion nach Magenresektion wird eine geeignete Jejunalschlinge ausgewählt, die eine optimale Durchblutung aufweisen sollte. Dazu wird in der Regel die 2. oder 3. Jejunalschlinge verwendet, die meistens eine gute Randarkade besitzt und gut gestielt werden kann, um eine spannungsfreie Anastomose herzustellen. Die Gefäßversorgung wird dazu unter Diaphanoskopie des Mesenteriums sichtbar gemacht und diejenigen Stammgefäße ausgewählt und markiert, die durchtrennt werden sollen. Sehr häufig wird nach Gastrektomie eine Rekonstruktion nach Roux-Y gewählt, d.h. es wird eine End-zu-Seit-Jejunojejunostomie ungefähr 50 cm vom oralen Ende angelegt. Diese lange Distanz zum oralen Ende soll einen alkalischen Reflux verhüten.
Jejunum-Interponat
Inwieweit statt der direkten Ösophagojejunostomie lieber eine ösophagoduodenale Interposition mit einem Jejunum-Interponat gewählt werden sollte, ist umstritten. Wenn eine Interposition angestrebt wird, dann wird ein 40 -45 cm langes Jejunalsegment ausgewählt und skelettiert. Der Dünndarm wird retrokolisch in das Magenbett gezogen und anastomosiert. Als klinische Vorteile einer bestehenden Duodenalpassage werden eine verbesserte Glucoseutilisation sowie Calcium- und Eisenresorption angesehen.
Pouch und Jejunoplicatio
Die Wahl der Rekonstruktion richtet sich nach der Prognose des Patienten, denn die aufwendigeren Rekonstruktionsverfahren offenbaren erst im längeren Beobachtungsverlauf ihre geringen Vorteile. Die Funktionen des Magens wie Reservoirfunktion, Zerkleinerung, verzögerte Entleerung und Refluxbarriere können von allen Rekonstruktionsverfahren nicht ersetzt werden. Von einigen Chirurgen wird ein Jejunal-Pouch mit einer Länge von ungefähr 15 cm angelegt, der noch mit einer Jejunoplicatio versehen werden kann, um die Anastomose zu decken. Eine sichere Barriere zur Verhütung des alkalischen Refluxes läßt sich dadurch aber nicht herstellen. Hierzu ist vielmehr auf eine ausreichende Distanz zwischen dem Ösophagus und der Roux-Y-Anastomose zu achten.
Komplikationen
Die postoperative Sterblichkeit nach Magenresektionen ist in den letzten Jahren sehr stark gesunken und beträgt je nach Selektionsgrad ein bis fünf Prozent wobei sie nach einer Gastrektomie auch heute noch höher ist als nach einer distalen Resektion (0–3 %). Gleiches gilt für die Komplikationsrate (20–40 %). Anastomoseninsuffizienzen und intraabdominelle Infektionen stehen ganz im Vordergrund. Nach einer Gastrektomie ist in ungefähr fünf bis acht Prozent aller Fälle mit einer Insuffizienz zu rechnen. Nach subtotalen Magenresektionen und einer Rekonstruktion nach Billroth-II sind Insuffizienzen seltener (1–3 %) als nach Billroth-I-Rekonstruktionen (3–5 %). Allerdings scheint auch das Ausmaß der Lymphadenektomie die Insuffizienzrate nach einer distalen Resektion deutlich zu erhöhen.
Pankreasfisteln
Eine Pankreasfistel nach Splenektomie oder Pankreasresektion kann häufig durch ein konservatives Vorgehen abheilen, wenn der Ductus pancreaticus nach proximal keine Stenose aufweist, der Pankreassaft somit leicht abfließen kann, und wenn die Fistel gut drainiert ist. Besteht postoperativ der Verdacht auf eine Pankreasfistel, dann wird der Amylasegehalt des Drainagesekretes bestimmt. Ist der Gehalt hoch, dann sollte die Drainage nicht entfernt werden. Einige Chirurgen empfehlen nach Splenektomie und Pankreasresektion die Bestimmung des Amylasegehaltes aus der Drainageflüssigkeit am dritten und fünften postoperativen Tag, um eine Fistel auszuschließen. Wenn die Pankreasfistel gut drainiert ist, dann sollte die Drainage für mindestens 14 Tage belassen bleiben, damit sich ein stabiler Fistelkanal ausbilden kann. Die Drainage kann dann langsam gekürzt werden. Regelmäßige sonographische Untersuchungen sollten bestätigen, dass kein Verhalt besteht. Ein plötzliches Sistieren einer Fistel kann sowohl auf eine Ausheilung als auch eine Ableitungsstörung mit Verhalt hindeuten. Regelmäßige klinische und sonographische Untersuchungen werden rasch klären, ob nicht in Wirklichkeit eine unvollständige Fistelableitung vorliegt.
Splenektomie
Nach einer Splenektomie können ebenfalls Pankreasfisteln auftreten, wenn das Pankreas unbeabsichtigt verletzt wurde oder wenn die Durchblutung im Schwanzbereich gestört ist. Wenn beabsichtigt wird, die Milz mit der A. lienalis zu resezieren, dann sollte die A. lienalis erst distal des Abgangs der A. pancreatica dorsalis ligiert werden. Bei einer proximaler Ligatur kann die Durchblutung über kollaterale Gefäße im Pankreasparenchym zu gering sein, um den Pankreasschwanz ausreichend mit Blut zu versorgen.