Magenkarzinom – Diagnose
Gutartige Tumoren des Magens sind selten. Treten singuläre oder multiple Adenome im Magen auf, so sollten sie unbedingt entfernt werden, weil sie wie im Kolon obligate Präkanzerosen darstellen. Maligne Tumoren sind im Magen sehr viel häufiger, wobei das Magenkarzinom am häufigsten ist gefolgt von Lymphomen und Stromatumoren.
Epidemiologie
Die jährliche Inzidenz des Magenkarzinoms nimmt in den letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich ab. Als wichtigste Risikofaktoren für ein distales Karzinom gelten die Infektion mit Helicobacter pylori (6faches Risiko) und die chronisch-atrophische Gastritis (5,7faches Risiko). Andere Risikofaktoren sind Alter, ein niedriger sozialer Status, eine intestinale Metaplasie, Adenome, frühere Ulcera, frühere Magenteilresektion, N-Nitroso-Verbindungen, Rauchen, Blutgruppe A und eine positive Familienanamnese. Für proximale Karzinome gelten Übergewicht und eine gastroösophageale Refluxkrankheit als Risikofaktoren.
Tumorstadien
Magenkarzinome werden traditionellerweise in Frühkarzinome und fortgeschrittene Karzinome eingeteilt. Diese verschiedenen Karzinome sind keine unterschiedlichen Entitäten, sondern sie haben nur unterschiedliche Prognosen. Beim Frühkarzinom handelt es sich um ein T1-Karzinom, das auf die Mukosa und Submukosa beschränkt ist, wobei der Lymphknotenstatus bei dieser Einteilung unberücksichtigt bleibt. Es wäre wünschenswert, diese Unterscheidung abzuschaffen und die Karzinome ausschließlich nach dem TNM-System einzuteilen. Bei der TNM-Klassifikation ist zu berücksichtigen, dass nicht mehr die Entfernung des Lymphknotens vom Tumor, sondern die Anzahl der Lymphknotenmetastasen relevant ist.
Screening-Gastroskopie
Eine Gastroskopie im Rahmen eines Screening-Programms ist bei uns bisher nicht etabliert, weil die Inzidenz des Magenkarzinoms gering ist. Eine Gastroskopie wird erst bei Alarmsymptomen wie Gewichtsabnahme, Dysphagie, Erbrechen, Anämie oder Appetitlosigkeit empfohlen, wobei die Tumoren in diesen Fällen bereits fortgeschritten sind. Es gibt keine serologischen Laborwerte, die zum Screening geeignet sind.
Lokalisation
Während das Magenkarzinom früher eher im distalen Abschnitt auftrat, ist eine Zunahme von proximalen Karzinomen auffällig, ohne dass diese Erscheinung eindeutig und monokausal erklärt werden kann. Möglicherweise unterliegen die Tumoren in den unterschiedlichen Abschnitten auch einer unterschiedlichen Ätiologie, weil sie sich in ihrem Altersgipfel, der Geschlechts- und soziologischen Verteilung unterscheiden. Die Abnahme des Helicobacter pylori wird als ein möglicher kausaler Faktor angesehen, dass das distale Karzinom abnimmt.
Laurén-Klassifikation
Histologisch handelt es sich bei Magenkarzinomen fast ausschließlich um Adenokarzinome (90 %), die in papilläre, tubuläre, muzinöse und Siegelringkarzinome (ca. 10 %) eingeteilt werden, wobei die letzteren eine besonders schlechte Prognose aufweisen. Im klinischen Alltag wird die Laurén-Klassifikation dazu verwendet, über das Ausmaß der Resektion zu entscheiden. Lauren unterschied histologisch zwischen Tumoren vom intestinalen und vom diffusen Typ. Intestinale Tumore zeigen drüsenähnliche Zellverbände, sind gut zum Nachbargewebe abgrenzbar, metastasieren häufiger hämatogen und haben eine günstigere Prognose. Ein Sicherheitsabstand von 5 cm wird als ausreichend erachtet. Diffuse Karzinome sind dagegen schlechter abgrenzbar zum angrenzenden Gewebe, weisen eher ein infiltrierenden Charakter auf und neigen zur Peritonealkarzinose mit einer schlechteren Prognose. Deshalb wird bei diesen Tumoren ein Abstand von 8 cm empfohlen.
TNM-Klassifikation
Das T-Stadium entspricht der Tiefenausdehnung des Tumors.
T1-Stadium | Infiltration der Lamina propria (a) oder der Submukosa (b) |
T2-Stadium | Infiltration der Muskularis propria |
T3-Stadium | Infiltration der Subserosa |
T4-Stadium | Infiltration viszerales Peritoneum (a) oder anderer Organe (b) |
Das N-Stadium entspricht der Ausbreitung entlang der Lymphknoten.
N0-Stadium | Keine Lymphknotenmetastasen |
N1-Stadium | Metastasen in 1-2 regionären Lymphknoten |
N2-Stadium | Metastasen in 3-6 regionären Lymphknoten |
N3-Stadium | Metastasen in 7-15 regionären Lymphknoten (a) oder mehr als 15 (b) |
Das M-Stadium entspricht der Fernmetastasierung.
M0-Stadium | Keine Fernmetastasen |
M1-Stadium | Fernmetastasen |
Spezielle Gegebenheiten werden in der TNM-Formel durch Suffixe angegeben:
c – Klinisches Stadium
p – histologisch gesichertes Stadium
y – Stadium während oder nach onkologischer Vorbehandlung
r – Stadium eines Rezidivtumors
m – multifokale Läsionen
Prognose
Für die Prognose nach einer R0-Resektion sind die Tiefeninfiltration, regionale Lymphknotenmetastierung und Fernmetastasierung von ausschlaggebender Bedeutung. Die meisten Karzinome sind zum Zeitpunkt ihrer Diagnose bereits fortgeschritten und weisen Lymphknotenmetastasen auf. Dabei folgt die lymphatische Metastasierung dem Lymphstrom und richtet sich nach der Lokalisation des Tumors, so dass für unterschiedliche Tumorlokalisationen auch verschiedene Lymphknotenstationen relevant sind.
Wahrscheinlichkeit von Lymphknotenmetastasen in Abhängigkeit vom T-Stadium
T1a | Muscularis mucosae | 4–5 % |
T1b | Submukosa | 15-20 % |
T2 | Muscularis propria | 45-50 % |
T3 | Subserosa | 65-70 % |
T4a | Serosa | 75-80 % |
T4b | Andere Organe | 90-95 % |
Lymphknotenmetastasierung
Die Wahrscheinlichkeit einer lymphatischen Metastasierung steigt mit der Tiefenausdehnung des Tumors. Zuerst werden die tumornahen Lymphknoten am Magen befallen und danach die weiter entfernten. Bei einem Magenfrühkarzinom, bei dem lediglich die Mukosa infiltriert wurde, sind Lymphknotenmetastasen selten (<5 %). Bei einer Infiltration der Muscularis propria beträgt sie dagegen bereits 50 Prozent und umfasst nicht nur die Lymphknoten im Kompartiment I, sondern in ungefähr 25 Prozent der Fälle auch das Kompartiment II. Bei einer Infiltration der Subserosa finden sich im Kompartiment II bereits in 40 Prozent der Fälle Lymphknotenmetastasen. Ist sogar das Kompartiment III befallen, dann entspricht dies nach der TNM-Klassifikation bereits einer Fernmetastasierung (MLymph) mit besonders schlechter Prognose.
Lymphadenektomie
Da die meisten Magenkarzinome bereits in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert werden, wird generell eine Resektion des zweiten Kompartiments empfohlen, d.h. eine so genannte D2-Lymphadenektomie, um die befallenen Lymphknoten in diesem Kompartiment zu entfernen. Wird bei der Resektion lediglich das Kompartiment I entfernt, das bei jeder Gastrektomie automatisch beseitigt wird, dann entspricht dies einer D1-Lymphadenektomie.
Inwieweit eine D2-Lymphadenektomie zur optimalen operativen Therapie aber tatsächlich erforderlich ist, bleibt weiterhin umstritten. In den der deutschen Leitlinie wird sie empfohlen, obgleich die Datenlage dagegen spricht. Während nicht-kontrollierte Studien oder Vergleiche mit historischen Kollektiven eine Überlegenheit der D2-Lymphadenektomie im Vergleich zur D1-Lymphadenektomie vermuten lassen, konnte diese Annahme in mehreren multizentrischen kontrollierten Studien nicht bestätigt werden. Es scheint nach der Datenlage theoretisch denkbar, dass Patienten mit einem Stadium II oder IIIa von der ausgedehnteren Lymphadenektomie profitieren könnten. Da präoperativ das definitive Stadium nicht sicher vorhergesagt werden kann, führen viele Chirurgen weiterhin bei allen Patienten eine D2-Lymphadenektomie durch, wobei sich die Sterblichkeit aber nicht erhöhen darf, weil die Überlebensvorteile durch eine D2-Lymphadenektomie so gering sind, dass sie sonst durch eine deutliche erhöhte postoperative Sterblichkeit wieder aufgewogen würden.
Klinik
Bei einem frühen Karzinom sind die Beschwerden unspezifisch und ähneln dem bei einem kleinen Ulkus. Erst fortgeschrittene Tumore verursachen ausgeprägte Symptome (Stenose oder Blutung).
Diagnostik
Vor der endgültigen Operationsplanung werden die relevanten Begleiterkrankungen und das klinische Tumorstadium ermittelt. Dazu ist neben dem Abdomen- und Thorax-CT auch eine Endoskopie mit Spezifikation der Lokalisation, Größe, und Histologie und Endosonographie erforderlich. Mit der Endosonographie kann die Größe und das T-Stadium relativ verlässlich bestimmt werden und sie gibt auch Hinweise auf Lymphknotenveränderungen. Vor jeder kurativen Operation sollte die Endosonographie zur Therapieplanung hernagezogen werden. Mit der Computertomographie wird nach Hinweisen einer weiteren Metastasierung, Infiltration in andere Organe oder Peritonealkarzinose gesucht. In unklaren Situationen kann ein MRT oder sogar ein PET-CT hilfreich sein.