Ösophagus – maligne Tumoren
Klinik und Diagnostik
Maligne Ösophagustumore sind Plattenepithelkarzinome, die ulzerös und wandinfiltrierend wachsen, oder Adenokarzinome, die meistens im distalen Ösophagus auftreten, mehr polypös imponieren und in jüngster Zeit zunehmen. Kardiakarzinome sind in der aktuellen TNM-Klassifikation nicht mehr vorgesehen. Sie werden entweder als Ösophagus- oder als Magenkarzinom klassifiziert. Hier werden primär die Plattenepithelkarzinome der Speiseröhre besprochen. Das Vorgehen bei Adenokarzinomen wird beim Magenkarzinom vorgestellt.
Das T-Stadium entspricht der Tiefenausdehnung des Tumors.
T1-Stadium | Infiltration der Lamina propria (a) oder der Submukosa (b) |
T2-Stadium | Infiltration der Muskularis propria |
T3-Stadium | Infiltration der Adventitia |
T4-Stadium | Infiltration von Pleura, Perikard, Peritoneum (a) oder anderer Organe (b) |
Das N-Stadium entspricht der Ausbreitung entlang der Lymphknoten.
N0-Stadium | Keine Lymphknotenmetastasen |
N1-Stadium | Metastasen in 1-2 regionären Lymphknoten |
N2-Stadium | Metastasen in 3-6 regionären Lymphknoten |
N3-Stadium | Metastasen in mehr als 6 Lymphknoten |
Das M-Stadium entspricht der Fernmetastasierung.
M0-Stadium | Keine Fernmetastasen |
M1-Stadium | Fernmetastasen |
Spezielle Gegebenheiten werden in der TNM-Formel durch Suffixe angegeben:
c – Klinisches Stadium
p – histologisch gesichertes Stadium
y – Stadium während oder nach onkologischer Vorbehandlung
r – Stadium eines Rezidivtumors
m – multifokale Läsionen
Die Plattenepithelkarzinome sind zum Zeitpunkt der Diagnose meistens schon fortgeschritten und nur noch selten auf die Submukosa beschränkt (10–15 %). In mehr als der Hälfte liegen bereits Lymphknotenmetastasen vor, was die Prognose deutlich verschlechtert.
Lokalisation
Malignome des Ösophagus werden aus praktischen Erwägungen in zwei Gruppen eingeteilt: Tumoren ober- und unterhalb der Trachealbifurkation. Die Tumoren oberhalb der Bifurkation sind aufgrund ihrer engen Lokalisation zur Trachea und den großen Gefäßen sehr früh inoperabel und metastasieren lymphogen bevorzugt nach kranial. Tumoren unterhalb der Bifurkation sind dagegen technisch leichter zu resezieren und metastasieren häufiger nach kaudal.
Klinik
Die Patienten mit Ösophaguskarzinomen klagen sehr häufig über eine Dysphagie und retrosternale Schmerzen, wobei es sich hierbei bereits um Zeichen des fortgeschrittenen Tumors handelt. Ein Gewichtsverlust ist ebenfalls häufig. Bei Patienten in der 5. und 6. Lebensdekade mit Alkohol- oder Nikotinabusus und einer Dysphagie sollte ein Ösophagusmalignom definitiv ausgeschlossen werden.
Diagnostik
Die Endoskopie klärt den Verdacht, sichert die Diagnose und lokalisiert den Tumor (15 cm OÖS, 25 cm Bifurkation, 40–45 cm UÖS). Das präoperative Staging wird mit einem Thorax- und Oberbauch-CT ergänzt, die über die Infiltrationstiefe und Größe des Tumors, Lymphknoten- und Fernmetastasierung Aufschluss geben. Besteht der Verdacht auf eine Beteiligung des Tracheobronchialsystems, dann ist eine Bronchoskopie erforderlich.
Therapie
Operationsvorbereitung
Vor einer Ösophagektomie sollten die kardialen, pulmonalen und hepatischen Risiken sorgfältig abgeklärt werden, weil die meisten Patienten aufgrund des fast immer nachweisbaren Alkohol- und Nikotinabusus gravierende Nebenerkrankungen aufweisen können, die den postoperativen Verlauf maßgeblich beeinflussen. Bei nicht wenigen Patienten findet sich zusätzlich eine eingeschränkte Leberfunktion bzw. Leberzirrhose. Sollten die Patienten mangelernährt sein, dann ist eine präoperative parenterale Ernährung für mindestens zehn bis 14 Tage angezeigt.
Operationsindikationen
Bei der Festlegung der Therapie sollte die Gesamtprognose des Patienten berücksichtigt werden, die vom Stadium des Tumors abhängt. In palliativen Situationen, bei Fernmetastasen und technischer Inoperabilität, beträgt die mediane Überlebenszeit wenige Monate. Hier kann zur lokalen Tumorkontrolle eine Bestrahlung sinnvoll sein. Manchmal kann die Passage durch Lasertherapie oder Stents über längere Zeit aufrechterhalten werden. Eine aggressive Therapie ist bei der kurzen Lebenserwartung nur unter Berücksichtigung der Lebensqualität indiziert. In kurativer Absicht wird die Ösophagektomie angestrebt, weil sie die lokale Kontrolle erbringt. Kontraindikationen zur Operation sind Tumoreinbrüche in das Tracheobronchialsystem, Leberzirrhose, pulmonale, kardiale oder renale Insuffizienz.
Multimodale Therapien
Der Stellenwert von adjuvanten und neoadjuvanten Therapien ist im stetigen Fluss und Gegenstand vieler Studien. Alle Patienten sollten in einer Tumorkonferenz besprochen werden, weil nur die wenigsten Patienten ausschließlich chirurgisch behandelt werden. Bei frühen Befunden (T1/T2-Tumore) wird man eher direkt operieren wollen. Fortgeschrittene, resektable Befunde (T3/T4) mit oder ohne Lymphknotenmetastasen werden einer neoadjuvant Radiochemotherapie zugeführt. Einige Kliniken setzen dazu regelmäßig das PET-CT ein, um die Reaktion auf die neoadjuvante Therapie abzuschätzen. Sollte der Tumor nämlich nicht darauf reagieren, könnte frühzeitig die Indikation zur Operation gestellt werden. „Verschwindet“ dagegen der Tumor vollständig, dann könnte man auf die Resektion sogar verzichten und eine definitive Radiochemotherapie einleiten. Es darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass bei fortgeschrittenen Befunden die definitive Radiochemotherapie zu denselben Überlebensraten führt wie die Resektion. Allerdings treten nach der ausschließlichen Bestrahlung sehr viel häufiger lokale Probleme wie Stenosen auf. In palliativer Situation ist bereits primär die definitive Radiochemotherapie angezeigt.
Operation
Als Operationsverfahren hat sich sowohl die transthorakale Ösophagektomie als auch die stumpfe transhiatale Ösophagektomie mit Magenhochzug etabliert. Während bei beiden Eingriffen der abdominelle und zervikale Abschnitt der Operation identisch ist, wird die eigentliche Ösophagektomie unterschiedlich vorgenommen. Beim stumpfen transhiatalen Vorgehen wird der Hiatus oesophageus erweitert und der Ösophagus aus dem periösophagealen Gewebe gelöst und heraus gestrippt, gefolgt von einer Lymphadenektomie des hinteren Mediastinums. Beim transthorakalen Vorgehen wird über eine rechtsseitige Thorakotomie der Ösophagus entfernt und eine Lymphadenektomie unterschiedlichen Ausmaßes vorgenommen. Bei beiden Verfahren wird die Passage durch einen Magenhochzug rekonstruiert. Bei allen Tumoren oberhalb der Bifurkation ist ein transthorakales Vorgehen indiziert, wobei mit der Thorakotomie nur dann begonnen wird, wenn kein Verdacht auf Fernmetastasen oder Lymphknotenmetastasen am Truncus coeliacus bestehen. Eine Koloninterposition ist nur angezeigt, wenn aus anatomischen Gründen oder Voroperationen ein Magenhochzug nicht in Betracht kommt.
Stumpfe Dissektion
Bei der transhiatalen stumpfen Ösophagusdissektion wird immer mit dem abdominellen Teil begonnen. Als Zugang wird eine mediane oder quere Oberbauchlaparotomie gewählt. Das Lig. gastrocolicum wird aufgesucht und entlang der großen Kurvatur des Magens durchtrennt. Die Arkade der A. und V. gastroepiploica dextra muß unbedingt erhalten bleiben, um die Durchblutung des Schlauchmagens nicht zu kompromittieren. Die Aa. gastricae brevae werden ligiert. Danach wird die Kardia aufgesucht und der Ösophagus angeschlungen. Das kleine Netz wird entlang der Leber durchtrennt und die A. und V. gastrica sinistra ligiert. Der Ösophagus wird nun an der Kardia abgesetzt. Die kleine Kurvatur des Magens wird mit mehreren Klammernahtgeräten reseziert und damit der Schlauchmagen angefertigt. Die Klammernahtreihe kann zur Sicherheit übernäht werden. Die Lymphknoten am Truncus coeliacus werden sorgfältig disseziert. Der Hiatus oesophageus wird erweitert, indem die Zwerchfellschenkel durchtrennt werden. Der Ösophagus kann dann transhiatal gut bis zu Bifurkation mobilisiert werden. Über einen J-förmigen Schnitt am Vorderrand des Sternocleidomastoideus wird wie beim Zenker-Divertikel der Ösophagus freigelegt und zirkulär stumpf bis in die obere Thoraxapertur mobilisiert. Ein Venenstripper wird eingebracht und der Ösophagus nach abdominal gestrippt. Nach einer transhiatalen Blutstillung und mediastinalen Lymphadenektomie wird der Schlauchmagen durch das Ösophagusbett nach zervikal gezogen und dort anastomosiert.
Transthorakale Resektion
Beim transthorakalen Vorgehen werden zwei unterschiedliche Konzepte realisiert. Beim ersten Vorgehen wird in der Regel mit einer rechtsseitigen posterolateralen Thorakotomie begonnen, wenn kein Verdacht auf Fernmetastasen besteht. Um eine gute Übersichtlichkeit zu gewinnen, sollte der Patient über einen Doppellumentubus beatmetet werden. Nachdem das Lig. pulmonale durchtrennt wurde, wird die Pleura mediastinalis beidseits des Ösophagus inzidiert. Die V. azygos wird beidseits des Ösophagus durchtrennt und der Ösophagus kranial und kaudal des Tumors zirkulär mobilisiert. Der Tumor wird vorsichtig ausgelöst und alle tumorverdächtigen mediastinalen Lymphknoten entfernt. Meistens finden sich 2–3 kleinere Arterien, die in Höhe der Bifurkation aus der Aorta entspringen und durch Ligatur versorgt werden. Der Ductus thoracicus sollte aufgesucht und sicher unterbunden werden, um einem postoperativen Chylothorax vorzubeugen. Das weitere abdominelle und zervikale Vorgehen entspricht dem oben beschriebenen Vorgehen. Beim zweiten Vorgehen wird mit einer Laparotomie begonnen und eine anteriore Thorakotomie angeschlossen, ohne den Patienten umzulagern. Die Anastomose wird hoch intrathorakal angelegt.
Koloninterposition
Wenn ein Magenhochzug nicht möglich ist, wie bei einem voroperierten Magen, dann wird eine Koloninterposition erwogen. Bevorzugt wird das linke Kolon, aber auch das rechte Kolon kann verwendet werden. Eine präoperative angiographische Untersuchung ist in der Regel nicht erforderlich.
Lymphadenektomie
Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, ob eine ausgedehnte Lymphadenektomie der zervikalen, mediastinalen und abdominalen Lymphknoten bei allen Ösophagusresektionen sinnvoll ist. In der Literatur werden die Begriffe 2- und 3-Feld-Lymphadenektomie verwendet. Bei der 2-Feld-Lymphadenektomie werden die abdominellen Lymphknoten um den Truncus coeliacus und die im Mediastinum entfernt. Bei der 3-Feld-Lymphadenektomie werden zusätzlich die zervikalen Lymphknoten reseziert. Das Ausmaß der mediastinalen Lymphadenektomie betrifft bei der Standard-Lymphadenektomie nur das untere hintere Mediastinum, bei der erweiterten Lymphadenektomie auch die rechtsseitigen paratrachealen Lymphknoten und bei der totalen mediastinalen Lymphadenektomie die rechts- und linksseitigen paratrachealen Lymphknoten.
Postoperative Therapie
Komplikationen
Intraoperative Komplikationen wie Blutungen aus der Milz, V. azygos oder Aorta oder sogar Verletzungen des Tracheobronchialsystems sind selten. Postoperativ treten häufig pulmonale Komplikationen (Atelektasen, Pneumonie, respiratorische Insuffizienz) auf, deren exakte Genese nicht eindeutig geklärt ist. Eine Rekurrensparese kann die Situation verschlimmern. Ein intensives Monitoring des Herz-Kreislaufsystems und Volumenhaushaltes ist in den ersten postoperativen Tagen notwendig. Postoperative Nachblutungen und ein Chylothorax sind selten.
Chylothorax
Eine Verletzung des Ductus thoracicus (DT) führt zu einem Chylothorax. Man kann ihn bereits am ersten postoperativen Tag vermuten, wenn eine Thoraxdrainage mehr fördert als gewöhnlich. Bewiesen wird der Chylothorax, indem dem Patienten eine fettreiche Nährlösung angeboten wird. Bereits einige Stunden später wird das Sekret milchig. Ist der Befund nicht eindeutig, könnten die Triglyceride im Sekret bestimmt werden, die bei einem Chylothorax deutlich höher sind als im Plasma. Da im Chylus wichtige Proteine, Fette und Immunglobuline transportiert werden, ist eine effektive Behandlung lebenswichtig. Ein konservativer Behandlungsversuch kann bei Sekretionsmengen unter 1500 ml pro Tage erwogen werden. Er umfasst die parenterale Ernährung und eventuell die Gabe von mittelkettigen Triglyceriden, die nicht über den DT, sondern direkt über die V. portae aufgenommen werden. Ungefähr die Hälfte kleinerer Defekte verschließen sich innerhalb von zwei Wochen. Wird ein kleiner persistierender Defekt vermutet, sollte die Lymphographie mit öligen Kontrastmittel versucht werden. Dabei wird die Diagnose bestätigt und möglicherweise die Öffnung verklebt. Eventuell könnten auch Coils oder Gewebekleber verwendet werden. Beträgt die Sekretion über 1,5 l pro Tag, dann ist eine zügige operative Revision erforderlich. Über eine Magensonde sollte eine sehr fettreiche Lösung (z.B. Sahne) appliziert werden. Nach einigen Stunden kann die Fistel durch den Austritt milchiger Sekretion identifiziert werden. Methylenblau sollte auf keinen Fall verwendet werden. Der DT wird beidseitig mit dem umgebenden Gewebe umstochen und eine Drainage eingelegt.
Anastomoseninsuffizienz
Die häufigste chirurgische Komplikation ist eine Anastomoseninsuffizienz, die bei zervikalen Anastomosen durch ein sofortiges Eröffnen der Halswunde mit adäquater Drainage gut therapierbar ist. Diese Insuffizienzen heilen meist nach einigen Wochen spontan aus. Gefährlich sind alle zervikalen Insuffizienzen, die sich einen Weg in das Mediastinum gebahnt haben, oder Insuffizienzen intrathorakaler Anastomosen. Hier ist eine unverzügliche Intervention unerlässlich, um die hohe Mortalität durch die Mediastinitis zu vermindern. Sollte der Schlauchmagen massive Durchblutungsstörungen aufweisen, dann wird er entfernt, zervikal eine Speichelfistel angelegt und abdominell der Gastrointestinaltrakt verschlossen. Später kann die Passage durch ein Koloninterponat wieder hergestellt werden.
Nachbehandlung
Die Prognose beim Plattenepithelkarzinom ist generell schlecht. Die 5-Jahres-Überlebensraten betragen bei R0-Resektionen im Durchschnitt 20 bis 35 Prozent bei einer Klinikletalität von unter zehn Prozent. Wenn Lymphknotenmetastasen nachweisbar sind, liegen die 5-Jahres-Überlebensraten unter 20 Prozent. Wenn noch keine Lymphknotenmetastasen vorliegen, bei 40 bis 50 Prozent. In den UICC-Stadien III und IV liegt das mediane Überleben sogar deutlich unter einem Jahr. Aufgrund der dürftigen Ergebnisse und des häufig fortgeschrittenen Befundes liegt es nahe, die Operation in ein multimodales Behandlungskonzept zu integrieren.