Gastroösophageale Refluxkrankheit

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Die wichtigste funktionelle Erkrankung des Ösophagus ist die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD), die durch einen pathologischen Reflux von Magensaft in den distalen Ösophagus hervorgerufen wird. Da sich der UÖS auch beim Gesunden wiederholt relaxiert, ist ein Reflux von Magensaft in den distalen Ösophagus als physiologisch anzusehen. Durch den regelmäßigen Speichelfluss wird der Magensaft unter normalen Bedingungen wieder rasch aus dem Ösophagus ausgewaschen, bevor er seine toxische Wirkung auf das Plattenepithel entfalten kann. Dieser physiologische Ablauf kann auf vierfache Weise gestört werden: 1. Indem der Speichelfluss zu gering ist (z.B. Sicca-Syndrom), 2. indem die Ösophagusmotilität zu schwach ist (z.B. Sklerodermie), 3. indem der UÖS keine ausreichende Barrierefunktion aufbaut (z.B. Sphinkterinsuffizienz) oder 4. indem aufgrund einer Magenerkrankung zu viel Magensaft im Magen ist (z.B. Magenausgangsstenose).

Ursachen der Refluxkrankheit
Zu wenig Speichelfluss
Zu schwache Ösophagusmotilität
Zu schwacher unterer Ösophagussphinkter
Zu viel Magensaft

Ursachen der GERD

Definiton

Ein GERD liegt vor, wenn organische Komplikationen drohen oder das Wohlbefinden eingeschränkt ist. Sie wird als wahrscheinlich angesehen, wenn der Reflux mindestens ein- bis zweimal pro Woche symptomatisch wird. Durch den Begriff „GERD“ wird eine nicht-erosive (NERD) und erosive (ERD) Refluxkrankheit zusammengefasst.

Axiale Hiatushernie

Obgleich alle genannten Faktoren für eine Refluxkrankheit verantwortlich sein können, ist die häufigste Ursache eine relative Insuffizienz des UÖS, die häufig mit einer axialen Hiatushernie kombiniert ist. Die axiale Hiatushernie scheint dabei die Sphinkterinsuffizienz in ihrer Ausprägung zu begünstigen, denn es gibt kaum einen Patienten der eine Refluxkrankheit ohne Hiatushernie hat. Es gibt aber auch Patienten mit axialer Hiatushernie ohne pathologischen Reflux, so dass eine axiale Hiatushernie allein nicht für die Refluxkrankheit verantwortlich ist.

Der UÖS befindet sich an der Kardia, die definiert ist als der Übergang der zweischichtigen Ösophagusmuskulatur zur dreischichtigen Magenmuskulatur. Da der Übergang vom Plattenepithel des Ösophagus zum Zylinderepithel des Magens sehr variabel ist, kann von ihrer endoskopischen Lokalisation nicht auf die der Kardia geschlossen werden. An der Kardia befindet sich die entscheidende muskuläre Struktur für einen suffizienten Verschluss des distalen Ösophagus bzw. Mageneinganges. Dabei zeichnet sich eine kompetente Kardia nicht nur durch einen ausreichend hohen manometrischen Ruhedruck aus, der zwischen 15–20 mmHg liegt, sondern auch durch die Länge der Hochdruckzone (ca. 3 cm) und ihrer abdominellen Lage (mindestens 2 cm). Alle drei genannten Faktoren sind an der kompetenten Verschlusskraft beteiligt. Von einer Inkompetenz des UÖS ist dann auszugehen, wenn der Druck weniger als 5 mmHg, die Gesamtlänge weniger als 2 cm und die intraabdominelle Länge weniger als 1 cm betragen.

Suffizienter unterer Ösophagussphinkter
Ruhedruck von 15-20 mmHg
Länge der Hochdruckzone
Abdominelle Lage von mindestens 2 cm

Die Prävalenz von Refluxsymptomen beträgt ca. 30-40 Prozent und die einer endoskopisch nachgewiesenen erosiven Ösophagitis ca. 10-15 Prozent, ohne dass Geschlechtsunterschiede vorliegen.

Refluxverschlimmerung

Nikotin, Alkohol, fettreiche Speisen oder Anticholinergika können den Sphinktertonus zwar zusätzlich abschwächen, aber ihr Einfluss ist sehr gering. Ein erhöhter abdomineller Druck bei einer Adipositas, Obstipation, Schwangerschaft oder Aszites verstärken den Reflux, was sich besonders nach einer ausgiebigen Mahlzeit oder Luftfüllung des Magens bemerkbar macht, denn dann wird durch den erhöhten Druck im Magen der UÖS leichter überwunden. Übergewicht ist mit Abstand der bedeutendste Risikofaktor einer GERD.

Klinik

Die meisten Patienten klagen über „untere“ Refluxsymptome wie Sodbrennen, Aufstoßen, epigastrische und retrosternale Schmerzen, und selten über Schmerzen beim Schlucken (Odynophagie). Bei anderen Patienten stehen „obere“ Refluxsymptome im Vordergrund: Regurgitation, Heiserkeit, Brennen im Rachen, Reizhusten und bronchopulmonale Erkrankungen. Manche Patienten können nicht mehr im Liegen Schlafen und müssen dauerhaft mit einem erhöhten Oberkörper liegen. Vielfach ist die Lebensqualität durch die Refluxkrankheit massiv eingeschränkt. Bei einigen Patienten sind die Symptome (Dyspagie durch Motilitätsstörungen der Speiseröhre oder respiratorische Probleme) so unspezifisch, dass die Anamnese die Diagnose nicht offenbart. Die Schwere der Krankheit muss sich nicht in der Dauer und Art der Beschwerden widerspiegeln.

Diagnostik

Bei eindeutiger Anamnese ist bei allen Patienten mit GERD eine Indexendoskopie anzuraten, um das Ausmaß und die Komplikationen durch GERD zu erfassen und andere Erkrankungen auszuschließen. Endoskopisch können dabei Tumore, eine florierende Ösophagitis, Hiatushernie, peptische Stenose, Erkrankungen des Magens und Duodenums und eine Pylorusstenose erkannt werden. Insgesamt schreitet das Stadium meistens nicht voran, so dass weitere Endoskopien nicht erforderlich sind. Eine MDP ist bei eindeutigem Befund verzichtbar, lediglich bei einer paraösophagealen Hernie ist sie hilfreich. Um die Ösophagusmotilität und die Verschlusskraft des UÖS sicher zu beurteilen, könnte präoperativ eine Manometrie durchgeführt werden.

Endoskopie

Als Folge des pathologischen Refluxes entwickelt sich eine Schädigung der Schleimhaut, die sich klinisch als Sodbrennen äußert und endoskopisch als Refluxösophagitis unterschiedlichen Ausmaßes zeigt. Die Schleimhautdefekte können oberflächlich und diskret, aber auch tief ulzerös und konfluierend sein. Die Veränderungen werden am Besten nach der Los Angeles- oder MUSE-Klassifikation eingeteilt. Die Mukosa wird schneller und intensiver geschädigt, wenn zur Magensäure auch noch Dünndarmsäfte hinzutreten, so dass ein pathologischer duodenogastraler Reflux die entzündliche Reaktion dramatisch verschlimmern kann. Die Ösophagitis kann ad integrum heilen, sie kann den Ersatz des Plattenepithels des Ösophagus durch Zylinderepithel induzieren oder eine Narbe bzw. peptische Stenose verursachen. Biopsien sind routinemäßig auch nicht bei Erosionen, Erythem oder Schatzki-Ring erforderlich. Lediglich bei Verdacht auf ein Barrett-Ösophagus sollte biopsiert werden.

NERD

Von der typischen erosiven Refluxkrankheit (ERD) wird eine Refluxkrankheit unterschieden, die endoskopisch nicht erkennbar ist (NERD – non-erosive reflux disease), aber dieselben Beschwerden verursacht. In manchen Populationen umfassen sie bis zu 60 Prozent aller Patienten. Bei diesen Patienten wird meistens eine Probetherapie mit der 2-3fachen Dosis eines Protonenpumpenhemmer über 2 Wochen vorgenommen. Bessern sich durch die vollständige Säureblockade die Beschwerden deutlich, dann gilt dies als verlässlicher Hinweis für eine NERD.

pH-Metrie

Der Reflux kann durch eine pH-Metrie sicher nachgewiesen werden. Sie ist besonders dann angezeigt, wenn PPI nicht wirken. Dazu wird eine Sonde im distalen Ösophagus 5 cm oberhalb des Oberrandes des UÖS platziert und über 12 bis 24 Stunden der pH-Wert dokumentiert. Alle Refluxepisoden mit einer Abnahme des pH auf unter 4 werden ausgewertet und bei der Berechnung des De-Meester-Scores berücksichtigt. Dieser Score ist sehr gut validiert und verlässlich. Ein Wert von über 18 wird als eindeutig pathologisch angesehen. Besteht der Verdacht auf einen zusätzlichen duodenogastralen Reflux, so kann mit einer speziellen Sonde auch Gallensäure im distalen Ösophagus nachgewiesen werden.

Therapieoptionen

Die konservative Therapie umfasst primär die Beseitigung der Ursache und die Vermeidung der Noxen. Der Sphinktertonus sollte nicht zusätzlich geschwächt und eine verzögerte Magenentleerung vermieden werden. Am effektivsten wird die Magensäuresekretion durch Protonenpumpenhemmer (PPI) unterdrückt, die zunächst als Dauertherapie begonnen wird. Manchmal ist eine doppelte Dosis erforderlich. PPT sollten bevorzugt 15-30 Minuten vor dem Essen eingenommen werden. Manchmal ist es besser, die Dosis auf mehrere kleine Dosen zu verteilen. Mit den PPI ist die Refluxkrankheit konservativ sehr gut beherrscht und die Ösophagitis bildet sich innerhalb von vier bis acht Wochen zurück. Bei einigen Patienten ist dann eine On-demand-Gabe ausreichend. Zusätzlich kann die Speichelsekretion angeregt werden, um die Selbstreinigung zu verbessern.

Operationsindikation

Die Operationsindikation muss unter Berücksichtigung des individuellen Beschwerdebildes und der Operationsrisiken, der morphologischen Befunde und den Erwartungen des Patienten gestellt werden. Da eine effektive konservative Therapie mit den PPI verfügbar ist, wird die Operation befürwortet, wenn ein massiver Reflux bis in den Pharynx besteht, wenn die Symptome trotz konsequenter Einnahme eines PPI nach 12 Wochen persistieren oder rezidivieren, wenn die Dosis der Medikamente zur Beschwerdefreiheit erhöht werden muss oder wenn der Patient eine Dauereinnahme von Medikamenten ablehnt. Immer dann, wenn der Patient nicht auf die Einnahme der Protonenpumpenhemmer mit einer Besserung reagiert, sollte besonders intensiv auf andere Ursachen der Symptome geachtet werden. Diese Patienten müssen besonders sorgfältig darüber aufgeklärt werden, dass sie vielleicht auch nach der Operation noch Beschwerden haben werden. Besonders gute Resultate sind gerade bei denjenigen Patienten zu erwarten, die auch unter einer konservativen Therapie beschwerdefrei wurden.

Operation

Die Refluxoperation basiert auf Vermutungen, wie der UÖS als Barriere wirkt. Für diesen mechanischen Schutz werden folgende Mechanismen als konstitutiv angesehen: 1. die intraabdominelle Lage des Ösophagus, 2. der His-Winkel, 3. die Zwerchfellzwinge, 4. der angiomuskuläre Dehnverschluß. Für die Bedeutung jedes einzelnen Faktors gibt es gute Belege, so dass ein multifaktorieller Mechanismus vermutet wird.

Maßgeschneiderte Operation

Es sind gegenwärtig drei Konzepte zur operativen Behandlung der Refluxkrankheit verfügbar, die heute fast immer laparoskopisch realisiert werden. Nach dem ersten Konzept wird das Operationsverfahren in Abhängigkeit von einer eingehenden präoperativen Diagnostik maßgeschneidert. Eine 360°-Fundoplikatio nach Nissen mit oder ohne Durchtrennung der Aa. gastricae breves wird als optimales Verfahren angesehen, wenn keine Störung der tubulären Ösophagusmotilität vorliegt. Bei eingeschränkter Ösophagusmotilität besteht ein erhöhtes Risiko, eine postoperative Dysphagie zu erleiden, so dass in diesen Fällen eine Semifundoplikatio bevorzugt wird, die entweder anterior (Dor/Thal) oder posterior (Toupet) angelegt werden kann. Unabdingbare Voraussetzung für dieses Konzept ist die präoperative Manometrie. Nach dem zweiten Konzept wird bei allen Patienten eine Semifundoplikatio angelegt, so dass auf eine präoperative manometrische Diagnostik verzichtet werden kann. Bei beiden Konzepten wird bei erweitertem Hiatus oesophageus eine Hiatoplastik angelegt, um eine postoperative Herniation zu vermeiden. Nach dem dritten Konzept wird nicht versucht, den Reflux vollständig zu beseitigen, sondern nur, ihn zu verringern. Dazu wird eine Fundophrenicopexie angelegt.

Laparoskopische Fundoplikatio

Die laparoskopische Fundoplikatio nach Nissen wird heutzutage allgemein bevorzugt. Dabei wird als erstes das Peritoneum entlang des Oberrandes des Hiatus oesophageus inzidiert und beide Zwerchfellschenkel freipräpariert. Dabei sollte der vordere Vagus und sein R. hepaticus geschont werden. Der Ösophagus wird stumpf untertunnelt und angezügelt und der hintere Vagusstamm identifiziert. Immer wenn der Ösophagus verkürzt ist, sollte er zur besseren Mobilisation im Mediastinum über eine längere Distanz disseziert werden. Die Aa. gastricae breves können bei nicht ausreichender Mobilisationsfähigkeit des Fundus gefahrlos durchtrennt werden, um eine lockere 360-Grad-Fundoplikatio („floppy-Nissen“) anlegen zu können. Zunächst wird die hintere Hiatusplastik mit zwei bis drei nicht-resorbierbaren Nähten angelegt und die adäquate Weite des Hiatus optimal eingestellt, wenn im Ösophagus eine 52 Charr. dicke Sonde platziert ist. Zur Fundoplikatio wird die Fundushinterwand dorsal des Ösophagus hindurch gezogen. Wird der Fundusanteil losgelassen, dann sollte er keine Retraktionstendenz zeigen, wenn eine spannungsfreie Fundoplikatio möglich sein soll. Die Vorderwand des Fundus wird gefasst und die Fundusanteile anterior zusammengeführt. Dort wird eine lockere zwei bis drei Zentimeter lange Manschette mit zwei bis drei nicht-resorbierbaren Nähten angelegt. Mit der ersten Naht kann fakultativ zugleich die Vorderwand des Ösophagus gefasst werden, um ein späteres Hochgleiten der Manschette zu verhindern. Die Nähte durch den Magen und Ösophagus sollten immer eine adäquate Gewebemenge bzw. die gesamte Wand umfassen, damit sie nicht ausreißen.

Semifundoplikatio

Bei der hinteren Semifundoplikatio wird der Fundus dorsal durchgezogen und an beiden Seiten des Ösophagus mit nichtresorbierbaren Nähten fixiert. Zusätzlich wird der Fundus am Zwerchfell festgenäht. Die anteriore Semifundoplikatio ist technisch einfach. Bei ihr wird der Fundus ebenfalls an beiden Seiten des Ösophagus und dem Zwerchfell fixiert.

Fundophrenicopexie

Bei diesem Verfahren wird nur das Omentum minus inzidiert, um den rechten Zwerchfellschenkel zu sehen. Danach wird der Fundus über die Kardia gelegt und mit drei Nähten am rechten Zwerchfellschenkel fixiert. Da der Hiatus oesophagei nicht disseziert wird, können weder Verletzungen an der Speiseröhre noch am Vagus auftreten. Dysphagien oder Gas-Bloating wurden ebenfalls bisher nicht beobachtet.

Komplikationen

Auch wenn postoperative Komplikationen selten sind, wurde postoperativ über Ösophagus- oder Magenperforationen, Nachblutungen, Milzläsionen oder Pneumothorax berichtet. An diese wichtigen Komplikationen sollte der Chirurg unbedingt denken, wenn der postoperative Verlauf ungewöhnlich ist. Im weiteren Verlauf können Rezidive durch ausgerissene Nähte auftreten oder eine thorakale Hernie bei insuffizienter Hiatoplastik. Wurde der Vagus verletzt, treten die Symptome einer trunkulären Vagotomie auf. Des Weiteren klagen einige Patienten über Dysphagie bei zu enger Manschette oder bei Herniation durch die Manschette. Eine Dysphagie geringen Grades tritt relativ häufig auf, die aber im Laufe von Wochen verschwindet. Nur selten ist eine spätere Dilatation oder gar Reoperation erforderlich. Um das Risiko der postoperativen Dysphagie zu reduzieren, wird deshalb bei eingeschränkter Motilität des Ösophagus eine Semifundoplikatio statt einer Fundoplikatio empfohlen. Allerdings sind bis heute keine verlässlichen Kriterien verfügbar, um eine postoperative Dysphagie vorherzusagen. Beim seltenen Gas-Bloating-Syndrom können die Patienten nicht aufstoßen.

Komplikationen nach einer Fundoplikatio

Nachbehandlung

Es gibt keine spezielle Nachbehandlung der Erkrankungen am gastroösophagealen Übergang. Bei Persistenz der Beschwerden oder Dysphagie ist eine erneute Endoskopie angezeigt.

Kostaufbau

Der postoperative Kostaufbau ist bei allen Eingriffen am gastroösophagealen Übergang gleich. Bereits am 1. Tag kann der Patient flüssige Kost zu sich nehmen, wenn der Ösophagus nicht eröffnet wurde. Ab dem 2. Tag wird mit leichter Kost der Kostaufbau zügig fortgesetzt. Nur bei einer Naht des Ösophagus ist möglicherweise eine Passage mit wasserlöslichem Kontrastmittel am fünften postoperativen Tag sinnvoll, um eine Insuffizienz auszuschließen. Danach wird mit dem Kostaufbau begonnen.