Darmnaht
Bei vielen viszeralchirurgischen Eingriffen wird der Gastrointestinaltrakt eröffnet und wieder verschlossen. Es gibt keine einhellige Meinung über die optimale Darmnaht, was ein indirekter Hinweis für die Gleichwertigkeit mehrerer Verfahren ist. Allerdings sollten einige bewährte Prinzipien berücksichtigt werden, um einem Nahtbruch bzw. einer Insuffizienz vorzubeugen.
Wandschichten des Darmes
Auch wenn sich die histologische Zusammensetzung der einzelnen Wandschichten in verschiedenen Abschnitten des Gastrointestinaltraktes unterscheiden, zeigen sie überall denselben schichtweisen Aufbau. Innen die Mukosa, die den Organismus vor der Umwelt schützt, gefolgt von der bindegewebsreichen Submukosa, die Blutgefäße und Nerven enthält. Diese wird wiederum umhüllt von der Muskelschicht und schließlich von einer erneuten bindegewebigen Schicht oder der Serosa.
Haltekraft
Eine sorgfältige Adaptation der Mukosa ist zu empfehlen, weil sie sich relativ schnell regeneriert, so dass sie bei ungestörter Heilung bereits nach einigen Tagen den Darmtrakt von innen versiegelt. Die Serosa heilt ebenfalls sehr schnell, so dass bei vielen intestinalen Anastomosen angestrebt wird, dass sich Serosa an Serosa legt. Die Haltekraft der verschiedenen Wandschichten hängt hauptsächlich vom Kollagengehalt ab. Bezogen auf die gesamte Darmwand enthält die Submukosa ungefähr 80 % und die Serosa bzw. das adventitielle Bindegewebe ungefähr zehn Prozent des Kollagens. Sowohl die Mukosa als auch die Muskelschicht sind für eine Naht ungeeignet, denn sie enthalten wenig Kollagen und haben nur eine sehr geringe Haltekraft. Früher war der Begriff der seromuskulären Naht üblich, der aber missverständlich bzw. unvollständig ist, denn die wichtigste tragende Schicht, die Submukosa, ist darin nicht erwähnt. Ja, es wäre im Grunde sogar falsch, nur die Serosa und die Muskelschicht zu nähen.
Darmnaht
Eine optimale Darmnaht sollte die Mukosa und Serosa adaptieren und die Submukosa erfassen. Welche Technik dazu verwendet werden sollte, war und ist Gegenstand vielfältiger experimenteller und klinischer Studien und am Ende doch eher eine Frage der Schule und des persönlichen Geschmacks. Die meisten Nahttechniken, die heute angewendet werden, basieren auf den Techniken von Lembert oder Jobert, die allesamt die Darmwand in mehreren Schichten erfassen und einstülpen, so dass sich die Serosaflächen aneinander legen. Beide werden deshalb auch mehrschichtige einstülpende Nähte genannt.
Lembert-Naht
Die Lembert-Naht ist eine einstülpende Naht, die von außen nach innen gestochen wird, ohne die Mukosa zu penetrieren. Der Einstich wird in der Regel vier Millimeter vom Wundrand begonnen, fast senkrecht bis zur Mukosa vorgeführt und dann ein Millimeter vor dem Wundrand wieder ausgestochen. Mit der nötigen Erfahrung entwickelt der Operateur ein Gefühl dafür, ob er eine adäquate feste Gewebeschicht mit der Nadel gefasst hat. Dabei muss die Submukosa sicher gefasst werden. Wenn die Naht geknüpft wird, legen sich die Wandschichten einstülpend aneinander, so dass sich auch die Serosa adaptiert.

Lembertnaht

Lembertnaht
Jobert-Naht
Bei der Jobert-Naht wird die gesamte Darmwand zweimal vollständig durchstochen. Durch die Dochtwirkung des früher gebräuchlichen Nahtmaterials traten dadurch häufiger kleine Mikroabszesse in der Darmwand auf, die zu Heilungsproblemen bzw. Nahtinsuffizienzen führten. Deshalb wurde früher die Lembert-Naht bevorzugt. Heute wird die Jobert-Naht in der Modifikation nach Gambee häufiger verwendet, die eine sorgfältige Adaptation der Mukosa ermöglicht und mit dem monofilen Nahtmaterial unproblematisch ist. Es handelt sich dabei um eine typische Rückstichnaht.

Jobertnaht

Jobertnaht

Rückstichnaht am Darm – Gambeenaht
Präferenzen
Offen bleibt, ob der Gastrointestinaltrakt mit Einzelnähten oder einer fortlaufenden Naht bzw. ob er ein- oder mehrreihig verschlossen werden soll. Hier sind die persönlichen Erfahrungen und Präferenzen ausschlaggebend und eine allgemeinverbindliche Empfehlung nicht angebracht. Entscheidend ist das Resultat: die Naht bzw. Anastomose sollte dicht, gut durchgängig und gut durchblutet sein, und auch später nicht zu einer Stenose führen. Persönlich wird eine zweireihige fortlaufende Naht mit monofilem Material der Stärke 4-0 an Magen, Dünndarm, Kolon und Rektum bevorzugt. Die innere Naht wird als überwendliche Naht gestochen und die äußere nach Lembert. Nahtinsuffizienzen sind dabei selten. Bei schwierigen Befunden oder extremen Lumeninkongruenzen werden Einzelnähte bevorzugt. Die Stichabstände sollten untereinander drei bis fünf Millimeter betragen. Zu weite Abstände erhöhen die Gefahr der direkten Leckage und zu enge Stiche führen zu einer lokalen Ischämie mit nachfolgendem Nahtbruch.
Klammernähte
An der Speiseröhre und am Rektum werden zirkuläre Klammernahtanastomosen bevorzugt, die einfach und sicher angelegt werden können und keine Nachteile gegenüber handgenähten Anastomosen aufweisen. Sie werden intraoperativ immer mit Luft getestet und bei einer primären Insuffizienz übernäht oder neu angelegt.

Zirkuläre Anordnung der Klammernaht

Vollständige zirkuläre Klammernaht
Anastomosenheilung
Die Heilung der Darmwand entspricht den oben genannten Phasen. Sie wird durch die regelhafte Kontamination der Wundflächen gestört. Das direkte Operationsgebiet sollte unbedingt gesäubert sein, um die Keimbelastung in der Naht zu minimieren. Auch wenn die Dochtwirkung des modernen monofilen Nahtmaterials sehr gering ist, treten im Wundgebiet kleine Mikroabszesse auf, die bei zusätzlichen Störfaktoren zu einer Nahtinsuffizienz führen können. Nachdem die Anastomose fertiggestellt ist, ist sie in der Regel luftdicht und hält durch die Nähte einem relativ hohen Berstungsdruck stand. Mit der Resorption und Kollagenolyse in der frühen Phase der Heilung sinkt der Berstungsdruck und erreicht den niedrigsten Wert am dritten postoperativen Tag. Durch die zunehmende Kollagensynthese in der anabolen Phase und darauffolgenden Ausrichtung der Fasern in der reparativen Phase steigt der Berstungsdruck der Anastomose kontinuierlich an. Nach zwei bis drei Wochen werden ungefähr 80 % der Haltekraft erreicht.
Anastomoseninsuffizienz
Die typischen Anastomoseninsuffizienzen treten nur selten in den ersten postoperativen Tagen auf. Der Zeitraum vom 6. bis 10. postoperativen Tag ist besonders kritisch. Jede Temperaturerhöhung oder erneute abdominelle Beschwerden sind in dieser Phase bis zum Beweis des Gegenteils Ausdruck eines Nahtbruches. Alle früher genannten Störfaktoren der Wundheilung gefährden natürlich auch die Heilung einer intestinalen Anastomose. Gelegentlich wird man die ungestörte Heilung der Anastomose dadurch anstreben, dass der Darm durch ein protektives Stoma ausgeschaltet wird. Mit der Stomaanlage wird die Insuffizienzrate aber nicht vermindert, sondern eher erhöht. So treten bei tiefen kolorektalen Anastomosen ohne Stoma bei etwa fünf Prozent Insuffizienzen auf und bei Patienten mit vorgeschaltetem Stoma in ca. 15 %. Als Ursache wird vermutet, dass weniger Wachstumsfaktoren ausgeschüttet werden und sich weniger kurzkettige Fettsäuren im Kolon bilden, die der optimale Nährstoff für die Kolonozyten sind. Der Grund, dennoch ein Stoma zu bevorzugen, besteht in der direkten Folge der Anastomoseninsuffizienz. Erleidet der Patient mit einem Stoma eine Insuffizienz, dann sind die Folgen relativ blande. Häufig bildet sich nur ein präsakraler Abszess, der drainiert wird. Bei einem Nahtbruch ohne Stoma und stuhlgefülltem Darm tritt dagegen häufig eine lebensbedrohliche Peritonitis auf.