Schmerzen

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Da der chirurgische Eingriff direkt für die Schmerzen des Patienten verantwortlich ist, ist die perioperative Schmerztherapie eine genuin chirurgische Angelegenheit. Der Chirurg sollte sich umfangreiche Kenntnisse in der postoperativen Schmerztherapie aneignen, um seine Patienten adäquat behandeln zu können. Gelegentlich ist es allerdings sinnvoll, andere Fachdisziplinen beratend hinzuzuziehen.

Schmerz und Nozizeption

Der Schmerz ist ein bewusstes Erlebnis. Er ist definiert als eine elementare unangenehme Sinnesempfindung, die mit einer Gewebeschädigung einhergeht. Im Unterschied zum Schmerz verstehen wir unter Nozizeption die Aufnahme und Verarbeitung noxischer Reize im Gewebe. Noxische Reize sind definiert als thermische, mechanische oder chemische Reize, die das Gewebe schädigen können.

Schmerzkomponenten

Jeder Schmerz hat sensorische, vegetative, motorische, affektive und kognitive Komponenten, die allesamt das Schmerzerlebnis modulieren. Die sensorische Komponente umfasst Ort, Intensität, Art und Dauer des Schmerzes und ist Bestandteil jeder gezielten Schmerzanamnese. Zur vegetativen Komponente gehören in erster Linie Kreislaufdysregulationen und Übelkeit, aber eigentlich sind alle sympathischen Reaktionen möglich. Die häufigsten motorischen Komponenten sind Schonhaltungen, Muskelverspannungen oder Schutzreflexe. Schmerzen stören auch unser allgemeines Wohlbefinden, wobei diese affektive Komponente besonders bei chronischen Schmerzen in den Vordergrund tritt. Jedes Schmerzerlebnis wird zugleich mit früheren Schmerzerfahrungen verglichen und danach in seiner Tragweite vom Patienten bewertet. Deshalb kann eine schlechte Schmerztherapie zukünftige Reaktionen auf noxische Reize beeinflussen und einen chronischen Schmerz triggern.

Schmerzcharakter

Der Schmerz wird unterschiedlich charakterisiert, je nachdem wo die Noxe das Gewebe schädigt. Bei einer Schädigung der Haut, wird der Schmerz als hell oder stechend beschrieben. Er ist gut lokalisierbar, klingt rasch ab und wird somatischer Oberflächenschmerz genannt. Wenn Bindegewebe, Muskeln oder Knochen geschädigt werden, tritt ein somatischer Tiefenschmerz auf, der als dumpf oder bohrend beschrieben wird und nicht genau lokalisiert werden kann. Neben den somatischen Schmerzen treten bei Verletzungen der Eingeweide sogenannte viszerale Schmerzen auf. Sie werden ebenfalls als dumpf beschrieben und sind schlecht lokalisierbar. Manchmal treten sie auch kolikartig auf.

Bauchschmerzen

Klagen die Patienten über Bauchschmerzen, dann sollte immer nach der Lokalisation gefragt werden. Weisen die Patienten auf den Bauchnabel und führen dabei mit der gesamten Hand eine kreisförmige Bewegung um den Nabel durch, dann handelt es sich um eine nicht-lokalisierte Reizung des viszeralen Peritoneums. Kann der Patient dagegen gezielt auf eine Stelle weisen, dann ist das parietale Peritoneum betroffen.

Nozizeptoren

Nach einer Verletzung des Gewebes werden Noxen freigesetzt, die Nozizeptoren reizen. Bei den Nozizeptoren handelt es sich um die primärafferenten Neurone, deren Perikaryon im Spinalganglion liegt. Die Nozizeptoren übertragen den noxischen Reiz des Gewebes, der von freien Nervenenden aufgenommen wird, sowohl über dünn myelinisierte A?-Fasern als auch über unmyelinisierte C-Fasern zum Hinterhorn des Rückenmarks. Die Nervenenden liegen entweder als unbedeckte Axone im Gewebe oder sie sind teilweise von Schwannschen Zellen bedeckt. In den Enden werden durch die thermischen, mechanischen und chemische Reize Ionenkanäle geöffnet und dadurch Aktionspotentiale transduziert.

Nozizeptoren

Reizschwelle

Im traumatisierten oder entzündeten Gewebe werden neuroaktive Substanzen wie Bradykinin, Substanz P, Prostaglandine, Histamin, Serotonin oder Protonen (H+) freigesetzt, die die nozizeptiven Reize massiv verstärken. Diese Stoffe setzen die Reizschwelle der Nozizeptoren deutlich herab, so dass sie bereits durch Reize erregt werden, die normalerweise nicht dazu ausreichen. Im Gewebe sind „stumme“ Nozizeptoren vorhanden, die eine so hohe Erregungsschwelle aufweisen, dass sie durch normale Reize nicht aktivierbar sind. Erst durch eine zusätzliche Sensibilisierung werden diese erregbar und verstärken den Schmerz.

Schmerzfortleitung

Im Hinterhorn wird der Reiz vom „ersten“ Neuron über Projektionsneurone zum Gehirn und über Interneurone in Reflexbahnen geleitet, wobei die Erregbarkeit durch glutamaterge NMDA(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptoren weiter verstärkt wird. Mehrere starke noxische Reize aktivieren u.a. die NMDA-Rezeptor-Kanäle und sensibilisieren so die Erregungsfortleitung. Die meisten Schmerzreize gelangen über den kontralateralen Vorderseitenstrang zum Thalamus, der Formatio reticularis und dem limbischen System. Die Reize unterliegen dann einem komplexen Verarbeitungsprozess, bis sie von kortikalen Strukturen als Schmerzreiz mit bestimmten Eigenschaften empfunden werden. Im Schlaf wird die Verarbeitung im Thalamus blockiert, so dass wir keinen Schmerz empfinden. Starke Schmerzreize wecken uns aber normalerweise auf.

Schmerzhemmung

Absteigende Bahnen aus dem Hirnstamm können Schmerzreize soweit hemmen, dass eine totale Analgesie entsteht. Eine entscheidende Rolle spielt das peri-aquäduktale Grau (PAG), das einerseits von vielen kortikalen und subkortikalen Einflüssen moduliert wird und andererseits über Fasern des Hinterseitenstranges die Schmerzfortleitung im Rückenmark hemmt. Die absteigenden Bahnen heben die Erregungsschwelle der Neurone im Rückenmark an und schwächen somit die noxischen Reize ab.

Schmerzempfinden

Schmerzen sind subjektiv erfahrbar und können durch Gebärden und Äußerungen anderen Personen mitgeteilt werden. Da das Ausmaß und die Qualität des Schmerzes sowohl durch die physiologische Ursache im Organismus als auch durch die Einbildungskraft des Patienten beeinflusst werden, kann von einem äußeren Trauma oder einer bestimmten Gewebeschädigung nicht direkt auf das Ausmaß des Schmerzes geschlossen werden. Wie stark der Schmerz vom Patienten empfunden wird und in welchem Ausmaß, kann nur vom Patienten selbst angegeben werden. Selbst wenn für den behandelnden Arzt nicht direkt ersichtlich ist, warum der Patient überhaupt Schmerzen haben sollte, sind sie dennoch von ihm ernst zu nehmen. Er hat auf die Schmerzen des Patienten einzugehen und sie adäquat und effizient zu behandeln. Mit einem einfachen visuell-analogen Score kann man jederzeit beim wachen Patienten das Schmerzempfinden reproduzierbar messen und die Schmerztherapie danach ausrichten.

Chronische Schmerzen

Die meisten chronischen Schmerzen basieren auf Nozizeptorschmerzen oder neuropathische Schmerzen. Bei den Nozizeptorschmerzen sind sowohl die peripheren als auch die zentralen neuronalen Strukturen intakt. Werden die Schmerzen kausal behandelt, dann sind die chronischen Schmerzen selbst bei längerer Dauer reversibel. Anders verhält es sich bei neuropathischen Schmerzen, denn hier sind die neuronalen Strukturen geschädigt. Die Schmerzen bleiben trotz lokaler Heilung meistens bestehen. Die häufigste Ursache chronischer Schmerzen bei operierten Patienten ist eine ständige Nozizeptoraktivität, die durch pathologische Rezeptoren und Kanalproteine oder vermehrte Transmitter hervorgerufen wird. Diese ständige Aktivität sensibilisiert zentrale Neurone am Hinterhorn des Rückenmarks. Diese Neurone werden übererregbar und modulieren nun die nozizeptive Neuraxis. Natürlich werden chronische Schmerzen auch durch degenerative Veränderungen ausgelöst, aber die chronische Sensibilisierung des nozizeptiven Systems hat für den Chirurgen die größte Bedeutung. Er kann sie nämlich durch eine adäquate Schmerztherapie beeinflussen. Eine schlechte Schmerztherapie schädigt den Patienten nicht nur direkt, sondern triggert darüber hinaus auch häufig einen vermeidbaren chronischen Prozess.

Aufklärungsgespräch

Im Rahmen der präoperativen Vorbereitung sollte dem Patienten neben dem Ausmaß der Operation auch erklärt werden, dass postoperativ Schmerzen auftreten und wie diese konkret behandelt werden. Dabei sollte dezidiert auf die Möglichkeiten der Schmerztherapie eingegangen werden, um Befürchtungen des Patienten abzubauen. Die Beseitigung der natürlichen Angst des Patienten führt postoperativ zu einem besseren Umgang mit Schmerzen und lindert sie zugleich. Bei diesen Gesprächen sollten auch die potentiellen Nebenwirkungen der Schmerztherapie genannt werden.

Suchtgefahr

Sowohl für den akuten als auch dem chronischen Schmerz gilt, dass er so schnell und effektiv wie möglich beseitigt werden sollte. Eventuelle Ängste vor einer potentiellen Suchtgefahr durch Opioide sind bei richtiger Indikationsstellung vollkommen unbegründet und dürfen niemals ein Grund sein, eine gute und indizierte Schmerztherapie zu unterlassen.

Effektive Schmerztherapie

Einige Grundregeln bei der Schmerztherapie sollten unbedingt beachtet werden, um tatsächlich effektiv behandeln zu können. Zunächst sollten alle Analgetika nur in der Dosierung appliziert werden, die auch ausreichend wirksam ist. Außerdem sollte die Dauer der Wirkung berücksichtigt werden, um das Dosierungsintervall richtig zu wählen. Wenn die analgetische Potenz trotz optimaler Dosierung nicht ausreicht, dann sollte ein wirksameres Analgetikum eingesetzt werden. Eine Kombination von Opioiden und Nicht-Opioiden sollte bei starken Schmerzen immer angestrebt werden. Die Möglichkeiten der physikalischen Therapie durch gezielte Wärme- oder Kälteapplikationen sollten keinesfalls vernachlässigt werden.

Präemptive Analgesie

Bei der präemptiven Analgesie wird versucht, die zentrale Schmerzempfindung zu beeinflussen, indem die nozizeptiven Reize auf ihrem Weg zum Gehirn abgeschwächt oder blockiert werden. Dabei soll die Reizleitung zu kortikalen Strukturen bereits vor der Schmerzauslösung verhindert werden. Dieses wird durch eine effektive Regionalanästhesie erreicht, bei der die afferenten Bahnen komplett blockiert werden und das Gehirn keine Informationen von den Nozizeptoren erhält, solange diese gereizt werden. Besonders bei größeren viszeralchirurgischen Eingriffen hat es sich sehr bewährt, durch einen thorakalen epiduralen Katheter alle spinalen Afferenzen vom Zeitpunkt des Hautschnittes bis mindestens zum zweiten postoperativen Tag zu blockieren. Auch die orale präoperative Gabe von Diclofenac und Oxycodon nutzt das Konzept der präemptiven Analgesie. Man darf aber nicht vergessen, dass dieses Konzept in erster Linie auf pathophysiologischen Überlegungen beruht und weniger auf tatsächliche Evidenz. In vergleichenden klinischen Studien konnte ein nachweislicher Effekt im Sinne eines geringeren Analgetikaverbrauches bisher nicht gesichert werden.

Medikamente

Wenn man diese Basisanforderungen ernst nimmt, dann sollte der Arzt bei seinen Schmerzmedikamenten die individuelle Dosierung, Maximaldosierung/Tag, Wirkungsdauer, -stärke und -mechanismus kennen. Da es viele potente Analgetika gibt, empfiehlt es sich aus praktischen Erwägungen, aus jeder Wirkgruppe ein geeignetes Medikament auszusuchen. Durch diese Restriktion kann sich der Arzt gut mit den einzelnen Medikamenten vertraut machen und die Effizienz seiner Therapie steigern. Auch die nachfolgend besprochenen Medikamente sind das Produkt einer Auswahl unter praktischen Erwägungen. Sie haben sich in den Händen des Autors bewährt, ohne dass damit gleichzeitig behauptet wird, dass nicht auch andere Medikamente für eine gute Schmerztherapie genauso gut geeignet sind.

Wirkung

Zu den erwünschten Wirkungen gehören Analgesie, Euphorie, Hustendämpfung und Stressreduktion. Unerwünscht sind dagegen Übelkeit, Erbrechen, Dysphorie, Atemdepression, Bronchokonstriktion, Bradykardie, Blutdruckabfall und Sedierung. Opioide sind kontraindiziert bei akuten hepatischen Porphyrien und sollten bei allen Patienten mit Lungenerkrankungen und während der Schwangerschaft und Laktation kritisch abgewogen werden.

Intoxikation

Wenn bei einem komatösen atemdepressiven Patienten eine Miosis vorliegt, sollte unbedingt an eine akute Opioidüberdosierung gedacht werden. In diesen Fällen wird sofort eine intensivmedizinische Therapie eingeleitet und Naloxon appliziert.

Opioide

Von den Opioiden sollte man mindestens mit Fentanyl, Morphin, Piritramid und Oxycodon vertraut sein. Die meisten anderen Opioide lassen sich mit diesen vier Medikamenten in ihren weiteren Charakteristika vergleichen. Ein beliebtes Medikament ist auch Tramadol, das wegen der häufig induzierten Übelkeit durch Oxycodon ersetzt wurde.

Morphin

Morphin wird in einer Dosierung von ungefähr 0,1 mg/kg KG appliziert, das entspricht 0,5–1 Ampulle Morphin 10 (5–10 mg). Wenn bei starken Schmerzen Morphin intravenös appliziert wird, dann ist mit einem Wirkungseintritt nach fünf bis zehn Minuten zu rechnen. Bei subkutaner oder oraler Applikation dauert es 15 bis 30 Minuten, bevor sich der Schmerz verringert. Dieser verzögerte Wirkungseintritt sollte dem Patienten erklärt werden, insbesondere wenn er mit einer Schmerzpumpe ausgestattet ist und erwartet, dass der Schmerz direkt nach Aktivierung der Pumpe nachlässt. Bei retardierten Präparaten, die oral appliziert werden, tritt der Effekt sogar erst nach Stunden ein. Die Dosierung kann allerdings auch auf das Mehrfache gesteigert werden. Da bereits nach vier bis fünf Stunden die Wirkung deutlich nachlässt, sollte es alle vier Stunden verabreicht werden. Diese relativ kurze Wirkdauer würde eine sechsmalige Applikation erfordern, was im klinischen Alltag unpraktisch ist.

Keine Bedarfsmedikation

Werden bei dem Patienten Analgetika bei Bedarf angeordnet, d.h. dass das Schmerzmittel erst appliziert wird, wenn der Patient danach fragt, dann entstehen häufig große Schwankungen zwischen einer relativen Schmerzfreiheit und starken Schmerzen. Es ist hinreichend bekannt, dass die Menge an Schmerzmittel bei dieser Applikationsform deutlich höher liegt und die Schmerzen als unangenehmer und ausgeprägter empfunden werden als bei einer kontinuierlichen oder fest angeordneten Schmerztherapie. Deshalb sollte heute keine „Medikation bei Bedarf“ mehr angeordnet werden, sondern immer eine feste Analgetikagabe, die dann bei zusätzlichem Bedarf noch erhöht werden kann.

Schmerzpumpen

Als praktikable Lösung bieten sich hier die Schmerzpumpen an. Bei dieser patienten-kontrollierten Analgesie (PCA) fordert der Patient sein Schmerzmittel selbst an, so dass die großen Schwankungen zwischen Schmerz und Schmerzfreiheit deutlich abgeflacht werden können. Die Schmerzpumpen werden manchmal auch so eingestellt, dass eine geringe Basalrate an Schmerzmitteln kontinuierlich appliziert wird. Allerdings wird von einigen Kollegen eine kontinuierliche Basalrate abgelehnt und ausschließlich eine Bolustherapie bevorzugt, weil eine Überdosierung befürchtet wird. Aufgrund der einstellbaren Parameter (Basalrate, Bolusgröße, Blockierungsintervall) kann das Risiko einer Überdosierung minimiert werden. Folgende Einstellung hat sich zur postoperativen Schmerztherapie bei mittelgroßen und größeren Eingriffen bewährt: keine Basalrate, ein Bolus von 1–2 mg Morphin mit einem Blockierungsintervall von zehn Minuten. Damit kann der Patient pro Stunde maximal 12 mg Morphin abrufen. Ist die Analgesie mit diesen Maßnahmen nicht ausreichend, dann sollte zusätzlich Morphin verabreicht werden.

Piritramid

Als exzellente Alternative zum Morphin gilt das Piritramid, das postoperativ besonders gern gegeben wird. Es setzt im Gegensatz zum Morphin kein Histamin frei und führt deshalb nicht zum Bronchospasmus oder Pruritus. Der Eintritt der Wirkung dauert etwas länger als beim Morphin, nämlich bis zu 15 Minuten bei intravenöser Gabe und 25–30 Minuten nach subkutaner Applikation. Obgleich die Wirkungsdauer etwas länger ist, lässt sie nach vier bis sechs Stunden nach. Die Dosierung ist gering gradig höher mit 0,1–0,2 mg/kg KG, so dass durchschnittlich eine halbe bis eine Ampulle (7,5–15 mg) appliziert wird.

Schmerzpumpen (Vygon)

Schmerzpumpen mit Piritramid haben sich ebenfalls als einfach und kosteneffektiv erwiesen. Es gibt schon sehr lange mechanische Pumpensysteme der Firma Vygon aus Aachen, die einen kontinuierlichen Unterdruck erzeugen, so dass bei jeder Aktivierung der Pumpe ein Volumen von 0,5 ml abgegeben wird. Da sich der Unterdruck nur langsam ausbildet, besteht quasi ein Blockierungsintervall von fünf Minuten. Erst nach dieser Zeit ist wieder das volle Volumen von 0,5 ml verfügbar. Wenn der Patient bereits nach einer Minute drücken würde, dann würden auch nur 0,1 ml freigegeben. Die Menge an Piritramid, die durch den Bolus appliziert wird, wird letztlich über die Konzentration der Lösung festgelegt, denn das Volumen des Bolus ist vorgegeben. Im klinischen Alltag hat sich folgendes Vorgehen bewährt: 60 mg Piritramid werden auf 20 ml Lösung aufgezogen, so dass mit jedem 0,5 ml Bolus 1,5 mg Piritramid appliziert werden. Dazu werden 8 ml Piritramid, das sind vier Ampullen, mit 12 ml einer physiologischen Kochsalzlösung aufgezogen und die Pumpe mit 20 ml gefüllt. Die maximale Dosis pro Stunde beträgt bei dieser Konzentration 18 mg Piritramid. Das scheint auf den ersten Blick relativ viel. Da die Patienten aber keine Basalrate erhalten, sondern jedes Mal aktiv drücken müssen, rufen sie diese Menge de facto nicht ab. Die Pumpen wiegen sehr wenig und sind äußerst einfach zu bestücken. Sollte das gewählte Schmerzmittelvolumen nicht ausreichen, dann kann die Pumpe leicht erneut bestückt werden. Bei allen Patienten-kontrollierten Analgesien werden unsere Patienten die erste postoperative Nacht überwacht, weil es keine absolute Sicherheit gibt, dass nicht doch eine Überdosierung eintritt.

Oxycodon

Das von uns am häufigsten eingesetzte Opioid ist Oxycodon (Oxygesic®), das etwas stärker als Morphium wirkt und ein ähnliches Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum hat. Kinder und schwangere Frauen sollten es nicht erhalten. Üblicherweise werden alle 12 Stunden 10–20 mg appliziert, weil die Wirkungsdauer ausreichend lang ist. Oxycodon wurde mit Naloxon in einem relativ teuren Präparat kombiniert (Targin®), um den obstipierenden Effekt zu vermindern.

Fentanyl ist ein sehr starkes Opioid, das sehr häufig direkt perioperativ oder auf der Intensivstation eingesetzt wird, weil es nach intravenöser Applikation bereits nach wenigen Minuten wirkt und seine Wirkdauer nur 25–35 Minuten beträgt. Die Dosierung ist mit 0,01 mg/kg KG deutlich geringer.

Niereninsuffizienz

Die Wirkung von NSAR auf die Prostaglandin-Biosynthese kann zu einer drastischen Verschlechterung der Nierenfunktion führen. Besonders im hohen Lebensalter werden die Effekte noch durch eine verminderte Nierendurchblutung und Autoregulation und durch eine erhöhte Vulnerabilität gegen Ischämien verstärkt. Bei einer normalen Herz-Kreislauf-Situation und glomerulären Filtration von über 30 ml/min sind die Risiken relativ gering. Sollte allerdings zusätzlich ein ACE-Hemmer verabreicht werden, sollte die glomeruläre Filtration über 60 ml/min betragen. Bei Volumenmangel, Sepsis oder schwerer Herzinsuffizienz sollte auf diese Analgetika verzichtet werden, um nicht die nephrotoxischen Wirkungen zum vollständigen Nierenversagen zu steigern.

Acetylsalicylsäure

Zu den Nicht-Opioiden gehören unter anderem Paracetamol, Acetylsalicylsäure (ASS), Metamizol und die nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAR). Acetylsalicylsäure (ASS) ist ein bekanntes Analgetikum, dessen Einzeldosierung (500–1000 mg) jeder aus der Hausapotheke kennt. Am Tag sollten maximal 2,5–3,0 g appliziert werden. Bei oraler Applikation dauert es zehn bis 15 Minuten bis ein Effekt eintritt, wobei die Wirkung nur zwei bis vier Stunden anhält. Die relativ kurze Wirkdauer ist ein großer Nachteil von ASS. Unerwünscht sind ebenfalls die Hemmung der Thrombozytenaggregation, der Bronchospasmus und die peptischen Ulzera. Es gibt in der postoperativen Schmerztherapie kaum Indikationen für ASS, weil es im Vergleich nebenwirkungsärmere Medikamente gibt.

Cyclooxygenasehemmer

Die NSAR haben neben der analgetischen und antipyretischen auch eine antiphlogistische Wirkung, die auf einer Hemmung der Cyclooxygenase beruht (COX). In den letzten Jahren wurden zwei Isoformen der COX gefunden, die sich im Gewebe unterschiedlich verteilen. COX-1 ist in fast allen Geweben nachweisbar und beteiligt am Schutz der Schleimhäute, bei der renalen Durchblutung und Aggregation der Thrombozyten. COX-2 tritt dagegen vornehmlich in Zellen auf, die am Entzündungsprozess beteiligt sind. Die COX-2-Expression wird deshalb von antiinflammatorischen Interleukinen und Glucokortikoiden besonders gehemmt. Die bekannten NSAR hemmen unspezifisch beide COX-Formen, während die COX-2-Inhibitoren(z.B. Valdecoxib und Rofecoxib) deutlich selektiver wirken. Die Nebenwirkungen sind deshalb bei ähnlichem Wirkungsspektrum deutlich geringer. Die Einzeldosis beträgt 20–40 mg/d. Die tägliche Höchstdosis von 40 mg kann demnach einmalig appliziert werden. In jüngster Zeit wurde die Indikation der COX-2-Hemmer zur postoperativen Schmerztherapie sehr stark eingeschränkt.

Im eigenen Vorgehen wurden die COX-2-Hemmer früher als Basismedikation mit sehr großem Erfolg und ohne wesentliche Nebenwirkungen eingesetzt. Nach dem Bekanntwerden der vaskulären Zwischenfälle und den Indikationsbeschränkungen wurden sie aus praktischen Erwägungen vollständig aus dem Routinealltag entfernt. Ähnliches erlitt gegenwärtig auch Diclofenac. Wenn jemand einen COX-2-Hemmer oder Diclofenac einsetzt, sollte das zusätzliche kardiovaskuläre Risiko sorgfältig bedacht werden.

Ibuprofen

Von den NSAR wird bevorzugt Ibuprofen eingesetzt in einer Einzeldosierung von 600 mg und viermaliger Applikation, so dass die tägliche Maximaldosis von 2400 mg erreicht wird. Das Nebenwirkungsprofil ist für die nicht-steroidalen Analgetika typisch, mit gehäuften peptischen Ulzera. Die NSAR vermindern die renale Perfusion und können so zu einer chronischen Nephritis führen. Besonders bei einer bereits bestehenden Hypotonie oder Niereninsuffizienz sollten sie deshalb nicht gegeben werden. Bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von unter 30 wird kein Ibuprofen appliziert. Sollte der Patient mit einem ACE-Hemmer behandelt werden, wird Ibuprofen bereits ab einer GFR von unter 60 nicht mehr zugeführt.

Metamizol

Für die postoperative Schmerztherapie hat sich Metamizol als günstig erwiesen, weil es zusätzlich eine spasmolytische Wirkung entfaltet. Als Einzeldosis werden 0,5–1,0 g gewählt. Die Tageshöchstmenge beträgt 6–8 g, die auf vier Applikationen verteilt werden. Bei oraler Applikation wirkt es nach 30 Minuten und hat eine Wirkdauer von zwei bis vier Stunden. Bei intravenöser Applikation sollte die Injektion langsam über fünf Minuten erfolgen, weil eine Vasodilatation mit Blutdruckabfall und Tachykardie auftreten kann. Die sehr seltene allergische Agranulozytose tritt unabhängig von der Art und Dauer der Applikation auf (1:1000000). Besonders häufig vermindert sich die Leukozytenzahl.

Epiduraler Katheter

Schmerzen können auch effektiv durch eine Lokal- oder Regionalanästhesie verhindert werden. Bei Patienten mit größeren intraabdominellen oder thorakalen Eingriffen hat sich ein epiduraler Katheter sehr bewährt. Wenn ein epiduraler Katheter zur Schmerztherapie verfügbar ist und die korrekte Lage und Funktion vom Anästhesisten überprüft wurde, sollte sich der Chirurg darüber bewusst sein, dass es im Vergleich zur Spinalanästhesie deutliche Unterschiede gibt. Dieselbe Wirkungsintensität erfordert eine höhere Konzentration des Lokalanästhetikums. Der Wirkungseintritt ist langsamer, die Wirkungsdauer länger und die Intensität der motorischen Blockade geringer. Zunächst verliert der Patient die Wärme- und Kälteempfindung und den dumpfen Tiefenschmerz, dann tritt eine präganglionäre Blockade ein, gefolgt vom Verlust des Berührungs-, Druck- und Schmerzempfindens, und schließlich einer motorischen Blockade.

Anästhesist

Die Schmerztherapie mit einem epiduralen Katheter wird im eigenen Vorgehen primär vom Anästhesisten kontrolliert, der die Patienten täglich mitbetreut und neurologisch untersucht. Der Katheter wird auch vom Anästhesisten entfernt.

Opioid-Lokalanästhetikum

Zur kontinuierlichen postoperativen Schmerztherapie wird der epidurale Katheter entweder allein mit einem Lokalanästhetikum oder mit einem Gemisch aus einem Lokalanästhetikum und Opioid bestückt, wobei das letztere Vorgehen bevorzugt wird. Es werden 6–12 ml/Std eines 1:1-Gemisches aus z.B. Ropivacain 0,1 % und Sufentanil 0,5 µg/ml gegeben. Damit ist in der Regel eine suffiziente Schmerztherapie möglich. Sollte der Patient weiterhin über Schmerzen klagen, dann sollte für einen raschen Effekt zunächst ein Bolus von 8–10 ml dieser Lösung gegeben werden, der nach ungefähr 15 Minuten wirkt. Zusätzlich wird die kontinuierliche Dosierung erhöht. Von einer zusätzlichen unkritischen Applikation von Opioiden ist unbedingt abzuraten, weil das Risiko einer Überdosierung vorhanden ist.

Lokalanästhetikum

Wird nur ein Lokalanästhetikum über den epiduralen Katheter gegeben, dann wird eine 0,2 %ige Ropivacain-Lösung gewählt und ebenfalls 6–12 ml/Std appliziert. Bei weiteren Schmerzen kann auch hier ein Bolus von 8–10 ml appliziert werden. Eine beginnende Überdosierung zeigt sich bei den tiefen thorakalen Kathetern in einer motorischen Blockade und Kribbeln an den Fingern. Auch hier sollte die Wirkung nach 15 Minuten eintreten. Eine ausschließliche Gabe von Lokalanästhetika hat den Vorteil, dass sie mit einer beliebigen zusätzlichen Opioidgabe kombinierbar ist. Bei allen epiduralen Kathetern ist auf eine Blasenentleerungsstörung zu achten, die bei einem hohen thorakalen Katheter aber nur in zehn Prozent der Fälle eintritt.

Sympathikusblockade

Sollte das seltene Ereignis eintreten, dass eine teilweise oder vollständige Blockade des Sympathikus zur Vasodilatation, Hypotonie und Bradykardie führt, dann ist unverzüglich eine Notfalltherapie mit O2-Gabe, Kopftieflage, Volumengabe, Atropin- und/oder Katecholamingabe einzuleiten.

Lokalanästhetikum

Manchmal kann der intra- und postoperative Schmerz durch eine Lokalanästhesie ausgeschaltet werden. Die gängigen Mittel werden nach ihrer Wirkdauer in zwei Gruppen eingeteilt und sehr häufig miteinander kombiniert, um den Schmerz auch postoperativ für längere Zeit zu unterdrücken. Bei der Applikationen von Lokalanästhetika ist unbedingt eine Allergie auf diese Mittel zu berücksichtigen und eine intravasale Applikation zu vermeiden. Außerdem können sie nicht in beliebiger Menge gegeben werden, sondern die Höchstdosierung sollte beachtet werden. Sie richtet sich nach der absolut applizierten Menge und sollte deshalb sowohl die Konzentration als auch das Volumen berücksichtigen. Bei einer Lidocain-Lösung (1 %) sollten nicht mehr als 40–50 ml appliziert werden. Wenn ein größeres Volumen benötigt wird, dann sollte eine 0,5-%ige Lösung verwendet werden. Wenn eine rasche Resorption zu vermuten ist, dann kann die Dosis halbiert werden.

Behandlungsprinzipien

Da die Intensität der Schmerzen auch von der Art der Operation abhängt, ist eine allgemeinverbindliche Medikation für alle Patienten nicht möglich. Um eine optimale postoperative Schmerztherapie zu gewährleisten, sind unbedingt die Dauer bis zum Wirkeintritt und -verlust aller Maßnahmen zu beachten. Bei den operativen Eingriffen ohne Allgemeinanästhesie sollten die schmerzstillenden Wirkungen der lokalen und regionalen Verfahren ausgenutzt werden. Erst mit dem Nachlassen der Wirkung werden systemische Mittel in ausreichender Stärke eingesetzt.

Analgetikakombination

Bei der systemischen Schmerzmittelapplikation wird immer mit den Nicht-Opioiden begonnen. Allerdings sind diese meistens nur bei geringen Schmerzen ausreichend. Eine Kombination mit Opioiden ist dann unvermeidlich und wird ohne Zögern eingeleitet. Eine Kombination mehrerer Nicht-Opioide oder mehrerer Opioide ist meistens nicht sinnvoll und sollte besonders gut abgewogen werden.

Kontinuierliche Gabe

Es wird auf keinen Fall „bei Bedarf“ verordnet, sondern immer eine definierte feste Applikationsweise gewählt. Bei stärkeren Schmerzen wird eine kontinuierliche Therapie mit einer Schmerzpumpe oder besser über einen epiduralen Katheter angewendet. Bei Beteiligung von Muskeln, Gelenken und Knochen wirkt Ibuprofen besser als Metamizol.

Behandlungskonzept

Das folgende Behandlungsmuster mit wenigen vertrauten Medikamenten hat sich nach allgemeinchirurgischen Operationen als erfolgreich erwiesen. Jeder Chirurg sollte über ähnliche Muster verfügen, um auf diese Weise bei den meisten Patienten eine effektive Schmerztherapie zu gewährleisten.

Am Ende der Narkose wird 1 g Novalgin® appliziert.

Direkt postoperativ werden durch das Pflegepersonal in den ersten vier Stunden alle 30 Minuten Vigilanz, Blutdruck, Puls und Atemfrequenz kontrolliert. In den nächsten vier Stunden alle 60 Minuten.

Auf der Pflegestation erhält der Patient 600 mg Ibuprofen und 10 mg Oxygesic®.

Bei kleinen bis mittleren Eingriffen reichen ab dem 2. postoperativen Tag häufig 4mal 600 mg Ibuprofen.

Bei mittleren bis größeren Eingriffen wird an den beiden ersten postoperativen Tagen 4mal 600 mg Ibuprofen und zweimal 10 mg Oxygesic® fest angeordnet und Oxygesic® evtl. höher dosiert.

Bei großen Eingriffen erhält der Patient neben der Basismedikation an 4mal 600 mg Ibuprofen einen PDK oder eine Vygon®-Pumpe mit Dipidolor®. Diese kann häufig ab dem 3. postoperativen Tag auf 4mal 600 mg Ibuprofen und zweimal 10 mg Oxygesic® umgestellt werden.

Die Indikation zu einer Regionalanästhesie mit Lokalanästhetika und Opioiden ist bei größeren Eingriffen und Risikofaktoren sehr großzügig zu stellen.

Schema

Kleine Eingriffe – Portkatheter, oberflächliche Eingriffe, Abszessspaltung Am Operationstag 4mal 600 mg Ibuprofen und 2mal 10 mg Oxygesic®. Am 1.-3. Tag 4mal 600 mg Ibuprofen. Bei Bedarf mit Oxygesic® ergänzen. Alternativ: 4mal 1 g Metamizol
Mittlere Eingriffe – z.B. Struma, Hernien, CCE, App. Fundoplikatio Am Operationstag und bis zum 2. postoperativen Tag 4mal 600 mg Ibuprofen und 2mal 10 mg Oxygesic®. Oxygesic® kann bei weiteren Schmerzen höher dosiert werden. Ab dem dritten Tag kann häufig auf Oxygesic® verzichtet werden. Dann für 3 Tage auf 4mal 600 mg Ibuprofen reduzieren. Alternativ: 4mal 1 g Metamizol
Große Eingriffe Postoperativ direkt mit PCA/PDK beginnen.
Wenn orale Schmerzmedikation möglich ist, dann immer 4mal 600 mg Ibuprofen – auch wenn PDK liegt.
Wenn keine orale Schmerzmedikation möglich ist, dann  4 g Novalgin als Dauerinfusion.
PDK-Entfernung: Nach kolorektalen Resektionen in der Regel am 2. postoperativen Tag und nach Oberbaucheingriffen am 4. postoperativen Tag.
PDK wird nur entfernt, wenn orale Schmerzmedikation möglich ist.
PDK wird dazu morgens um 7.00 ausgestellt und durch eine orale Schmerztherapie durch Oxygesic(2mal 10-20 mg) ersetzt.
4mal 600 mg Ibuprofen werden fortgeführt.
Ab dem 5. Tag reichen meistens 4mal 600 mg Ibuprofen aus. Alternativ: 4mal 1 g Metamizol