Postoperative Übelkeit

Die Abkürzung PONV hat sich im klinischen Alltag für „postoperative nausea and vomiting“ weitgehend durchgesetzt. Die postoperative Übelkeit tritt bei 25-35% der Patienten auf und wird als mindestens genauso unangenehm empfunden wie Schmerzen. Der Chirurg sollte deshalb mit den Ursachen, Risiken und Therapiemöglichkeiten ausreichend vertraut sein, um die Patienten nicht unnötig leiden zu lassen. Erbrechen und Übelkeit sind qualitativ unterschiedliche Ereignisse. Erbrechen wird durch ein vegetatives Reflexmuster ausgelöst, das z.B. bei auch durch direkten Reiz der Rachenhinterwand ausgelöst werden kann, ohne mit Übelkeit einherzugehen. Erbrechen ist nicht die höchste Steigerung der Übelkeit, sondern ein anderes Phänomen.

Pathophysiologie

Das Brechzentrum ist in der Medulla oblongata lokalisiert und erhält Afferenzen aus der Chemorezeptortriggerzone (CTZ), dem Kortex, dem Vestibularorgan und dem N. vagus. Begleitende vegetative Komponenten wie Blässe oder Kaltschweißigkeit werden von sympathovagalen und motorischen Kerngebieten gesteuert, die vom Brechzentrum stimuliert werden. Auf das CTZ wirken viele Medikamente (z.B. Opioide), Hormone und Metabolite und auf den Kortex psychische Faktoren, Sinneseindrücke, Schmerzen oder hypoxische Zustände. Über den N. vagus werden Information aus der Abdominalhöhle und dem Thorax vermittelt.

Ursachen der Übelkeit

Risikofaktoren

Frauen leiden dreimal so häufig an postoperativer Übelkeit wie Männer und Nichtraucher zweimal so häufig wie Raucher. Wenn Patienten bereits früher über postoperative Übelkeit oder Reisekrankheit klagten dann ist auch erneute Übelkeit wahrscheinlich. Nach volatilen Anästhetika tritt die Übelkeit ebenfalls häufiger auf als nach total intravenöser Anästhesie (TIVA). Die postoperative Applikation von Opioiden erhöht nochmals das Risiko erheblich. Die Art der Operation scheint keinen Einfluss zu haben, aber mit zunehmender Operationsdauer steigt wiederum das Risiko. Die folgenden Zustände haben sich nicht als Risikofaktoren für PNV bestätigen lassen, obgleich sie häufiger diskutiert wurden: Erfahrung des Anästhesisten, Maskenbeatmung, Angst, Adipositas oder Menstruationszyklus.

Risikoscore

Die vier wichtigsten Risikofaktoren wurden zu einem einfachen Risikoscore zusammengefasst, wobei jeder Faktor mit einem Punkt bewertet wird. Dieser einfache Score wird auch Apfel-Score genannt – nach dem Anästhesisten Apfel.

Therapie der Übelkeit in Abhängigkeit von den Risikofaktoren

Antiemetika

Als Antiemetika haben sich gegenwärtig vier Medikamente bewährt: 5-HT3-Antagonisten, Droperidol, Dexamethason und Dimenhydrinat. Die 5-HT3-Antagonisten (z. B. Zofran® oder Anemet®) blockieren die Freisetzung von Serotonin. Sie zeigen keine sedierende oder extrapyramidale Nebenwirkungen. Manchmal treten milde Kopfschmerzen auf. Dimenhydrinat (z.B. Vomex A®) ist ein unspezifischer H1-Histaminantagonist, der sehr gut mit 1 mg/kg KG i.-v. zu steuern ist. Bei rektaler Applikation sollte die relativ unsichere Resorption beachtet werden, so dass die intravenöse besser ist. Als gut verträgliches Antiemetikum hat sich die Gabe von 4 mg Dexamethason i.-v. zur Narkoseeinleitung bewährt. Auch in der postoperativen Behandlung ist es effektiv. Droperidol (DHB) ist ein sehr potentes Antiemetikum, das allerdings in Deutschland nicht mehr vermarktet wird. Es ist zwar weiterhin für den Gebrauch zugelassen, kann aber nur bei ausländischen Herstellern bezogen werden. Das vielfach eingesetzte Metoclopramid ist kaum antiemetisch wirksam und sollte deshalb nicht gegen Übelkeit appliziert werden.

PONV-Prophylaxe

Im eigenen Vorgehen wird immer eine PONV-Prophylaxe mit 4 mg Dexamethason i.-v. vorgenommen, die mit der Narkoseeinleitung gegeben werden. Bei bis zu einem Risikofaktor ist Dexamethason in der Regel ausreichend. Sollte der Patient über Übelkeit klagen wird 1 mg DHB langsam intravenös appliziert, bei weiteren Beschwerden 4 mg Zofran® i.-v. Bei zwei bis drei Risikofaktoren werden 4 mg Dexamethason i.-v. mit der Narkoseeinleitung und 1 mg DHB i.-v. am Ende der Narkose gegeben. Sollte der Patient postoperativ dennoch über Übelkeit klagen, dann wird 4 mg Zofran i.-v. angeordnet. Bei 4 Risikofaktoren wäre eine TIVA mit 4 mg Dexamethason i.-v. zu Beginn und 1 mg DHB i.-v. und 4 mg Zofran® i.-v. am Ende der Operation sinnvoll. Tritt bei diesen gefährdeten Patienten postoperative Übelkeit auf, dann sollte erneut 4 mg Zofran® i.-v. versucht werden.